Drohen neue Sanktionen? Kongressliste erschreckt russische Oligarchen

31. Januar 2018, 08:50 Uhr

Das US-Finanzministerium hat eine Liste mit Politikern und Geschäftsleuten vorgelegt, die für ihre Nähe zu Putin bekannt sind und künftig mit neuen US-Sanktionen belegt werden könnten. Die Liste geht auf die Kongress-Forderung zurück, Russland für die mutmaßliche Einmischung in die Präsidentschaftswahlen zu bestrafen. Sie liest sich wie ein Who-is-Who der russischen Macht- und Wirtschaftselite.

114 Politiker und 96 Geschäftsleute mit einem Vermögen von jeweils mehr als einer Milliarde US-Dollar stehen auf der so genannten "Putin-Liste". Darunter befinden sich die Namen aller Minister inklusive des Regierungschefs Dmitri Medwedew, ebenso wie die der reichsten Oligarchen, etwa des FC Chelsea-Besitzers Roman Abramowitsch, des Gazprom-Chefs Alexej Miller und des Chefs des staatlichen Ölkonzerns Rosneft Igor Setschin.

Antwort auf mutmaßliche Wahleinmischung

Angekündigt wurde die Liste bereits vor einem halben Jahr. Damals drohten Hardliner im US-Kongress mit "unangenehmen Konsequenzen". Die Maßnahme sollte eine Antwort auf die mutmaßliche Einmischung Russlands in die US-Präsidentschaftswahlen darstellen und neue Sanktionen nicht nur gegen Betroffene, sondern auch gegen ihre Familienmitglieder und Geschäftspartner ermöglichen. So wurde beispielsweise auch das geplante Großprojekt der neuen Gaspipeline zwischen Russland und Deutschland "North Stream 2" ausdrücklich erwähnt – was den Zorn von Siegmar Gabriel hervorrief, der sich jegliche Einmischung in die inneren Angelegenheiten Deutschlands und der EU verbot.

Ein zahnloser Tiger?

Doch jetzt, da die Liste da ist, scheint sie ihre Brisanz verloren zu haben. Denn das amerikanische Finanzministerium betonte, dass zunächst keine neuen Sanktionen gegen die genannten Politiker und Oligarchen geplant sind. Dennoch fielen die ersten Reaktionen in Russland recht harsch aus. Präsident Wladimir Putin bezeichnete die Liste als "unfreundlichen Akt" bezeichnet. "Dies erschwert die ohnehin komplizierten russisch-amerikanischen Beziehungen zusätzlich, und natürlich schadet die Liste den internationalen Beziehungen als Ganzes", sagte Putin am Dienstag in Moskau.

Who-is-Who der russischen Elite

Vize-Premier Arkadij Dworkowitsch, der ebenfalls auf der Liste steht, reagierte gelassener und nannte die Liste ein "Who-is-Who" der russischen Politik. "Ich, als Mitglied der Regierung, muss einfach in dieser Liste stehen. Die gesamte Regierung ist dort aufgeführt, auch die gesamte Präsidialverwaltung. Es ist also nicht verwunderlich. Das ist einfach eine Liste von Personen, die in der russischen Politik und Wirtschaft führend sind", sagte er. "Wir werden die Situation beobachten und wenn nötig reagieren. Doch noch gibt es keinen Anlass für irgendwelche Maßnahmen", ergänzte er.

Das sieht auch der Vorsitzende des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft, Wolfgang Büchele, so. Die Aufregung um die so genannte Putin-Liste sei nicht gerechtfertigt. Die US-Administration habe klar gemacht, dass die veröffentlichte Liste der 210 Personen unabhängig von möglichen neuen Sanktionen gegen Russland zu betrachten ist. Entsprechend gelassen sollte die russische Seite, aber auch die deutsche Wirtschaft darauf reagieren.

Oligarchen besorgt um Investments und Immobilien

Allerdings reagieren in Russland selbst nicht alle so gelassen. Bereits seit Wochen sollen der "New York Times" zufolge in den USA erhöhte Lobbyaktivitäten russischer Oligarchen aufgefallen sein. Einerseits versuchen diese, in Gesprächen mit amerikanischen Juristen zu verstehen, welche Folgen ihnen drohen, wenn ihre Namen auf dieser Liste stehen. Andererseits suchten sie aktiv Kontakt zu hochrangigen amerikanischen Beamten, um zu verhindern, dass ihr Name auf der Liste erscheint, heißt es.

Denn auch wenn im Augenblick keine Sanktionen geplant sind, so geraten die Gelisteten in den Fokus der US-Behörden: Über welches Vermögen verfügen sie? Woher beziehen sie und ihre Verwandten ihre Einkünfte? Sind sie in Korruption oder Geldwäsche verwickelt? Fragen, die unter Umständen zu unangenehmen Konsequenzen für die russischen Eliten führen könnten, nicht nur von offizieller Seite, sondern auch in geschäftlichen Beziehungen. Denn viele von ihnen verfügen über Investments und Luxusimmobilien im Ausland und schicken ihre Kinder vornehmlich auf renommierte westliche Bildungseinrichtungen.

(kli)

Über dieses Thema berichtete MDR aktuell auch im TV: MDR | 30.12.2016 | 19:30 Uhr