vergilbtes Bild: auf einer Landkarte liegen ein Lineal und Hitler-Fotos und Miniatur-Fähnchenaufsteller mit Hakenkreuz-Flagge stehen dabei. Daneben ein Aschenbecher mit Zigarettenstummeln.
Szenenfoto aus der GMD-Doku "Hitler – Ein Attentat und die Drahtzieher aus Magdeburg" von 2016: Schlabrendorff war eine der zentralen Personen der Attentatspläne. Bildrechte: MDR/Andreas Landers

Hitler-Attentäter und Bundesrichter Fabian von Schlabrendorff - Ziviles Gewissen im feldgrauen Rock

05. Dezember 2016, 10:10 Uhr

Er ist Jurist und kein Berufssoldat, sein Auftreten hat nur wenig Militärisches. Und dennoch rückt Fabian von Schlabrendorff nach dem Zweiten Weltkrieg als eine Gallionsfigur des militärischen Widerstands gegen Hitler ins Bewusstsein. Um den Diktator zu stoppen, ist der Reserveoffizier und engste Vertraute Henning von Tresckows bereit, alles zu riskieren - auch das eigene Leben.

Fabian von Schlabrendorff wird am 1. Juli 1907 in Halle an der Saale als Sohn eines preußischen Generals geboren. Der Spross aus märkischem Uradel studiert Jura und entscheidet sich für die Beamten-, statt für die Offizierslaufbahn. Beides hat in der Familie Tradition. Schlabrendorff wird Staatssekretär im preußischen Innenministerium. Anders als sein Vetter Henning von Tresckow, der 1932 Hitler wählt, gehört Schlabrendorff von Anfang an zu den Gegnern der Nationalsozialisten. Als diese 1933 an die Macht kommen, quittiert er den Ministerialdienst und zieht sich in die Provinz zurück. Er will Hitler nicht als Staatsbeamter dienen. 1939 heiratet er Luitgarde von Bismarck, mit der er in der Folge sechs Kinder bekommt.

Tresckows Adjutant bei der Heeresgruppe Mitte

1942 wird Schlabrendorff - nunmehr Leutnant der Reserve - auf Betreiben Tresckows als dessen Adjutant ins Hauptquartier der Heerresgruppe Mitte versetzt. Der verwandte Oberst ist dort Erster Generalstabsoffizier (Ia) der Heeresgruppe und mittlerweile einer der führenden Köpfe des militärischen Widerstandes. Schlabrendorff wird dessen engster Vertrauter und politischer Berater. Der ehemalige Regierungsbeamte, der in der Reichshauptstadt noch immer gut vernetzt ist, fungiert vor allem als geheimer Verbindungsmann Tresckows zur Berliner Verschwörergruppe um die Generale Ludwig Beck, Friedrich Olbricht und Hans Oster sowie den ehemaligen Leipziger Oberbürgermeister Carl Friedrich Goerdeler.

Attentatspläne auf Adolf Hitler

Tresckow und Schlabrendorff beschäftigen sich zudem mit verschiedenen Attentats- und Staatsstreichplänen gegen Hitler und die NS-Führung. Der bekannteste ist der Versuch, Hitler durch eine an Bord seines Flugzeuges platzierte Bombe ins Jenseits zu befördern. Dazu nutzen die beiden Offiziere einen Besuch des Obersten Befehlshabers im Hauptquartier der Heeresgruppe Mitte am 13. März 1943. Zwar gelingt es tatsächlich, eine englische Haftmine mit lautlosem Zünder in einer Box mit zwei Cognac-Flaschen an Bord der Focke Wulf Fw 200 "Condor" zu schmuggeln, doch der Sprengsatz explodiert nicht. Schlabrendorff mutmaßt später, dass die damals herrschende extreme Kälte der Grund für das Misslingen des Anschlages ist. Die Maschine jedenfalls landet sicher im Führer-Hauptquartier in Ostpreußen. Schlabrendorff fliegt daraufhin hinterher und stellt den Sprengsatz sicher. Die Attentatspläne bleiben unbemerkt und werden nach dem Krieg erst durch Schlabrendorffs Schilderungen bekannt.

Verhaftung nach dem 20. Juli 1944

Nach dem gescheiterten Attentat vom 20. Juli 1944 wird Schlabrendorff, wie zahlreiche andere Mitglieder des militärischen Widerstandes, verhaftet und ins Berliner Gestapo-Gefängnis eingeliefert. Dort wird er auch gefoltert. Mitverschwörer und ihm bekannte Einzelheiten der Staatsstreichpläne verrät er jedoch nicht.

Reichsmarschall Hermann Göring und der Chef der "Kanzlei des Führers", Martin Bormann, begutachten die Zerstörung im Raum der Karten-Baracke im Führerhauptquartier Rastenburg.
Am 20. Juli geht im Führerhauptquartier eine von Oberst Claus Graf Schenk von Stauffenberg deponierte Bombe hoch. Bildrechte: picture-alliance / dpa/dpaweb | Hoffmann

Im Februar 1945 soll sich Schlabrendorff vor dem Volksgerichtshof Roland Freislers verantworten. Sein Termin muss allerdings verschoben werden, nachdem Freisler bei einem alliierten Bombenangriff von einem Deckenbalken im Gerichtssaal erschlagen wird. Bei der Fortsetzung seines Prozesses Mitte März wird Schlabrendorff unter Verweis auf erlittene Folterungen von Freislers Nachfolger überraschend freigesprochen. Unmittelbar danach wird er jedoch erneut von der Gestapo verhaftet und ins Konzentrationslager Flossenbürg verbracht, wo im April die Mitverschwörer Admiral Wilhelm Canaris, Generalmajor Hans Oster und der Theologe Dietrich Bonhoeffer hingerichtet werden. Schlabrendorff selbst wird Ende April mit rund 140 weiteren Insassen über die Konzentrationslager Dachau und Innsbruck nach Südtirol gebracht, wo er und seine Mitgefangenen am 4. Mai durch die US-Amerikaner befreit werden.

Kronzeuge des militärischen Widerstandes

Während des Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozesses 1945/46 gehört Schlabrendorff zum Beraterstab der Amerikaner, in deren Auftrag er unter anderem über seine Erfahrungen im deutschen Widerstand schreibt. Das Manuskript liefert zugleich die Grundlage für sein ab 1946 in mehreren Auflagen erscheinendes Buch "Offiziere gegen Hitler", welches als erstes Werk der Nachkriegszeit überhaupt, den militärischen Widerstand gegen das NS-Regime beleuchtet. Als einer der wenigen Überlebenden aus dem Kreise der Verschwörer sieht sich Schlabrendorff - wie es einer seiner Söhne formuliert - verpflichtet, seinen toten Kameraden, "ein Denkmal [zu] setzen". Er selbst wird dadurch zu einer Gallionsfigur des militärischen Widerstandes.

Richter am Bundesverfassungsgericht

Beruflich kehrt Schlabrendorff nach Kriegsende in seinen alten Juristenberuf zurück. Von 1967 bis 1975 wird er sogar Richter am Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. In dieser Funktion wirkt er unter anderem an der wichtigen Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit des Grundlagenvertrages zwischen der Bundesrepublik und der DDR mit. Fabian von Schlabrendorff stirbt, hoch geehrt, am 3. September 1980 in Wiesbaden.

Über dieses Thema berichtete der MDR auch im Fernsehen: Geschichte Mitteldeutschlands | Hitler – Ein Attentat und die Drahtzieher aus Magdeburg | 31. Juli 2016 | 20:15 Uhr