Junge Frau mit Brille
Dr. Alina Poljakowa vom Brookings Institution in Washington D.C. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Fake-News und Desinformation "China wird Russland in Sachen Desinformation ablösen"

14. September 2018, 17:06 Uhr

Desinformation destabilisiert demokratische Gesellschaften, sagt die renommierte US-amerikanische Politikforscherin Alina Polyakova. Ein Gespräch über russische Desinformations-Kampagnen und Gegenmaßnahmen.

Frau Polyakova, Sie forschen zu Desinformation weltweit und beraten den US-Senat. Was sind aus Ihrer Sicht die größten Gefahren, die von Desinformation und Fake-News ausgehen?

Die größte Gefahr ist, dass Desinformation, also die gewollte Verteilung von falschen Informationen, gezielt dazu genutzt wird, demokratische Gesellschaften zu destabilisieren. So etwas machen staatliche Akteure wie Russland, aber auch nichtstaatliche Akteure. Aus meiner Sicht bringen sie damit eine vergiftete Saat aus, aus der Unkontrollierbares wächst. Die Folge ist, dass die Gesellschaft anfängt sich zu fragen, was eigentlich die Wahrheit ist und es schwächt  das Vertrauen zu Regierungen und den Medien.

Wie kann eine demokratische Gesellschaft dagegen vorgehen?

Eine erste Maßnahme betrifft uns persönlich. Wir alle haben die Verantwortung, Informationen noch kritischer zu konsumieren. Klicken Sie nicht alles an und glauben Sie nicht alles, was sie im Internet sehen. Eine weitere Maßnahme betrifft die unabhängigen und pluralistischen Medien und die Zivilgesellschaft, das ist etwas was autoritäre Regime nicht haben. Die versuchen, unabhängige Medien und Zivilgesellschaften zu unterdrücken. Um Desinformation entgegenzuwirken, muss die Öffentlichkeit besser darüber informiert werden, junge Menschen müssen den Umgang mit Medien schon in der Schule lernen. Medien-Bildung und -Aufklärung ist für alle wichtig. Drittens muss auf Regierungseben gehandelt werden. Die Tech-Unternehmen, die Social-Media-Unternehmen wie Facebook, Twitter, Google und YouTube,  werden dafür verwendet, um falsche Informationen zu verbreitet. Deshalb müssen sie von Staaten, die Desinformations- Kampagnen als Gefahr für die Demokratie sehen, reguliert werden.

Sie sagten, Russland sei ein staatlicher Akteur, der Desinformationen verbreitet.  Wie würden Sie Russlands Rolle beschreiben. Ist Russland der größte und wichtigste Akteur auf diesem Feld?

Die russische Regierung war die erste, die Desinformation-Kampagnen in der digitalen Welt nutzte. Aber sie werden nicht die führenden Akteure auf diesem Gebiet bleiben. Diese Rolle wird China übernehmen. China hat Überwachungstechnik für die Gesellschaft entwickelt, viele Daten über die eigene Bevölkerung gesammelt und wird damit zunehmend ein autoritäres Regime werden, das demokratische Gesellschaften unterdrücken wird.

US-Präsident Donald Trump verbreitet nachweislich falsche Informationen. So twitterte Trump am 19 .Juni 2018 über eine falsche Kriminalitätsstatistik in Deutschland. Wie unterscheidet sich das, was Russland in Sachen Desinformation macht?

Für Russland ist Desinformation ein Mittel der Außenpolitik. Die Regierung nutzt aktiv Desinformations-Kampagnen gegen westliche Länder, die Russland als Bedrohung empfindet. Aus russischer Sicht ist Desinformation also ein Mittel der politischen Einflussnahme, mit dem man westliche Gesellschaften destabilisieren kann.

Was wissen wir schon über Russlands Mittel beim Produzieren von Fake-News, wie zum Beispiel Troll-Fabriken, und was bleibt uns noch verborgen?

Dank eines speziellen Untersuchungsausschusses in den USA wissen wir schon viel darüber, wie russische Geheimdienste gearbeitet haben, um Daten durch Cyberattacken zu stehlen und dann diese Daten zu nutzen, um Desinformations-Kampagnen zu starten. Wir wissen viel über die Befehlskette, die von der Russischen Regierung ausgeht und die Geheimdienste nutzt, um bei Rechnernetzen und anderen Onlinediensten falsche Informationen über die bekannten Social-Media-Wege zu verbreiten. Natürlich wissen wir viel über die sogenannten Troll-Fabriken, die die russische Regierung durch Stellvertreter Firmen finanziert hat. Was wir noch nicht wissen, ist wie die Befehlskette aus dem Kreml funktioniert und welche Rolle der russischen Präsidenten Putin dabei spielt. Wie fließen die Informationen in die Troll-Fabriken? Wir haben kaum Informationen aus dem Inneren des geschlossenen Kreml-Kreises und ich glaube auch nicht, dass wir diese Informationen jemals bekommen werden.

Wie stark sind die USA von der Desinformations-Attacke aus Russland seit dem Gipfeltreffen in Helsinki von US-Präsident Trump und dem russischen Präsidenten Putin im Juli 2018?

Das Gipfeltreffen hat wenig Einfluss gehabt auf russische Desinformations-Kampagnen. Diese Kampagnen gab es vor den US-Wahlen und danach, es gab sie in der Ukraine, die sogar das erste Opfer der russischen Desinformations-Kampagnen war. Dann haben sie sich weiter ausgebreitet nach Deutschland, Frankreich und natürlich in die USA. Russische Desinformationen sind aus meiner Sicht ein kleiner Teil eines viel größeren Problems. Wir haben gerade eine Transformation durch die Digitale Revolution erlebt, die unseren Informationskonsum völlig verändert hat. Russland und andere Länder erforschen gerade diese neuen Angriffsflächen. Aber was wir uns wirklich bewusst machen müssen ist, dass wir einfach nicht mehr wissen, was ist real und was Fiktion. Wir verlieren die Fähigkeit zu unterscheiden.

Welche Länder sind besonders von Desinformations-Kampagnen betroffen?

Im Moment haben alle Länder ein Fake-News-Problem. Autoritäre Staaten wie Russland und China haben aus Bevölkerungssicht das größte Problem. Gegen die russische Bevölkerung wird schon lange ein psychologischer Krieg geführt, denn dort hat Russland dieses Mittel der Einflussnahme erstmals getestet. Sprechen wir aber von Desinformation als Mittel der Auslandspolitik, dann betrifft es alle Demokratien. Wenn wir von Zensierung sprechen, Unterdrückung unabhängiger Medien und dem Aufdrücken der Regierungssicht, dann haben natürlich Bevölkerungen autoritärer Länder das größte Problem und wir sollten uns um sie wirklich Sorgen machen.


Die US-Expertin Dr. Alina Polyakova arbeitet am Brookings Institution und ist David M. Rubenstein Fellow im Zentrum für Außenpolitik der Vereinigten Staaten und Europa und außerordentliche Professorin für Europäische Studien an der Paul H. Nitze Schule für fortgeschrittene internationale Studien an der Johns Hopkins University. Sie spezialisiert sich auf europäische Politik, Rechtspopulismus und Nationalismus sowie russische Außenpolitik.


Über dieses Thema berichtete MDR AKTUELL auch im: Radio | 18.07.2018 | 08:30 Uhr

Dr. Alina Polyakova

Dr. Alina Polyakova

Dr. Alina Polyakova arbeitet u.a. am Brookings Institution in Washington D.C. Sie ist Expertin für europäische Politik, Rechtspopulismus und Nationalismus sowie russische Außenpolitik.