Der Weg vom Mädchen zur Machtfrau Mathilde von Quedlinburg: Daten, Orte und Ereignisse

15. September 2015, 11:38 Uhr

955-999: Mathildes Leben in Quedlinburg

Quedlinburg: Mathilde, Tochter von Otto dem Großen und Adelheid von Burgund, verbringt in der Stadt am nördlichen Harz-Rand den Großteil ihres Lebens. Schon mit elf Jahren löst sie ihre Großmutter als Äbtissin ab und übernimmt die Führung des Damenstifts zu Quedlinburg.

Im Kloster sind adelige Frauen untergebracht, die entweder darauf warten, verheiratet zu werden oder als Witwen ihren Lebensabend im Stift verbringen. Schon als junges Mädchen ist Mathilde damit für Frauen allen Alters verantwortlich. Von Quedlinburg aus regiert sie später auch das Reich, welches ihr Neffe Kaiser Otto III. ihr zur Herrschaft anvertraut hat, solange er in Italien weilt. Im Februar 999 stirbt Mathilde in Quedlinburg. Bis heute kann man ihre Spuren überall in der Stadt finden.                         

                                                                        

968: Die Sachsengeschichte

99Corvey: In einem Benediktinerkloster in der Nähe des heutigen Höxter in Nordrhein-Westfalen beendet der Mönch Widukind von Corvey im Jahr 968 sein großes Werk "Die Sachsengeschichte". Er berichtet darin von der Frühgeschichte des sächsischen Stammes, von Heinrich I. und den Taten Ottos des Großen.

Jeden der drei Bände versieht er mit einer Vorrede, die zugleich Widmung für Mathilde von Quedlinburg ist. Er preist ihre ausgezeichnete Weisheit und nennt sie Gebieterin von ganz Europa. Die junge Mathilde bekommt "Die Sachsengeschichte" im Alter von 13 Jahren geschenkt. Sie soll ihr als eine Art Handbuch zum Herrschen dienen und enthält viele politische Weisheiten. So finden sich darin auch Ratschläge, wie ein Herrscher mit Hinterlist und Treuebruch umzugehen hat.

985: Die Pfalz Wallhausen wird Quedlinburgisch

Wallhausen: Als einer von vielen Orten in der Region wird die Pfalz Wallhausen im Jahr 985 dem Damenstift in Quedlinburg und damit dessen Äbtissin Mathilde unterstellt. Das Stift besitzt viele Ländereien im Harzvorland, unter anderem in Ditfurt, Duderstadt oder Nienburg an der Saale. Typisch für diese Gegend sind die extrem fruchtbaren Schwarzerdeböden, die zwei Ernten pro Jahr zulassen. Der Vorharz ist somit eine der Kornkammern des Reiches.

994: Quedlinburg erhält Marktrecht

Quedlinburg: Von ihrem Neffen Kaiser Otto III. sichert sich Mathilde im Jahr 994 das Markt-, Münz- und Zollprivileg für Quedlinburg. Das bringt ihr nicht nur mehr Einnahmen, es macht den Marktplatz unterhalb des Stiftsbergs auch für Fremde attraktiv. Pilger auf dem Weg zum Grab Heinrichs I. halten nun in der Stadt und tragen damit zum wirtschaftlichen Aufstieg Quedlinburgs bei. Mauern und  Befestigungen werden gebaut, immer mehr Handwerker siedeln sich an. Das Marktrecht ist dafür die Grundlage: Aus wenigen Hütten entwickelt sich durch Mathildes Initiative die prosperierende Stadt Quedlinburg.

997: Mathilde als Stellvertreterin des Kaisers

Rom: Kaiser Otto III. verlagert seinen Herrschafts-Schwerpunkt immer mehr nach Italien. Auf seine erste Reise dorthin begleitet ihn noch seine Tante Mathilde von Quedlinburg. Als es im Jahr 997 erneut politische Schwierigkeiten in Italien gibt, bricht Otto III. jedoch ohne Mathilde über die Alpen gen Rom auf.

Dafür übergibt er ihr die Herrschaft in Deutschland und übergeht damit alle normalerweise berechtigten Erzbischöfe und Herzöge. Schon in ihrer Kindheit war Mathilde sieben Jahre lang die einzige Vertreterin der Königsfamilie in Sachsen. Während ihre Eltern und der gleichaltriger Bruder in Italien weilten, blieb Mathilde allein in Quedlinburg und wuchs zur Regentin heran.

998: Hoftag in Derenburg

Derenburg: In der Harzer Pfalz Derenburg beruft Mathilde von Quedlinburg im Jahr 998 die wichtigsten und einflussreichsten Männer des Landes für einen Hoftag ein. Sie leitet die Versammlung der Mächtigen Sachsens als Vertreterin des ottonischen Königs, hört Bitten, besetzt Ämter neu und spricht Recht.

998: Brautraub von Quedlinburg

Nordmark: In dieser mittelalterlichen Markgrafschaft herrscht Werner von Walbeck. Eigentlich soll er das hochadelige Mädchen Liudgard von Meißen heiraten, beide Familien geben die Verlobung sogar öffentlich bekannt.

Doch bevor es zur Hochzeit kommt, nimmt Luidgards Vater seine Einwilligung in die Hochzeit aus unbekannten Gründen zurück und schickt seine Tochter in das Damenstift nach Quedlinburg. Diese Schande will Werner nicht auf sich sitzen lassen. Gemeinsam mit einigen Rittern erstürmt er das Stift in Quedlinburg und entführt Liudgard.

999: Schlichtung der Fehde um den Brautraub

Magdeburg: Monatelang vermittelt Mathilde zwischen den Parteien. Jetzt stellt sie Walbeck ein Ultimatum: Der Verlobte soll sich auf dem Hoftag mit seiner Braut in Magdeburg einfinden und sich entweder schuldig bekennen oder andernfalls das Land verlassen.

Der Herrscherin geht es darum, die Macht des Königs öffentlich zu präsentieren und durchzusetzen, für Frieden und Gerechtigkeit zu sorgen. Und sie hat Erfolg: Walbeck erscheint tatsächlich mit der geraubten Braut und gibt sie ihrer Familie zurück. Da er reumütig ist, lässt Mathilde schließlich Gnade walten. Wenig später verstirbt sie mit 44 Jahren auf dem Höhepunkt ihrer Macht in Quedlinburg.

Heute: Das Totenbuch der Ottonen

Merseburg: Im Nekrolog von Merseburg findet sich das Totenbuch der Ottonen. Wie in einem Kalender werden in diesem Dokument Todesdaten von Verwandten oder den Ottonen nahestehenden Personen aufbewahrt. Auffallend ist, wie akribisch Namen zu den Lebzeiten Mathildes von Quedlinburgs aufgeschrieben wurden. Das Totenbuch zeugt damit nicht nur vom Glauben Mathildes, sondern auch von ihrer Gewissenhaftigkeit und Disziplin.

Heute: Die Lehrbücher der Nonnen

Halle: In der Landesbibliothek in Halle werden Lehrbücher aus dem mittelalterlichen Damenstift in Quedlinburg aufbewahrt. Es handelt sich ausschließlich um religiöse, christliche Werke auf Latein. Unter Obhut von Äbtissin Mathilde mussten die jungen Nonnen anhand von Gebeten und Psalmen die Kirchensprache erlernen. Das Evangelium studierten dann erst die fortgeschrittenen Schülerinnen. Auch mit Heiligenviten sollten die Mädchen auf die Anfechtungen des Lebens vorbereitet werden. Aber die Handschriften der Mädchen überliefern noch mehr als nur ihren Lehrstoff. Anmerkungen am Rand zeugen davon, wie bereitwillig sich junge Mädchen schon damals ablenken ließen.