Merkels Kaukasus-Reise: Region im Fokus der Weltmächte

24. August 2018, 11:16 Uhr

Derzeit besucht Bundeskanzlerin Merkel die drei Kaukasus-Länder Georgien, Armenien und Aserbaidschan. Die Region ist geostrategisch und wirtschaftlich wichtig und verschiedene Interessen prallen dort aufeinander.

Am Donnerstag besuchte Merkel erst Georgien, am Freitag Armenien und am Samstag wird sie in Aserbaidschan erwartet. Dabei wird sie vor allem für mehr wirtschaftliche Zusammenarbeit der drei Staaten mit der Bundesrepublik und der EU werben. Alle drei sind Teil der "östlichen Partnerschaft" der EU und erhalten Finanzhilfen aus Brüssel. Doch auch andere Akteure haben ein besonderes Interesse an der Region.

Welche Bedeutung hat die Region?

Die Kaukasus-Länder liegen an der Schnittstelle zwischen verschiedenen Einflusssphären. Sowohl die direkten Nachbarn Russland, die Türkei und der Iran verfolgen hier eigene Ziele, als auch die Europäische Union und die USA. So sollen die Vereinigten Staaten offizielle und inoffizielle kleine Militärcamps, so genannte "Lily Pads", in allen drei Ländern betreiben. Diese, teils inoffiziellen, Camps sollen es der US-Armee ermöglichen, besonders schnell Truppen zu bewegen, etwa in den Nahen Osten.

Russland wiederum ist sowohl der größte Waffenlieferant von Aserbaidschan, als auch die Schutzmacht des benachbarten Armenien. Beide Länder streiten seit Jahrzehnten um die Grenzregion Berg Karabach, um die es in den 1980er und 1990er Jahren blutige Auseinandersetzungen gab. Seit 1994 gilt ein Waffenstillstand, beide Länder drohen sich gegenseitig aber immer wieder mit Interventionen.

Georgien wiederum strebt nach Jahrzehnten unter sowjetischer Herrschaft gen Westen und hofft langfristig auf einen Beitritt zur EU und der NATO. Die Statuten des Verteidigungsbündnisses erlauben jedoch keine Aufnahme von Staaten, in denen ein territorialer Konflikt herrscht. Mit Abchasien und Südossetien haben sich Anfang der 1990er Jahre aber zwei völkerrechtlich georgische Provinzen für unabhängig erklärt, was die Zentralregierung in Tblisi nicht anerkennt. Der Versuch Georgiens, Südossetien im August 2008 militärisch zurückzuerobern, endete in einem fünftägigen Krieg mit Russland und einem Rückzug aller georgischen Truppen. Russland, dass sich auch als Schutzmacht der Südosseten sieht, hat dort seitdem dauerhaft Truppen stationiert.

Welche wirtschaftlichen Interessen gibt es?

Auch wirtschaftlich ist die Region von besonderen Interesse. Das liegt insbesondere an den reichen Öl- und Gasvorkommen im Kaspischen Meer. Diese Vorkommen werden auf bis zu 50 Milliarden Fass Rohöl geschätzt, die Erdgasreserven auf 8,2 Billionen Kubikmeter. Der autoritär regierte Anrainerstaat Aserbaidschan profitiert wirtschaftlich besonders von diesen Vorkommen und versucht, sowohl zu Russland als auch den USA und der EU gute Handelsbeziehungen zu unterhalten. Die EU ist auch der größte Importeur von Erdgas aus dem Land.

So führen auch wichtige Gas- und Öl-Pipelines durch Aserbaidschan und Georgien und weiter in die Türkei, die auch die Versorgung Europas sicherstellen. Im Kaukasuskrieg 2008 waren diese Ziel russischer Luftangriffe, wodurch sie besonders in den Fokus der internationalen Sicherheitspolitik geraten sind. Unter dem Namen "Turk-Stream" plant Russland eine weitere Gaspipeline durch das Schwarze Meer direkt in die Türkei und damit die Kaukasus-Region umgeht. Auch diese soll Europa mit russischem Gas versorgen, parallel zur geplanten Pipeline "Nord Stream 2" durch die Ostsee.

Das Gas will Russland auch im Kaspischen Meer fördern. Darum hat es sich Anfang August nach 27 Jahren Verhandlungen mit den Anrainerstaaten Aserbaischan, Kasachstan, Turkmenistan und Iran auf eine Neuordnung des Status des Binnenmeeres geeinigt. Der Vertrag regelt zum einen die Erschließung der Rohstoffvorkommen im Kaspischen Meer zwischen den Anrainern. Außerdem dürfen dem Vertrag zufolge in Zukunft ausschließlich die fünf Staaten das Binnenmeer militärisch nutzen. Der Marine anderer Staaten ist die Nutzung untersagt, was vor allem eine US-Präsenz in der Region verhindern soll.

Was erhofft sich Deutschland von der Reise?

Genau wie alle anderen Akteure hat auch Deutschland insbesondere ein Interesse an den Rohstoffen in der Region. Im März dieses Jahres verkündete die Bundesregierung, mit einer sogenannten Bundesgarantie über 1,2 Milliarden Euro für einen Kredit des aserbaidschanischen Staatsunternehmen CJSC bürgen zu wollen. Das Unternehmen erschließt die Erdgas- und Ölvorkommen im Kaspischen Meer. "Durch diese Gaslieferungen soll ein wesentlicher Beitrag zur Sicherstellung der Gasversorgung Europas und Deutschlands geleistet werden" hieß es zur Begründung von Finanzminister Jens Spahn. Der deutsche Energiekonzern "Eon" hatte sich bereits vor Jahren umfangreiche Gaslieferungen aus Aserbaidschan gesichert.

Die wirtschaftlichen Interessen werden aber von der politischen Lage überschattet. Das zeigte sich diese Woche auch an einer Personalie. Weil er zwei Mal die umstrittene Region Berg Karabach besucht hatte, wurde dem Thüringer Bundestagsabgeordneten Albert Weiler (CDU) die Einreise nach Aserbaidschan als Teil der Merkel-Delegation verweigert. "Ich hätte nicht gedacht, dass man so weit geht, wenn ich mit der Kanzlerin reise", sagte Weiler dem MDR-Portal "Heute im Osten". Weiler, der Vizevorsitzender der Südkaukasischen Parlamentariergruppe und Vorsitzender des deutsch-armenischen Forums ist, wird daher nur Georgien und Armenien besuchen. Die Bundeskanzlerin habe eine Absage des Besuchs in Baku erwägt, er habe ihr aber davon abgeraten, sagte Weiler: "Wir müssen weiter Gespräche führen. Auch um Berg Karabach, um den Konflikt zu entschärfen. Da muss ich als einzelner Politiker ertragen, dass da so eine Reaktion kommt."

Im Nachbarland Georgien werde es bei Merkels Besuch auch um eine engere politische Zusammenarbeit gehen. Georgien ist ebenso wie Armenien und Aserbaidschan Teil der östlichen Partnerschaft der EU, zu der auch die Ukraine zählt. Den Ambitionen des Landes, Mitglied der EU zu werden, erteilte der Bundestagsabgeordnete Weiler aber eine klare Absage: "Europa hat derzeit Außengrenzen, die wir nicht erweitern wollen. Das heißt aber nicht, dass man nicht zusammenarbeitet", sagte er im Gespräch mit "Heute im Osten" und ergänzte: "Dass Georgien Teil Europas wird, ist noch in weiter Ferne oder vielleicht auch gar nicht möglich."

Grund dafür seien unter anderem Probleme bei der Kriminalitätsbekämpfung, weswegen er auch die Visaerleichterungen für georgische Staatsbürger kritisiert. Unionspolitiker bemängeln immer wieder, dass so genannte georgische Diebesbanden durch die visafreie Einreise in die EU auch in Deutschland ihr Unwesen treiben würden. Für Weiler sprechen aber vor allem geopolitische Erwägungen gegen eine Beitrittsperspektive für das Land: "Dass Georgien in die EU eintritt, wäre natürlich auch ein Affront gegenüber Russland, weil die EU dann noch näher an Russland heranrückt. Das kann man sich zurzeit nicht leisten und sollte man sich auch nicht leisten."

(ahe/adg/mem/afp)

Über dieses Thema berichtet MDR AKTUELL auch im: TV | 24.08.2018 | 17:45 Uhr