Staatskrise Russlands Interessen in Venezuela

01. Februar 2019, 17:52 Uhr

Während sich die westliche Welt und fast alle Nachbarstaaten vom umstrittenen Herrscher in Caracas abwenden, bleibt der Kreml, neben China, der letzte wichtige Verbündete von Nicolás Maduro. Meldungen über ein russisches Passagierflugzeug in Caracas und um Gold befeuern die Diskussion, welche Rolle Russland in Venezuela eigentlich spielt.

Ein mysteriöses russisches Flugzeug

Seit eine russische Boeing in Caracas gelandet ist, rätseln Beobachter über deren Ladung und das Ausmaß der Hilfe aus Moskau für den wankenden Herrscher Venezuelas. Laut Journalisten der Agentur Bloomberg und der Moskauer Nowaja Gazeta, hilft Russland dem Diktator offenbar, 20 Tonnen Gold aus seinen Reserven an Käufer in die Vereinigten Arabischen Emirate zu bringen, und Maduro so dringend benötiges Bargeld zu verschaffen. Zudem halten sich seit Tagen Gerüchte, es seien mehrere hundert Mann einer russischen  Privatarmee im Land, um den Präsidenten zu beschützen. Der Kreml streitet ab - und Maduro äußert sich dazu nicht.

Russlands Diplomatie läuft heiß

Derweil verurteilt das offizielle Moskau Amerikas Druck auf Maduro als zynisch und schamlos. "Amerika verletzt alle denkbaren Normen des Völkerrechts in Venezuela", polterte etwa Russlands Außenminister Sergej Lawrow bei einer Pressekonferenz diese Woche.

Während sich die westliche Welt und fast alle Nachbarstaaten vom umstrittenen Herrscher in Caracas abwenden, bleibt der Kreml, neben China, der letzte wichtige Verbündete von Maduro. Seit sich der Parlamentssprecher Juan Guaido zum Interimspräsidenten ernannt hat und Unterstützung aus dem Westen bekam, läuft Russlands Diplomatie heiß. In einem Telefonat versicherte Wladimir Putin gegenüber Maduro, Moskau unterstütze die "legalen Machthaber" und bezeichnete die Krise im Land als "von außen provoziert". Auch die staatlichen Medien haben ihren Fokus auf Venezuela gerichtet. Die humanitäre Krise im Land bleibt dabei bestenfalls ein Nebenaspekt. Im Fokus dagegen: Maduro, der sich gegen amerikanische Erfüllungsgehilfen wehrt und auf Hilfe aus Russland hofft.

Kräftemessen mit den USA

Es ist eine Rolle, in der sich Russlands Führung zuletzt immer wohler gefühlt hat. "Für Russland ist es wichtig, sich in der Rolle einer Supermacht zu sehen, die sich weltweit den USA entgegenstellt, und sei es in der westlichen Hemisphäre", kommentiert die Moskauer Zeitung Vedomosti. Maduro, wie schon sein Vorgänger Hugo Chavez waren für den Kreml mit ihrem zur Schau getragenen Antiamerikanismus in dieser Hinsicht ein Glücksfall. Fast 17 Milliarden Dollar hat Russland nach Berechnungen der Zeitung RBK über Jahre an Venezuela überwiesen. Mal als Kredit oder als Vorauszahlung für Öllieferungen in der Zukunft.

Milliardenhilfen und Waffen aus Moskau

Mit diesen Mitteln hat sich Russland einen Verbündeten erkauft, der den USA ein Dorn im Auge ist. Und für Moskaus Militär eine Bühne zur Machtdemonstration bietet. Caracas orderte Sturmgewehre, Raketen, Kampfflieger und Panzer aus Moskau. Und erst im Dezember landeten in Venezuela zwei russische "Tu-160"-Bomber, die auch Raketen mit Nuklearsprengköpfen an Bord nehmen können. Dafür gab es heftige Kritik aus Washington. Zudem hat sich Russlands Ölkonzern Rosneft Minderheitsanteile an fünf Ölvorkommen in Venezuela gesichert. Sollte Maduro stürzen, so sind sich die meisten Beobachter in Russland einig, könnten diese Beteiligungen sowie die alten Milliardenkredite verloren gehen. Moskaus rauer Ton soll deshalb keinen Zweifel daran lassen, dass der Kreml nach wie vor hinter Maduro steht. Zwar hat sich Russland als Vermittler zwischen Regierung und Opposition angeboten, gleichzeitig lassen Staatsmedien und Offizielle keine Gelegenheit aus, Maduros Gegner als US-Marionetten zu bezeichnen.

Kritik an Finanzhilfen fürs Ausland

Oppositionelle in Russland wie Alexej Nawalny oder der in liberalen Kreisen bekannte Regionalpolitiker Lew Schlossberg kritisieren, dass die bisherigen  Milliarden an Venezuela verschwendetes Geld waren und besser in Schulen und Krankenhäuser investiert worden wären. Mit dieser Kritik treffen sie den Nerv vieler Russen, die ihrem Ärger über Finanzhilfen für fremde Länder meist in sozialen Netzwerken Luft machen. Gerade einmal vier Prozent der Russen bezeichneten im vergangenen Jahr in einer Umfrage des staatlichen WZIOM-Instituts Venezuela als engen Verbündeten. Selbst Russlands Finanzministerium äußerte jüngst öffentlich Zweifel daran, ob Venezuela die nächste Tilgungstranche von 100 Millionen Euro, fällig kommenden März, rechtzeitig überweisen kann.

Mancher Wirtschaftsexperte bezweifelt, ob Russland überhaupt an einer Krisenlösung arbeiten sollte. "So zynisch es klingt, aber für Russland ist die Instabilität Venezuelas gekoppelt mit der sinkenden Ölförderung ein Vorteil", meint etwa Igor Juschkow, Analyst der Moskauer Stiftung für Energiesicherheit. Venezuelas Ölförderung hat sich seit 2015 von 2,7 auf 1,3 Millionen Barrel pro Tag halbiert. Ohne diesen Einbruch müssten Russland und andere Ölexporteure ihre Förderung stärker drosseln, um die Weltmarktpreise hoch zu halten. Durch den gestiegenen Ölpreis verdiene Russland mehr Geld, als es im Falle von Maduros Sturz durch ungetilgte Kredite verlieren würde, meint Experte Juschkow. "Russland hat Venezuela genug geholfen, vielleicht ist es jetzt Zeit, an den eigenen Vorteil zu denken".

Über dieses Thema berichtetet der MDR auch im TV: MDR Aktuell am 30.01.2019 um 19:30