Flüchtlingspolitik in Polen 50 Zloty Taschengeld

16. Oktober 2015, 12:44 Uhr

Im Sommer 2015 kamen Hunderttausende Flüchtlinge nach Europa. In der polnischen Asylstatistik machte sich das allerdings kaum bemerkbar. Ganze 6.700 Menschen haben bis Ende August 2015 Schutz bei unserem östlichen Nachbarn begehrt und einen entsprechenden Antrag gestellt – so viele kommen manchmal an einem einzigen Tag nach Deutschland.

Die Hauptschleuse für Asylsuchende ist die Stadt Terespol an der Grenze zu Weißrussland. 90 Prozent der Asylanträge für ganz Polen werden hier gestellt, denn die Herkunft der Antragsteller ändert sich seit der Wende kaum – sie stammen überwiegend aus dem "nahen" Osten, also den ehemaligen Sowjetrepubliken. Tschetschenen mit russischen Pässen führen die Liste seit Jahren unverändert an, gefolgt von Weißrussen, Georgiern und Ukrainern, die einander - je nach politischer Großwetterlage - auf den weiteren Rängen abwechseln. Flüchtlinge aus dem "echten" Nahen Osten - Irak, Afghanistan oder Syrien - gibt es dagegen kaum, einige Dutzend bestenfalls.

Flüchtlingsschwund

Nach der Registrierung an der Grenze haben die Asylsuchenden 48 Stunden Zeit, um sich in einem der landesweit 11 Erstaufnahmelager einzufinden. Allerdings müssen sie sich auf eigene Faust dorthin durchschlagen, organisierte Transportmöglichkeiten werden nicht angeboten. Die Folge: Schon auf dieser Etappe, noch vor der Ankunft im Lager, "verschwindet" ein Drittel der Antragsteller. Ein Teil taucht in Polen ab, viele ziehen aber illegal nach Westen weiter, vor allem nach Deutschland. Manche werden von Verwandten abgeholt, die dort bereits Fuß fassen konnten. Wer keine "Beziehungen" hat, nimmt professionelle Menschenschmuggler in Anspruch, die ihn gegen Bezahlung ins gelobte Land westlich der Oder bringen.

1.400 Zloty pro Monat

Und die, die es doch in ein Erstaufnahmelager schaffen, leben - gemessen an westeuropäischen Standards - alles andere als üppig. In den ersten sechs Monaten dürfen sie nicht arbeiten. Der Staat kümmert sich um die Grundbedürfnisse, zahlt Essen, Unterkunft und Arztbesuche. Dazu gibt es pro Monat 50 Zloty Taschengeld (umgerechnet etwa 12 Euro) und 20 Zloty Zuschlag für Hygieneartikel (knapp 5 Euro). Alles in allem läst sich Polen einen Flüchtling im Schnitt 1.400 Zloty pro Monat kosten – umgerechnet rund 330 Euro. Kein Wunder das der "Flüchtlingsschwund" auch hier weiter geht, schließlich ist ein Aufnahmelager kein Gefängnis.

Konflikte und Gewaltausbrüche

Doch Geld ist nicht alles. Die Flüchtlingslager sind Brutstätten von Depressionen und Unmut. Viele Menschen aus unterschiedlichen Ländern und Kulturen, mit unterschiedlichen Sitten und Religionen wohnen hier auf engem Raum zusammen, meist ohne ansprechende Freizeit- und Integrationsangebote. Das führt zu Konflikten und Gewaltausbrüchen. Landesweit sorgten die Vorgänge in Linin bei Warschau für Aufsehen, wo die tschetschenischen Muslime den "andersgläubigen" Ukrainern ihre Kleidungsvorschriften aufzwingen wollten – kurze Hosen und Miniröcke hatte ihren Unmut erregt.

Warten auf die Ablehnung

Und die Chancen, in Polen bleiben zu dürfen, sind für all diese Menschen sehr gering. Wenn nach mehreren Monaten Wartezeit – vereinzelt sind es sogar einige Jahre – der Bescheid der Ausländerbehörde kommt, ist die Antwort fast immer negativ. Nur 14 Prozent der Asylanträge wurden in den ersten acht Monaten des Jahren 2015 positiv beschieden. Viele Asylverfahren werden aber auch ergebnislos eingestellt, weil der Antragsteller bereits weiter gen Westen gezogen ist. Polen will keine Flüchtlinge, viele Flüchtlinge wollen aber auch Polen nicht.

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