Die MDR AKTUELL App und Co. Das Ende des privaten Autos?

03. September 2018, 16:36 Uhr

Apps erleichtern den Alltag. Heimat vieler App-Entwickler ist die litauische Hauptstadt. Vilnius ist auch das Testlabor für eine App, die möglicherweise eine Verkehrswende bedeuten könnte. "Trafi" gilt als eine der fortschrittlichsten Verkehrs-Apps der Welt und wird bereits von jedem fünften Litauer genutzt. HEUTE IM OSTEN befragte dazu Christof Schminke, Deutschland-Direktor von "Trafi".

Herr Schminke, Sie sind verantwortlich für den deutschen Markt von Trafi, einer App, die in Vilnius den kompletten Verkehr verbindet. Wie funktioniert die App genau?

Christof Schminke: Die Grundlage der App ist eine interaktive Karte mit Echtzeitmessung. Das heißt, ich stehe zum Beispiel am Hotel XY und will zum Flughafen. Von Trafi bekomme ich Vorschläge für Routen und empfohlene Verkehrsmittel, deren Ankunftszeit auf der Karte verfolgt werden kann. So kann ich zum Beispiel mit dem Bus fahren und dann Carsharing nutzen. Da wir alle Mobilitätsdienste einbinden, werden alle Möglichkeiten aufgelistet und sie alle sind direkt buchbar.

Es gibt bereits hunderte Apps für den Verkehr. Warum braucht es noch eine neue und wo ist der Unterschied zur Routenplanung mit Google-Maps?

Das Geheimnis liegt in der smarten Verknüpfung der Verkehrsmittel. Der große Unterschied zu Google und anderen großen Digital-Konzernen ohne Verkehrsexpertise ist, dass ich alles direkt buchen kann, wenn ich einmal Führerschein und Zahlungsmittel bei Trafi hinterlegt habe. Ich muss also nicht jede App wie Uber, MyTaxi, Fahrrad- oder Carsharing-Angebote eines Anbieters einzeln herunterladen. Es kommen tagtäglich neue Angebote dazu und wichtig ist, das ich meinen Führerschein einmal hinterlege und nicht überall einzeln.

GPS-Tracker zeigen den genauen Standort der Verkehrsmittel, damit der Nutzer weiß, wann er da sein muss. Wie garantieren Sie die Genauigkeit der Zeiten?

Bei der Genauigkeit sind wir auf das ÖPNV-Unternehmen angewiesen. In Vilnius ist jeder Bus und Straßenbahn mit einem GPS-Tracker ausgestattet. So weiß ich, wann ich dem Bus entgegenrennen sollte oder welche Alternative ich bei einer Verspätung der Bahn nehmen kann.

Warum wurde Trafi in Litauen gegründet?

Die vier Gründer Martynas Gudonavicius, Jurgis Pasukonis, Algimantas Krasauskas und Mantas Vizbaras kommen aus Vilnius. Einige von ihnen haben am MIT und in Cambridge studiert und bei Google gearbeitet. Trafi hat als Studentenprojekt angefangen. Die Vier haben gesehen, dass in Vilnius der öffentliche Nahverkehr nicht verknüpft war. 2007 gab es noch ausgedruckte Fahrpläne und die Gründer haben sich gesagt, daraus machen wir eine App.  Herausgekommen ist eine sehr gut funktionierende Technologieplattform, die wir nun vielen verschiedene Unternehmen und auch Städten anbieten. Vilnius ist das Vorbild, wo wir zeigen können, wie es funktionieren kann.

Sie sind Deutscher und haben schon mehrere Start-up-Teams geführt, unter anderem in Zürich, New York und Berlin. Vilnius ist bekannt als Start-up-Stadt – was macht die Stadt für Gründer so anziehend?

Land und Stadt sind sehr offen, was neue Technologien angeht. Bei Trafi ist zum Beispiel der Bürgermeister von Vilnius der größte Unterstützer. Er achtet darauf, dass die Anbieter wie der ÖPNV oder Fahrradverleihe sich auch integrieren. Die Stadt ist sehr progressiv, was neue Angebote angeht. Vilnius war meines Wissens nach eine der ersten Städte, die dem privaten Taxiservice Uber eine Lizenz erteilt hat, während andere noch darüber debattiert haben. Außerdem nutzt Vilnius auch die anonymisierten Daten von Trafi, um die Stadtplanung noch besser zu machen: Wo fehlen Busse oder wo braucht es ein weiteres Carsharing-Angebot?

Ein weiterer Aspekt sind die Menschen in Vilnius. Die Mitarbeiter sind brillante Köpfe, die sehr nah an Technologien dran sind, oft international ausgebildet am MIT oder mit Erfahrungen aus dem Silicon Valley. So etwas würden sich viele Firmen in Berlin wünschen.

Warum kommen diese High Potentials zurück nach Vilnius und bleiben nicht im Silicon Valley oder anderen Metropolen?

Zum einen ist es die Heimatverbundenheit, zum anderen aber auch der Wunsch, ihr Land weiterzuentwickeln. Im Baltikum gibt es viele spannende Firmen, die hohe Investments bekommen haben.

Als Internetexperte haben sie für viele verschiedene Konzerne gearbeitet, u.a. für Zalando, Paddle8 und McKinsey. Welche Schwierigkeiten birgt die Entwicklung einer App?

Bevor wir die App veröffentlich haben, wurden hunderte Tests mit Nutzern durchgeführt. Welche Buchungstaste wird besser angenommen, die in blau oder pink? Wo liegen Probleme, wenn ich eine App nutzen will? Es geht darum, ein Problem für den Kunden zu lösen. Das Erlebnis für den Nutzer ist das Nonplusultra und dieses Wissen bringen die litauischen Mitarbeiter aus Silicon Valley mit. In Deutschland sind wir zu verkopft, in den USA macht man da mehr möglich. Ich denke da an Uber oder den Vermittler privater Unterkünfte, Airbnb. Die Apps sind gut designt und in der Funktionalität brillant.

Die Entwicklung von Trafi hat von 2007 bis 2017 gedauert. Sie sagen selbst, weil der technische Anspruch sehr hoch ist. Besteht die App jetzt in der finalen Version?

Vilnius ist ein Vorbild, wie unsere Technologie funktionieren kann. Wir verkaufen die Technologie an große Autokonzerne wie Škoda und auch an Unternehmen wie Google und die Weltbank. Wir können nur dieses Level an Technologie anbieten, weil wir uns immer weiterentwickeln und neue Mobilitätsangebote schnell integrieren müssen. Seit 2013 wurde die App also immer weiterentwickelt, sei es, dass neue Schnittstellen geschaffen wurden oder neue Anforderungen integriert wurden. In Istanbul gehört zum Beispiel der Schiffsverkehr dazu, da mussten wir uns neu anpassen.

Sie sind mit der App bereits in den baltischen Ländern, in Sao Paulo, Istanbul und Indonesien vertreten. Wann kommt Trafi nach Deutschland?

Besonders spannend sind für uns Ballungszentren mit einem hohen Verkehrsaufkommen. Wir haben angefangen, mit unterschiedlichen Städten in Deutschland zu sprechen. Wo wir zuerst starten, kann ich noch nicht sagen, weil das vertraulich ist. Mitteldeutschland ist noch nicht dabei. Durch die App wird es hoffentlich auch möglich sein, die Luftverschmutzung zu reduzieren, denn der eine oder andere überlegt sich dann, ob es nicht günstiger ist, mit Trafi zu planen als ein zweites Auto zu besitzen.

Mit der neuen MDR AKTUELL App kann sich der Nutzer in weniger als einer Minute einen verlässlichen und kompakten Nachrichtenüberblick verschaffen. Was ist der Anspruch an Trafi?

Ich kann mit drei Klicks ein Auto öffnen und losfahren.
Ich komme viel herum und fange in jeder Stadt erneut an zu suchen, wer hier der Anbieter für Carsharing oder Taxis ist. Wenn ich mir mal darüber den Kopf nicht mehr zerbrechen muss, dann haben wir viel erreicht. Wir hoffen, dass durch Trafi mehr private Fahrzeuge überflüssig werden.

Über Christof Schminke Schminke studierte an der HHL Leipzig Graduate School of Management. Er wurde 1978 in Hannover geboren und war Brandmanager bei Kraft Foods und Leiter des Offline Marketing beim globalen Internethändler Zalando. Schminke ist Internetexperte mit dem Fokus Marketing und Mobilität.

Einen kompakten Nachrichtenüberblick gibt es über die neue MDR AKTUELL App:

Über dieses Thema berichtet MDR Aktuell auch im TV: 03.09.2018 | 19:30 Uhr