Dan Medownikow
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Interview "Skolkowo ist ein Pilotprojekt"

28. Oktober 2016, 10:28 Uhr

Man solle Innovationsprojekte wie "Skolkowo" etwas loyaler behandeln und ihnen gewissermaßen einen "Freibrief" geben, - mindestens auf Zeit, mein Dan Medownikow, Direktor "Institute of Innovation Management", Moskau.

Sie waren auf der Eröffnung des Forums "Open Innovations". Haben Sie auch miterlebt, als wegen eines Kurzschlusses in der elektrischen Anlage Ministerpräsident Dmitriy Medwedew zusammen mit den anderen Teilnehmern in Sicherheit gebracht wurde?

Ich war selber nicht auf der Plenarsitzung, in der das passiert ist. Ich kann nur sagen, was mir die anderen erzählt haben. Es gab irgendwelche Knalle - anscheinend ist die Sicherung kaputtgegangen. Das ist alles, was ich weiß. Aber alle waren ruhig, nach einer Weile hat das Forum die Arbeit fortgesetzt. Ich kam bald nach dem Ende dieser Sitzung und die Veranstaltungen, an denen ich teilgenommen habe, sind ganz gut gelaufen. […] Alles lief nach Plan. Es war einfach nur ein Problem mit der Technik.

Im Netz gab es vor allem ironische Kommentare. Menschen machen sich lustig darüber, dass so eine Panne ausgerechnet  in einem modernen Innovationszentrum passiert. Über "Skolkowo" wird ja ohnehin viel gewitzelt. Hat dieses Projekt Perspektiven? Kann es wirklich das nächste "Silicon Valley" werden? Oder ist es alles nur für Show?

Dass mal eine Sicherung rausfliegt, das kann passieren. Was das Projekt angeht: Ein "Silicon Valley" gibt es schon. Niemand kann diese einzigartige Geschichte, die spezifisch für eine konkrete Epoche, für ein konkretes Land, war, wiederholen. […] Wir haben eigene Ansätze, eigene Stärken und Schwächen, die berücksichtigt werden müssen. In diesem Sinne ist "Skolkowo" ein Projekt, das, historisch betrachtet, notwendig ist. Es war klar, dass wir so ein Zentrum brauchen, wo Innovationsprozesse gefördert werden, um gewonnene Erfahrungen danach in anderen Regionen anzuwenden. Aber der Aufbau hat sich tatsächlich hinausgezögert. Das Projekt hat sich nicht so dynamisch entwickelt wie geplant. […] Das ist unangenehm aber nicht tödlich. Es gibt den politischen Willen, das Projekt fortzusetzen. […] "Skolkowo" hat übrigens auch in Russland Konkurrenz, und das ist sehr gut. Das kreiert ein kompetitives Umfeld und forciert eine Beschleunigung.

Ist das Projekt lebensfähig oder würde es ohne politischen Willen nicht weiter existieren können?

Alle solche Projekte, vor allem, wenn sie gesamtgesellschaftliche Bedeutung haben, brauchen eine staatliche Unterstützung, eine permanente staatliche Förderung. Und nicht nur für zwei, drei Jahren, sondern für zehn, vielleicht sogar 20 Jahre.

Welche Perspektiven hat das Projekt?

Wenn man genug Geduld und politischen Willen hat, wenn man nicht den KPI (Key Performance Indicator bzw. Leistungskennzahl, Anm.d.Red.) mit der Frequenz vom Wahlzyklus verbindet, also nicht so vorgeht: "Aha, drei bis vier Jahre sind vergangen, es hat nicht funktioniert, lassen wir sie zumachen!", wenn man "Skolkowo" noch mindestens zehn bis zwölf  Jahre gibt, dann hat es eine Perspektive.

Kann das Projekt "Skolkowo" das wirtschaftliche System in Russland innovationsorientierter  machen und das Investitionsklima verbessern?

"Skolkowo" ist ein Pilotprojekt. Es soll als Beispiel für andere Regionen dienen. Im Modernisierungsrat wurde schon die Möglichkeit besprochen, die "Skolkowo"-Konditionen auf andere Orte in Russland auszuweiten. Das sind für Russland einzigartige, sehr gute Konditionen, um ein Innovation-Business anzufangen. Für "Skolkowo" gilt ein spezielles Föderationsgesetz, dass an das Projekt angepasst ist. […] Es muss mehrere solcher Projekte geben. Und wenn es zwischen ihnen Konkurrenz gibt - und die gibt es schon - dann wird uns das dem Ziel näher bringen, die russische Wirtschaft innovationsorientierter zu machen. Aber zwei, drei Projekte werden  Wirtschaft nicht komplett ändern können, vor allem das Investitionsklima nicht. Dafür braucht man auch Fachkräfte und man muss die Ausbildung anpassen.

Wie würden Sie die Entwicklung des Projekts in den vergangenen sechs Jahren beurteilen?

Die Dynamik ist nicht besonders gut. Man hätte schneller bauen müssen und dafür gab es auch alle Möglichkeiten, d.h. die finanziellen und administrativen Ressourcen. Leider hat sich das alles hinausgezogen. Das ist besonders schlecht für solche Vorzeigeprojekte. Solche Projekte muss man schnell und fristgemäß abwickeln, um zu zeigen, dass hier die Staatsorgane alles Mögliche unternehmen, um das gewünschte Ergebnis zu erbringen.

Was können Sie zum Korruptionsskandal sagen?

Leider nicht viel. In juristischen Sachen bin ich nicht kompetent, damit müssen sich die Strafverfolgungsbehörden beschäftigen. Aber unser Strafverfolgungssystem ist, wenn es um staatlicher Gelder im Bereich Innovationen geht, ausgesprochen sensibel. Alle werden verdächtigt, sogar wenn solche Missbräuche nicht stattfinden, sondern es sich um eine Fehlplanung handelt. Ich denke, man sollte Innovationsprojekte etwas loyaler behandeln, ihnen gewissermaßen einen "Freibrief" geben - mindestens auf Zeit. […]

Hat es in "Skolkowo" schon Start-Ups bzw. Erfindungen mit großem Potential gegeben?

Von irgendwelchen großen Erfindungen habe ich noch nicht gehört. Dazu ist das Projekt wohl noch zu jung. Aber in bestimmten Clustern von "Skolkowo" gibt es interessante Residenten mit sehr aussichtsreichen Projekten. Unser Institut verfolgt einige davon. Ein Unternehmen hat beispielsweise ein elektronisches System für den Schutz des geistigen Eigentums entwickelt, und jetzt entwickeln sie eine Drohne für den Schwerlasttransport, also so eine Art fliegendes Motorrad, das auch Menschen transportieren kann. Es gab schon erfolgreiche Tests. Das Unternehmen hat sogar eine Niederlassung im "Silicon Valley".