Interview "Mit Russland gibt es nichts zu besprechen"

19. Oktober 2016, 13:01 Uhr

Russlands Präsident Wladimir Putin kommt nach Berlin. Erstmals seit Beginn der Ukraine-Krise wird er an diesem Mittwoch mit Bundeskanzlerin Angela Merkel zusammentreffen. Putin werde gemeinsam mit den Staatschefs der Ukraine und Frankreichs an einem Gipfeltreffen zum Friedensprozess in der Ostukraine teilnehmen, kündigte Regierungssprecher Steffen Seibert an.

Ein Gespräch mit Denis Trubetskoy, ukrainisch-russischer Journalist, über ukrainische Erwartungen an das Treffen in Deutschland.

Welche Erwartungen knüpft die ukrainische Regierung an das Treffen? 

Denis Trubetskoy
Denis Trubetskoy Bildrechte: Denis Trubetskoy

Deutschland und Frankreich setzen die Ukraine langsam aber sicher unter Druck. Sie fordern, dass der politische Teil des Minsker Abkommens umgesetzt wird. Das betrifft ganz konkret zwei Punkte: Die Austragung der Lokalwahlen im besetzten Gebiet und die Erteilung des Sonderstatus für den Donbass. Beide Maßnahmen sind in der ukrainischen Bevölkerung sowie auch im ukrainischen Parlament mehrheitlich ungeliebt. Außerdem machte Präsident Poroschenko in der letzten Woche deutlich, dass die Ukraine nicht plant, den politischen Teil des Abkommens vor dem Sicherheitsteil zu erfüllen. Das heißt: Die Ukraine will die Kontrolle an der Grenze zu Russland zurückgewinnen. Deswegen sind die Hoffnungen Kiews vor dem Berliner Treffen nicht wirklich hoch - und der Grund dafür ist nicht nur die Haltung Russlands, sondern auch ein gewisser Druck aus dem Westen, der zuletzt deutlich zu spüren ist. 

Die Politik verspricht sich also nicht viel. Welche Stimmung herrscht in der Bevölkerung und den Medien?

Die Skepsis vor dem Berlin-Gipfel ist groß. Mehr und mehr setzt sich in der Ukraine der Eindruck durch, dass es mit Russland nichts zu besprechen gäbe - und dass Putin eigentlich nur die harte Sprache des Westens versteht. Deswegen seien auch die Verhandlungen, die mit Russland geführt werden, so gut wie sinnlos. Außerdem wird auch der Druck aus dem Westen sehr kritisch wahrgenommen, vor allem der französische Präsident Hollande und der deutsche Außenminister Steinmeier standen zuletzt unter harter Kritik der ukrainischen Medien wegen ihrer Forderungen, die Wahlen im Donbass doch schnellstmöglich auszutragen. Alles in allem erwartet keiner, dass das Treffen in Berlin die tatsächliche Lage im Donbass voranbringt – auch der ukrainische Präsident Petro Poroschenko nicht.

Trotz aller Skepsis - gibt es Hoffnungen auf Frieden in der Ostukraine?

Leider ist das nicht wirklich der Fall. In diplomatischen Kreisen Kiews gab es zuletzt zwar leise Hoffnung, dass das so genannte "Entflechtungsabkommen", das seit Ende September in ausgewählten Zonen der Demarkationslinie die beiden Konfliktparteien auf Abstand halten sollte, tatsächlich funktioniert. Es war im Prinzip so gut wie das erste Abkommen in der Geschichte des Donbass-Krieges überhaupt, das vorschrieb wie die Vereinbarungen im Detail umzusetzen seien. Doch es läuft einfach nicht wie gewünscht, und gerade das letzte Wochenende war im Donbass wieder sehr unruhig. Deswegen hält sich der Optimismus sehr stark in Grenzen, um es vorsichtig zu formulieren.

Welche Rolle spielt Deutschland für die Ukraine, den Konflikt in der Ostukraine zu lösen?

Die Konstellation des sogenannten "Normandie-Format" wurde in Kiew von Anfang an für ungünstig gehalten. Viel lieber wäre es der Ukraine, wenn Großbritannien und die USA an den direkten Verhandlungen rund um den Donbass teilgenommen hätten. Doch Kiew muss mit dem "Normandie-Format" leben, auch wenn viele in der ukrainischen Regierung diese Verhandlungsform als längst gescheitert erachten. Trotzdem wird Deutschlands Rolle bei den Verhandlungen mit großem Respekt wahrgenommen, obwohl viele diplomatische Vorschläge aus Berlin harsch kritisiert werden. Deutschland wird für die Kiewer Regierung wohl nie der beste Freund sein, weil Berlin die Lage im Donbass doch eher aus der realpolitischer Perspektive sieht. Die Ukraine nimmt jedoch bewusst zur Kenntnis, dass die Situation im Donbass ohne den deutschen Einsatz anders aussehen würde und wird auf Deutschlands Vermittlung wohl nie verzichten können.

Denis Trubetskoy stammt aus Sewastopol auf der Krim. Er arbeitet als freier Journalist für verschiedene ukrainische und deutschsprachige Medien, darunter den MDR, die FAZ und Spiegel Online.