Abgrenzung von Russland ESC-Finale: Belarus mit Nationalstolz

12. Mai 2017, 09:33 Uhr

Zum ersten Mal in der Geschichte des ESC singt eine Band aus Belarus nicht auf Russisch oder Englisch, sondern in ihrer Nationalsprache – nämlich auf Belarussisch. Damit trifft das Duo "Naviband" den Zeitgeist im Land und hat es sogar ins ESC-Finale geschafft.

"Jetzt ist es wichtig zu sagen, woher du kommst", erklären die belarussischen ESC-Kandidaten "Naviband" im Interview mit dem ukrainischen Fernsehen. Damit sprechen die Musiker Kseniya Zhuk und Artyom Lukyanenko einer ganzen Generation in Belarus aus dem Herzen, die eben nicht mehr mit dem sowjetischen Erbe leben will.

Identitätssuche

"Wer sind wir?", fragt sich das Volk. Die Antwort der offiziellen Propaganda: "Wir sind die jüngere Schwester Russlands."

Als Belarus 1991 unabhängig wurde, entstand eine starke nationale Bewegung. Weißrussisch war die einzige staatliche Sprache. Doch viele Belarussen hingen an ihren sowjetischen Wurzeln. Auf der Suche nach der eigenen Identität gaben viele bei der Wahl 1994 Lukaschenko ihre Stimme. Er versprach das Gestern: ein Leben, wie es die Menschen früher hatten. Die nationale Bewegung wurde seitdem als "oppositionell" unterdrückt. Das änderte sich erst vor drei Jahren. Denn die von Russland drohende Gefahr war für Lukaschenko größer als die nationale Bewegung im eigenen Land.

Angst vor Russland

Die Ereignisse rund um die Annexion der Krim 2014 zeigen ganz klar, dass es keine Garantien mehr dafür gibt, dass eines Tages russische Truppen nicht auch in Belarus einfallen könnten. So wie es damals die russischen Soldaten ohne Hoheitsabzeichen auf der grünen Uniform auf der Krim taten.

Abgrenzung mit Sprache

Aber wie zeigt man, dass man belarussisch ist? Ganz einfach: mit der Muttersprache. Eine Kehrtwende folgte - auf offizieller Ebene und in den Köpfen vieler Belarussen. So hielt Lukaschenko im Sommer 2014 seine Rede anlässlich des Tages der Unabhängigkeit auf Belarussisch. Das hatte er zuvor noch nie gemacht. Belarussisch wurde so zum verbalen Schild gegen Russland. Und mehr noch: In seiner Ansprache warnte er vor den Gefahren aus dem Westen und Osten - vor allem aber davor, dass man sich von Russland abgrenzen müsse.

Belarussische Tradition im Trend

Obwohl die Zahl der Menschen, die belarussisch sprechen, nach wie vor nicht so groß ist, hat sich die Haltung zur Sprache sehr geändert. Während man Belarussisch früher abfällig betrachtete und als Sprache der Kolchosebauern abstempelte, kann man heute für solche Beleidigungen zum Beispiel in den sozialen Netzwerken Ärger bekommen.

Außerdem steht Belarussisch in den Schulen nun öfter im Stundenplan und selbst die traditionellen Wyschiwanka-Hemden liegen wieder im Trend. Die typisch belarussische Kleidung mit den rot-weißen Stickereien sieht man wieder öfter auf den Straßen und in vielen Geschäften. Von Socken bis zu Hüten, die Wyschiwanka-Muster sind gefragt. Dieses neue Selbstbewusstsein prangt auch in Form von Nationalflaggen an vielen belarussischen Autos.

Öffnung nach Westen

Mit dieser Mode und dem neuen Nationalgefühl verknüpft die jüngere Generation die Hoffnung auf Veränderung, Fortschritt und eine Öffnung nach Westen. Offiziell schlägt sich das auch in den Visa-Bestimmungen nieder. Diese wurden Anfang des Jahres etwas gelockert. Bürger aus 80 Ländern, darunter den EU-Staaten und USA, dürfen nun ohne Visum fünf Tage im Land verweilen, vorausgesetzt, sie reisen per Flugzeug über Minsk ein und aus.

Naviband trifft Zeitgeist

Das Land macht gleich mehrere Schritte auf Europa zu und distanziert sich andererseits zunehmend von Russland. Man pflegt zwar die Freundschaft zum großen Nachbarn, möchte dennoch unabhängig sein. Und ein Ausdruck eben dieser Abgrenzung ist nicht zuletzt auch das ESC-Duo Naviband mit ihrem belarussischen Song "Geschichte meines Lebens".

Über dieses Thema berichtete MDR Aktuell auch im: TV | 03.03.2017 | 17:45 Uhr

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