Polen Polens Bürger sollen über neue Verfassung abstimmen

04. Mai 2018, 10:46 Uhr

1791 wurde die erste Verfassung Polens verabschiedet, die aktuelle Version stammt von 1997. Nun soll die Verfassung reformiert werden, das Volk mitentscheiden. Am 3. Mai gab Staatspräsident Duda den Termin für die Volksbefragung bekannt. Die Bürger sollen sich am 10. und 11. November äußern dürfen.

Dass eine Verfassungsreform nötig ist, darüber herrscht in der regierenden PiS-Partei seit Längerem Einigkeit. Die aktuelle Verfassung von 1997 ist in den Augen der PiS-Politiker ein fauler Kompromiss mit den einst regierenden Kommunisten gewesen, die in den ersten Jahren nach der Wende deutlich stärker waren als heute. Bereits 2016 brachte PiS-Vorsitzender Jaroslaw Kaczynski eine neue Verfassung ins Gespräch. Auch wenn seine Partei derzeit keine verfassungsändernde Mehrheit hat, hoffen die Nationalkonservativen, eine solche Mehrheit bei den kommenden Wahlen Ende 2019 zu erobern.

Duda will Volksabstimmung

Soweit herrscht Einigkeit im PiS-Lager. Doch bei der Umsetzung des Ziels zeichnen sich immer größere Differenzen zwischen Staatspräsident Duda und der PiS-Partei, aus der er hervorgegangen ist, ab. Denn Duda will zur Vorbereitung des neuen Grundgesetzes ein Referendum organisieren lassen. Dabei sollen die Bürger nicht über eine fertige, vom Parlament beschlossene Verfassung abstimmen, sondern bereits bei den Vorüberlegungen einbezogen werden. Durch eine Art Fragenkatalog sollen zu Wort kommen. Die Ergebnisse sollen laut Pawel Mucha, dem Bevollmächtigten des Präsidenten, später in die neue Verfassung einfließen. Schon vor einem Jahr deutete Duda diesen Weg an: „ Ich möchte, dass die Polen sagen, welche Verfassung sie wollen, welche Ausrichtung sie haben soll".  Nun wird das Bild konkreter. Zehn Fragen sollen es sein, so viel drang aus dem Präsidentenpalast schon nach außen. Außerdem spekulieren polnische Medien über den potentiellen Inhalt dieser zehn Fragen, die derzeit noch nicht bekannt sind. Klar ist inzwischen jedoch der Termin der Volksbefragung. Die polnischen Bürger sollen sich 10. und 11. November 2018 zum Thema äußern dürfen, gab Staatspräsident Duda am 3. Mai 2018 bekannt.

Gegenwind aus der eigenen Partei

Allerdings stößt der Vorstoß des Präsidenten auf wenig Gegenliebe in der PiS-Partei. "Der Präsident sollte seinen Vorschlag zurückziehen", forderte Jacek Sasin, Staatssekretär in der Kanzlei des Ministerpräsidenten Mateusz Morawiecki. Seiner Meinung nach ist es noch zu früh für eine Volksabstimmung: "Sinnvoll ist ein Referendum erst, wenn wir den Bürgern bestimmte fertige Vorschläge unterbreiten können."

Gleichzeitig beschwichtigte Sasin jedoch und sagte, er begrüße, dass breit angelegte Beratungen angestrebt würden und der Präsident damit begonnen habe. Nach außen bemüht sich die PiS, Einigkeit und Stärke zu demonstrieren, doch hinter den Kulissen soll es brodeln. Denn Duda ist schon zu oft der PiS in den Rücken gefallen und hat ihre Projekte torpediert, ist eine weit verbreitete Meinung in den Reihen der Partei. Das bekannteste Beispiel dürfte sein Veto gegen die umstrittene Justizreform sein, mit dem der als Kaczynskis Marionette lange verschrieene Präsident politische Eigenständigkeit bewies und selbst bei den Anhängern der Opposition punkten konnte.

Von der Marionette zum Puppenspieler

Jahrelang hatte Andrzej Duda in der PiS Karriere gemacht, zeigte sich parteikonform. Von 2008 bis 2010 war er Berater des verstorbenen Ex-Präsidenten Lech Kaczynski. Sein Bruder, der PiS-Vorsitzende Jaroslaw Kaczynski war es schließlich, der den eher unbekannten Duda 2014 für die Präsidentschaftswahlen vorschlug. Duda tat zunächst, was von ihm erwartet wurde, und trug alle Projekte der PiS-Partei mit. 2017 kam es zum ersten großen Bruch beim Streit um die Justizreform. Der studierte Verwaltungsjurist Duda bezeichnete sie als in Teilen verfassungswidrig und verweigerte zunächst seine Unterschrift. Mit der Blockade brachte er die Partei gegen sich auf. Der Schritt brachte ihm dafür im In- und Ausland Anerkennung ein.

Mit dem Verfassungsreferendum versucht sich Duda weiter als unabhängiger, eigenständiger Politiker zu profilieren, ist eine weit verbreitete Ansicht. Doch die PiS-Partei und deren Vorsitzender Kaczynski wollen die Macht nicht gerne teilen.

Wegen dieser – nach außen mal besser, mal schlechter kaschierter Differenzen – scheint sich die PiS-Partei auch von ihrer anfänglichen Idee zu verabschieden, in der neuen Verfassung die Macht des Präsidenten zu stärken. Diese Idee stammte noch aus der Zeit, als der verstorbene Lech Kaczynski im Präsidentenpalast amtierte und sein Bruder hoffte, ihn zu beerben. Durch Dudas Souveränitäts-Anspruch scheinen diese Pläne an Aktualität verloren zu haben.

Polnische Verfassung die erste moderne Verfassung Europas

Der Tag der Verfassung ist ein besonderer für die Polen. Zum Nationalfeiertag wird erwartet, dass Präsident Duda einen Vorschlag unterbreitet, wann das Referendum stattfindet soll. Ursprünglich sollte es am 11. November 2018 abgehalten werden, dem  100. Jahrestag der Unabhängigkeit Polens. Das kritisierte jedoch Jaroslaw Kaczynski und mahnte, dass an so einem wichtigen Tag nur der Stolz auf das Vaterland im Vordergrund stehen sollte und nicht die Änderung der Verfassung.

Am 3. Mai 1791 wurde im Warschauer Königsschloss vom Sejm die erste Verfassung von Polen verabschiedet. Historiker sprechen von der ersten modernen Verfassung in Europa. Der Tag ist in Polen ein gesetzlicher Feiertag.

Über dieses Thema berichtete der MDR im TV in "MDR aktuell" 20.12.2017 | 21:30 Uhr