Erste Pilotin im Porträt Melli Beese: Die Flugpionierin aus Sachsen
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09. September 2022, 10:12 Uhr
"Fliegen. Ich wollte fliegen lernen. Das war aber auch alles, von dem ich wusste, dass ich es wollte." Melli Beese ist die erste Pilotin Deutschlands. Allen Widerständen trotzend kämpft sie sich hoch in die Lüfte, doch das Glück hält nicht lange an.
Amelie Hedwig Beese, genannt Melli, wird am 13.09.1886 in Laubegast bei Dresden geboren. Sie ist die einzige Tochter des Architekten, Bau- und Steinmetzmeisters Friedrich Carl Beese und Alma Wilhelmine Beese. Eigentlich ist der Weg eines Mädchens aus gutem Hause zu der Zeit klar vorgezeichnet: Junge Frauen aus gutem Hause werden Ehefrauen in anderen guten Häusern. Auch sind die Universitäten zu Melli Beeses Zeit mehr oder weniger fest in Männerhand, Frauenverbände bitten noch artig um die Zulassung zu einzelnen Studienfächern. Da Frauen in Dresdens und Berlins Hochschulen zu der Zeit noch nicht zugelassen sind, geht Melli Beese zunächst andere Wege: Sie studiert an der Königlichen Akademie der freien Künste Stockholm Bildhauerei.
Allein unter Männern
1909, während ihres Studiums, liest sie in der schwedischen Presse von den amerikanischen Brüdern Wright und deren ersten motorisierten Flugversuchen. Fasziniert davon kehrt sie nach Deutschland zurück und hörte 1910 am Technikum in Dresden Lesungen zu Mathematik, Schiffbau und Flugwesen. Indessen hat sich in Johannisthal bei Berlin die Hochburg der - selbstverständlich männlichen - Flugpioniere gebildet. Die Männer hier sind in ihrem Ehrgeiz und ihren himmelsstürmenden Visionen vielen anderen ihrer Zeit voraus, nicht aber in ihren Ansichten zur Rolle der Frau. In Flugzeugen haben die ihrer Ansicht nach nichts verloren. Die Albatros-Flugwerke, bei denen Melli Beese als Schülerin anheuern will, weist sie ab, "mangels Erfahrung mit weiblichen Schülern". Die flugbegeisterte Frau weicht aus in die Schweiz. Die Flugschule "Ad Astra" bildet Melli Beese zur Pilotin aus. Ihre Eltern finanzieren die horrenden Ausbildungskosten von 4.000 Mark. Auch von einem Absturz während eines Übungsfluges lässt sie sich nicht beirren, sie kämpft sich weiter bis zur Flugprüfung.
Pilotenschein Nr. 115
Doch auch das geht nicht ohne Hindernisse. Die Männer, in deren Domäne die junge Frau einbricht, kämpfen mit harten Bandagen: Mutwillig legen ihr Flugschüler und sogar Lehrer Steine in den Weg. Sie bauen ihr verrußte Zündkerzen in das Flugzeug oder lassen Benzin aus ihrem Tank, sodass Melli während eines Fluges zu einer Notlandung gezwungen ist. Doch sie haben die Rechnung ohne die ausgefuchste junge Frau gemacht. Am 13. September 1911, an ihrem ihrem 25. Geburtstag, nutzt sie die Gunst der Stunde, während ihre missgünstigen Mitstreiter auf auswärtigen Flugveranstaltungen sind. Sie organisiert sich externe Zeugen und absolviert unbemerkt in den frühen Morgenstunden ihre Pilotenscheinprüfung. Damit ist sie die erste deutsche Pilotin und erhält den Pilotenschein Nr. 115.
Die eigene Flugschule
Der Wind, der der geprüften Pilotin ins Gesicht weht, bleibt auch mit Flugschein rauh. In der Fliegergesellschaft will Mann unter sich bleiben, bei Flugevents soll sie möglichst nicht zugelassen werden. Trotzdem fliegt Melli 1912 auf den Johannisthaler Flugwochen einen neuen Höhenweltrekord für Frauen und gründet im selben Jahr eine eigene Flugschule zusammen mit dem Franzosen Charles Boutard und dem Dresdner Hermann Reichelt. Finanzielle Utnerstützung kam zudem von von Karl Lingner, dem Dresdner Industriellen, der bekannt wurde als der "Odolkönig". Gemeinsam konstruieren Beese, Boutard und Reichelt neue Flugzeuge des Typs "Taube" und melden Patente für ein zerlegbares, ein Leicht- und ein Wasserflugzeug an.
Der Anfang vom Ende
Der Beginn des Ersten Weltkriegs 1914 markiert den Anfang vom Ende der Karriere der erfolgreichen Flugpionierin. Beese hatte nämlich zur Hochzeit die französische Staatsangehörigkeit angenommen und galt nun zusammen mit ihrem Mann als Staatsfeindin Deutschlands. Das Ehepaar verliert seine erfolgreiche Flugschule, Lehr- und Geschäftserlaubnis werden entzogen. Charles Boutard wird zunächst in Holzminden interniert, ab 1917 sind beide in Wittstock in Arrest.
Nach Kriegsende steht das Paar in Johannisthal vor dem finanziellen Aus. Ihr Versuch, mit den Entschädigungsgeldern für Fabrik und Flugzeuge in die Automobilbranche einzusteigen, scheitert. Mit ihrem Mann plant sie ein neues Projekt, einen Flug um die Welt. Bei einem Probeflug in Berlin-Staaken für die Fluglizenz, die sie neu erwerben muss, stürzt Beese ab und überlebt unverletzt. Zu der Zeit zerbricht auch ihre Ehe mit Charles Boutard. Am 21. Dezember 1925 nimmt sich Melli Beese im Alter von 39 Jahren das Leben.
Melli Beese - bis heute bekannt weit über Dresden hinaus
Seit Mitte der 1980er-Jahre erinnert in Dresden eine Gedenktafel an ihrem Geburtshaus an Melli Beese und eine Straße trägt ihren Namen. Aber auch außerhalb von Dresden ist die Pilotin in der Öffentlichkeit präsent - mit Straßennamen zum Beispiel in Berlin und auf dem Berliner Flughafen, sowie in Ingolstadt, Frankfurt, Fürth, Köln oder Cottbus, oder als Namensgeberin von Kindergärten und Schulen. Auch ihrem Mann, Charles Boutard, ist in Berlin eine Straße gewidmet und im französischen Tours ist eine Schule nach ihm benannt.