Osteuropas Wirtschaftsforum Krynica-Zdrój - das "Davos des Ostens"

09. September 2016, 11:11 Uhr

Seit 1990 wird im Kurort Krynica-Zdrój ein osteuropäisches Wirtschaftsforum veranstaltet. Als "Davos des Ostens" wird das Forum gepriesen. Gäste sind Staats- und Regierungschefs, Ökonomen, Geschäftsleute und Künstler.

Die Gästeliste des dreitägigen Wirtschaftsforums liest sich wie ein "Who is who" osteuropäischer Politik und Wirtschaft. Staatspräsidenten, Regierungschefs und Minister geben sich die Ehre, außerdem die Chefs der größten polnischen Unternehmen, nebst einer Reihe prominenter Ökonomen und Experten.

In diesem Jahr kamen zum Beispiel die Regierungschefs Polens, Tschechiens, Ungarns, der Slowakei und der Ukraine, außerdem etliche Minister, die Chefs der größten polnischen Firmen und zwei EU-Kommissare. Der Chef der regierenden PiS-Partei, Jaroslaw Kaczynski, diskutierte in einem Podium mit Viktor Orban über Wirtschaftspatriotismus und nationale Identität in der EU. Der Einladung waren auch die Chefs der größten polnischen Unternehmen gefolgt, etwa der Fluggesellschaft LOT, des Energiekonzerns PGE, der polnischen Sparkasse PKO und der Versicherungsgesellschaft PZU.

Viele Prominente kommen seit Jahren regelmäßig, etwa der tschechische Ex-Außenminister und Parlamentsabgeordneter Karel Schwarzenberg. Insgesamt werden rund 3.000 Gäste aus 51 Ländern erwartet.

Der Initiator: Eine schillernde Persönlichkeit mit besten Beziehungen

Das Wirtschaftsforum wurde von Zygmunt Berdychowski ins Leben gerufen, einem Self-made-man, der aus einer kinderreichen Bauernfamilie stammt. In seiner Kindheit litt er bittere Not und musste auf den Feldern seiner Eltern aushelfen - heute duzt er sich mit den mächtigsten Politikern Osteuropas.

Seinen Aufstieg verdankt er eigentlich einem Zufall. In den 80er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts engagierte er sich in der Solidarnosc-Bewegung. Dort lernte er einige Führungspersönlichkeiten kennen. Diese Beziehungen wurden nach dem Ende der sozialistischen Ära zu seinem wichtigsten Kapital, denn viele seiner Solidarnosc-Freunde bekleideten nach 1989 politische Spitzenämter.

Er kam aber auch mit einigen der einstigen ideologischen Gegner aus den Reihen der Arbeiterpartei gut aus. Diese Männer gründeten nach der Wende die polnische Sozialdemokratie. So war es für ihn ein Leichtes, stets die höchste Prominenz für sein Wirtschaftsforum zu gewinnen, egal, wer gerade an der Macht war, da er in beiden Lagern gut vernetzt war.

"Persönlichkeit des Jahres"

Der Titel "Persönlichkeit des Jahres" wird alljährlich auf dem Wirtschaftsforum bei einer großen Gala übergeben. Den Preisträger bestimmt ein etwa 30-köpfiges Gremium, besetzt mit namhaften Vertretern aus Politik und Wirtschaft. Das Besondere daran: Der Preis ging bislang fast immer an Staats- und Regierungschefs. So auch 2016, als der ungarische Premier Viktor Orbán ausgezeichnet wurde.

Zu den bisherigen Preisträgern zählen: Johannes Paul II., Lech Wałęsa, Václav Havel, Aleksander Kwaśniewski, Bronisław Komorowski, Donald Tusk, Jerzy Buzek, Julia Timoschenko, José Manuel Barroso, Robert Fico. Allesamt Persönlichkeiten, die nicht nur die Geschicke Europas lenken, sondern auch in vielen Fällen jetzt schon einen Platz in den Geschichtsbüchern sicher haben. Und mit Ausnahme des Papstes kamen alle persönlich nach Krynica-Zdrój, um sich als Preisträger feiern zu lassen.

Doch diese klare Ausrichtung sorgt auch für Kritik - vor allem seitdem der PiS-Vorsitzende Jaroslaw Kaczynski im September 2015, also noch fast zwei Monate vor der siegreichen Parlamentswahl, zur "Persönlichkeit des Jahres" gekürt wurde. Kritiker werfen den Veranstaltern des Forums Konjunkturalismus vor. Seinem Gründer wird schon seit jeher nachgesagt, dass er sehr schnell erfasst, woher der Wind in der Politik weht, um sich mit den jeweiligen Machthabern schnell zu arrangieren.

Krynica-Zdrój: Die Perle unter Polens Kurbädern

Das Wirtschaftsforum in Krynica-Zdrój wird gern als "Davos des Ostens" gepriesen. Und in der Tat weist der Austragungsort schon rein äußerlich einige Gemeinsamkeiten mit dem schweizerischen Davos auf. Wie Davos liegt Krynica-Zdrój im Gebirge, auch wenn sein westkarpatischer Hausberg mit 1.114 Metern Höhe es nicht wirklich mit den Gipfeln der Alpen aufnehmen kann. Ebenso ist Krynica-Zdrój ein Wintersportzentrum, vor allem aber ein Kurort mit sieben verschiedenen Heilquellen, weshalb viele in Krynica-Zdrój das polnische "Karlsbad" sehen.

Bedeutung erlangte der Ort zu Zeiten der österreichisch-ungarischen Doppelmonarchie, als immer mehr betuchte Beamte dorthin kamen. Zwischen den beiden Weltkriegen folgte eine zweite Blütezeit – damals wurde hier sogar eine Rodel-WM ausgetragen. Die Gästeliste des Kurortes wies schon im 19. und frühen 20. Jahrhundert viele große Namen auf. Zu den Gästen zählten unter anderen der Nationalmaler Jan Matejko, Polens berühmtester Romancier Henryk Sienkiewicz, die Schauspiellegende Helena Modrzejewska, der weltberühmte Tenor Jan Kiepura und der kommunistische Staatschef Władysław Gomułka.