Alexej Kolesnikow
Alexej Kolesnikow lernt Deutsch. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Ukraine Wie die Ukraine unter Deutschlands Anziehungskraft leidet

24. August 2018, 17:00 Uhr

Immer mehr Ukrainer wandern aus, weil sie der Korruption und der schlechten wirtschaftlichen Perspektiven im Land überdrüssig sind. Dabei wird auch Deutschland für viele junge Menschen zum Zielland.

Deutsch ist beliebt in der Ukraine, denn nirgendwo sonst lernen prozentual so viele Menschen diese Sprache. Der 26-jährige Alexej Kolesnikow lernt Deutsch, weil er in Thüringen studieren möchte. Nachdem er in der Ukraine schon ein Politikwissenschaftsstudium beendet hat, will er nun seinen Master in Thüringen machen. Eine Zulassung zum Studium an der Universität Jena hat Alexej bereits: "Wenn man die Möglichkeit hat, zu wählen, wo man leben und arbeiten möchte und wo man viele Verdienstmöglichkeiten hat, dann möchten natürlich alle das Beste wählen. Für uns gibt es in Deutschland noch viel bessere Chancen als in der Ukraine, leider". Alexej würde in Kiew auf rund 420 Euro im Monat kommen, so hoch war der Durchschnittslohn der Hauptstadt 2017.

Goethe Institu in Kiew
Alexej Kolesnikow Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Und genau wie Alexej verlassen immer mehr Ukrainer ihr Land. Schon jetzt sind es jedes Jahr 150.000 Menschen und zukünftig könnten es noch mehr werden: In einer Befragung des Kiewer Internationalen Soziologischen Instituts gaben über die Hälfte der jungen Ukrainer im Alter von 18 bis 25 Jahren an, dass sie bereit seien, das Land zu verlassen.

Deutschland wirbt um Gut-Ausgebildete

Beate Köhler
Beate Köhler, Leiterin des Goethe-Instituts in Kiew. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

An der deutschen Botschaft in Kiew wird gerade für die Deutsch-Sprachkurse am Goethe-Institut geworben. Mit verschiedenen Kulturveranstaltungen will man die Vielfalt Deutschlands darstellen. Für die Deutsch-Interessierten Ukrainer sei der Spracherwerb nur ein erster Schritt für den Weg ins Ausland, so Beate Köhler, die Leiterin des Goethe-Instituts in Kiew: "Solange junge Leute so schwer einen gutbezahlten Job auf dem hiesigen Markt finden, solange wird diese Migration anhalten."

Ukraine = das Mexiko Europas?

Die Ukraine wird wegen der großen Arbeitsmigration schon als das Mexiko Europas bezeichnet, weil sie als "Lieferantin" billiger Arbeitskräfte in die EU-Länder gilt. Jeder fünfte Bürger im arbeitsfähigen Alter arbeitet schon jetzt außerhalb der Heimat, meist im Dienstleistungssektor oder Baugewerbe. Deutschland wird dabei als eines der europäischen Zielländer immer beliebter. Zurzeit arbeiten laut Statistischem Bundesamt rund 137.000 Ukrainer im Land. Wegen der geografischen Nähe und der ähnlichen Sprache wandert die überwiegende Zahl jedoch nach Polen aus. So arbeiteten dort 2016 mehr als eine Millionen Ukrainer.

Brain drain, brain gain

Goethe Institut in Kiew
Botschaft in Kiew. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Während sich Deutschland und Polen über billige Arbeitskräfte freuen, hat die ukrainische Emigration für das Land dramatische Folgen: Nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration wird der Bevölkerung im Land bis zum Jahr 2050 von derzeit gut 45 Millionen  auf rund 33 Millionen Einwohner sinken. Es fehlt jetzt schon an Ärzten, Krankenschwestern, überhaupt an jungen, arbeitsfähigen Ukrainern. Erschwerend kommt hinzu, dass auf politischer Ebene Strategien fehlen, die Rückkehrer zu unterstützen oder überhaupt zu motivieren, wieder in der Ukraine Fuß zu fassen.

Dabei kommt die Situation nicht überraschend: Seit den 1990er-Jahren befindet sich das Land in einem kontinuierlichen Schrumpfungsprozess. Und durch den seit 2014 schwelenden Konflikt im Osten der Ukraine, hat sich die Situation noch einmal verschärft.

Quellen: zois-berlin.de, zn.ua, Statistisches Bundesamt

Autoren: Thomas Fugmann, adg

Über dieses Thema berichtet MDR AKTUELL im TV: MDR | 24.08.2018 | 17:45 Uhr