Reaktionen auf Merkels erneute Kanzlerkandidatur Retterin oder Zerstörerin Europas?

06. Dezember 2016, 12:04 Uhr

In Polen und Tschechien guckt man genau auf die politische Lage in Deutschland. Beide Regierungen sehen vor allem die Flüchtlingspolitik kritisch. Dennoch fallen die Reaktionen auf Merkels Kanzlerkandidatur moderat aus.

Die erneute Kandidatur von Bundeskanzlerin Angela Merkel kam für die tschechische Politik wenig überraschend. Entsprechend nüchtern fallen die Reaktionen auf Merkels Bekanntmachung gestern Abend aus. Staatspräsident Miloš Zeman beschränkt sich auf einen knappen Kommentar und ließ über seinen Sprecher mitteilen: "Das ist einzig und allein Sache von Frau Merkel."

Der Vorsitzende der tschechischen Christdemokraten, Pavel Bělobrádek, lobte Merkel als "eine außergewöhnliche Persönlichkeit". Er habe mit ihrer Kandidatur gerechnet. Anders als die CDU liegt ihre tschechische Schwesterpartei allerdings nicht sonderlich hoch in der Wählergunst. Beim letzten Urnengang konnte sie nur 14 von 200 Mandaten im Parlament erringen.

Der Vorsitzende der konservativen Demokratischen Bürgerpartei (ODS), Petr Fiala, betonte, dass die Personalie Merkel auch für Deutschlands Nachbarländer eine große Bedeutung habe: "Europa steht eine schwierige Zeit bevor und Deutschland wird zweifellos auch weiterhin eine Schlüsselrolle zukommen", sagte er.

Miroslav Kalousek, Chef der konservativen Partei TOP 09, begrüßte auf Twitter ausdrücklich Merkels Kandidatur: "Ich drücke ihr die Daumen. Nicht, dass sie keine Fehler machen würde (die macht jeder), aber sie ist keine Populistin, hat Mut und eine Vision der Welt, in der sie leben will."

Auch der Politologe und Kommentator Jiří Pehe hob Merkels Wertebindung hervor. "Es ist paradox: Deutschland, mit dem Ost-Mädchen Merkel an der Spitze, könnte schon bald zur letzten Bastion liberaler Demokratie im Westen werden", schrieb er auf Twitter.

Der Kommentator der großen Tageszeitung "Lidové Noviny", Zbyněk Petráček, bezeichnet Merkels Kandidatur als alternativlos. "Welche glaubwürdige Alternative gibt es denn anstelle von Angela Merkel?", fragt er rhetorisch und antwortet sich selbst: "De facto keine." Und gerade das sei ein Teil des Erfolgs der Kanzlerin. "Sie hat sich selbst in die Position der unentbehrlichen 'Mutter der Nation' gebracht."

Es gibt aber auch kritische Stimmen, die sich vor allem an Merkels Politik der offenen Grenzen entzünden. "Ich bin kein Fan von ihr. Mit ihrer falschen Migrationspolitik gefährdet sie nicht nur Deutschland, sondern ganz Europa. Ihr Multikulturalismus hat versagt, ich wünsche mir eine andere Vision", schrieb Jan Skopeček, Vorsitzender der ODS in Mittelböhmen. Damit folgt er der Meinung vieler Normalbürger, die für Merkels Flüchtlingspolitik kein Verständnis haben.

Kaum polnische Reaktionen

In Polen wird die Ankündigung der Kanzlerin bislang nur wenig kommentiert. Der staatliche Fernsehsender TVP Info titelte auf seiner Webseite über einer kurzen Nachricht: "Die Entscheidung ist keine Überraschung."

Etwas mehr Raum bekommt Merkels Erklärung auf konservativen Nachrichtenplattformen, von denen sie überwiegend kritisch gesehen wird. So schreibt TV Republika: "Obwohl die Zustimmung für die Kanzlerin aufgrund der Flüchtlingskrise und der Politik  der 'offenen Tür' fallen, strebt Merkel eine vierte Amtszeit an."

Die deutlichsten Worte findet das regierungsnahe Portal Niezależna: "Es ist seit langem schwierig, Angela Merkels Politik in der Flüchtlingskrise zu verstehen. Was aber noch schlimmer ist: Sie will als Bundeskanzlerin weitermachen. Und sie hat bereits angekündigt, dass sie mehr Mittel für die 'Integration von Zuwanderern' ausgeben will."

Auch aus der Politik gibt es nur verhaltene Reaktionen. In Warschau hat sich bislang noch niemand offiziell zu Merkels Entscheidung geäußert. Einzig der EU-Abgeordnete Zdzisław Krasnodębski von der regierenden Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) gab dem Portal wPolitycje.pl ein Interview. Er vergleicht die vermeintliche Alternativlosigkeit von Merkels Kanzlerschaft mit den großen politischen Umbrüchen dieses Jahres: "Wir haben immer gehört, dass nur ein Nein zum Brexit und die Wahl von Hillary Clinton gut für uns sind. Jetzt hören wir, dass nur eine erneute Kanzlerschaft Merkels in unserem Interesse ist. Ich bin davon nicht so überzeugt. Und warum sollen wir nicht eine weitere Überraschung erleben, diesmal von den deutschen Wählern."