Marktforscher im Interview "Meine Bilanz ist gemischt"

Interview mit dem Marktforscher Dr. Wolfgang Steinle

24. April 2015, 15:48 Uhr

Der Marktforscher Dr. Wolfgang Steinle befasst sich seit Jahren mit dem Euro. 2001 kam er in einer Studie zum Ergebnis, dass viele Händler schon Monate vor der Euro-Einführung die Preise zahlreicher Produkte erhöht hatten. Zehn Jahre später wertete er erneut Tausende von Preisen aus.

13. Jahre Euro: Wie sieht Ihre Bilanz aus?

Meine Bilanz ist gemischt. Der Euro hat sich einerseits positiv auf die Exportwirtschaft ausgewirkt, andererseits hat er aber ganz klar die Einkommensbasis geschwächt. Dem Bürger hat der Euro langfristig weniger Inflation gebracht, aber auch ein geringeres Einkommenswachstum. 

Dem Empfinden der Menschen, vieles sei mit dem Euro teurer geworden, stehen die Berechnungen des Statistischen Bundesamtes entgegen. Ist das Leben aus Ihrer Sicht seit der Euroeinführung teurer geworden?

Wir haben ja mit einem eigenen Warenkorb die Preisentwicklung verfolgt und sind regelmäßig zu dem Ergebnis gekommen, dass der Verbraucherpreisindex des Statistischen Bundesamtes die reale Teuerung unterzeichnet.

Weshalb ist das so?

Das liegt zum Teil am Warenkorb selbst und zum anderen Teil auch an der Gewichtung der Produkte, die in diesem Warenkorb enthalten sind. Sie gehen ja, wenn sie diesen Preisindex berechnen, von, was weiß ich, 700 oder 800 Produkten aus und sagen dann ‚Im Durchschnitt kauft der Verbraucher so und so viele Kartoffeln im Monat, so und so viel Marmelade usw. Das heißt, die Gewichtung in diesem Index bestimmt letztendlich das Ergebnis, was sie als Teuerungs- oder Inflationsrate erhalten.

Sie kommen zu anderen Ergebnissen als das Statistische Bundesamt. Was haben Sie in Ihrem Warenkorb?

Wir haben in unserem Warenkorb beispielsweise auch die Überziehungszinsen für ihr Girokonto. Wir haben auch im Freizeitbereich wesentlich detailiertere Daten, zum Beispiel den Besuch von Freizeitparks oder Fußballstadien. Das alles ist im Index des Statistischen Bundesamtes nicht enthalten. Wenn Sie sich die Entwicklung der Eintrittspreise in Fußballstadien ansehen, da sehen Sie eine Verdoppellung der Preise, seit es den Euro gibt.

Welche Produkte und Dienstleistungen sind denn in den letzten Jahren teurer geworden?

Insbesondere sind alle Produkte und Dienstleistungen im Freizeitbereich teurer geworden, dazu zählen neben den bereits erwähnten Freizeitparks und Fußballstadien auch Restaurants, Kneipen und Cafés. Und auch die Mieten sind seit der Einführung des Euro deutlich gestiegen.

Zahlen wir für irgendetwas auch weniger als zu D-Mark-Zeiten?

Der ganze Bereich Informations- und Kommunikationstechnik ist billiger geworden. Von den  Fernsprechgebühren bis hin zu den PCs.

Hat die Preisentwicklung nun aber tatsächlich etwas mit den Euro zu tun? Hätten wir die D-Mark behalten, dann wären die Preise für viele Waren und Dienstleistungen in den letzten 13 Jahren mit Sicherheit auch nicht stabil geblieben?

Das ist durchaus richtig. Wir haben ja keinen Vergleich. Wir haben ja keinen Raum, in dem es noch die D-Mark gibt. Das heißt, die Effekte verwischen dann natürlich. Genauso, wie es sich kaum trennen lässt, was ist allgemeine wirtschaftliche Entwicklung und was ist Euro oder Teuro.

Polen will frühestens 2020 dem Euroraum beitreten, Ungarn hat bislang keinen Termin für die Euro-Einführung genannt. Ist das ein Zeichen dafür, dass der Euro an Attraktivität verloren hat?

Das kann ein Zeichen dafür sein, ich würde es aber nicht so interpretieren. Das sind Länder, die sich ein wenig Wechselkursfreiheit sichern und wahrscheinlich auch die Auflagen, die mit der finanziellen Stabilität des Euro verbunden sind, eingehen wollen. Ich denke, viele Länder haben einfach Angst vor den Stabilitätsauflagen, die mit dem Euro verbunden sind. Und in sofern ist es dann auch besser, wenn die noch nicht Mitglied im Euroraum werden.

Ist der Euro aus Ihrer Sicht ein Projekt mit Zukunft?

Ich denke ja. Langfristig bleibt uns gar nichts anderes übrig. Wenn wir jetzt alle wieder in nationale Währungen zurückkehren würden, wäre das ein riesen Chaos.

Ist der Euro stabil?

Da würde ich zwischen Binneneffekt und weltweitem Effekt des Euro unterscheiden. Also danach, welche Effekte der Euro innerhalb der Eurozone hat und welche innerhalb der Weltwirtschaft. Was die Weltwirtschaft angeht, da können Sie nicht von Stabilität reden. Man sieht das in den laufenden Schwankungen im Verhältnis des Euro zum Dollar und auch in den Verlusten gegenüber den Währungen in den asiatischen Wachstumsländern. Nach Innen hat der Euro Stabilität gebracht.