"Russland lieben lernen:" Bericht eines Russland-Kenners

10. September 2018, 12:11 Uhr

Die Begegnung mit Wladimir Putin öffnete Hans-Joachim Frey beruflich viele Türen. Mittlerweile kennt er Russland wie nur wenige. Im Juni erschien sein Buch "Russland lieben lernen – Einblicke in eine Kulturnation". Wie sich sein Blick auf das Land veränderte, berichtet er in diesem Interview.

Herr Frey, ihren Weg in Russland haben sie in in ihrem Buch "Russland lieben lernen" beschrieben. Ist es aus ihrer Sicht schwer Russland zu lieben?

Nein, aber ich glaube es gab viele Missverständnisse, wenn man sich näher mit der Historie beschäftigt. Und auch in der Neuzeit, man muss sich nur die Medien der letzten Jahre ansehen! Daher glaube ich, dass es Zeit ist, sich mit dem Verhältnis zu Russland zu beschäftigen. Ich glaube aber auch, dass viele schon während der WM Russland neu für sich entdeckt haben.

Gab es bei ihrem Werdegang in Russland Schwierigkeiten, die sie überwinden mussten?

In meiner Zeit dort war es etwas ganz besonderes, das Land kennenzulernen: Die Wärme der Menschen und das Vertrauen, das einem entgegen gebracht wird, das gemeinsame Trinken.  Aber natürlich gibt es auch immer mal Schwierigkeiten, beispielsweise Intrigen. Aber das ist nicht anders als in Deutschland. Von vielen als anfänglich schwer wahrgenommen wird die Russische Wertegemeinschaft, die große Rolle der russisch orthodoxen Kirche oder die Familie. Und natürlich spielt auch Sicherheit eine größere Rolle, daran muss man sich erst gewöhnen.

Sie sprachen zu Beginn von Missverständnissen in der Interpretation Russlands. Welche meinen Sie genau?

Wenn der russische Präsident Putin sich zum Beispiel mit nacktem Oberkörper auf einem Pferd ablichten lässt, dann denken die Russen: Toll, unser Präsident erfreut sich bester Gesundheit. Im Westen wird so ein Bild eher als angeberisch wahrgenommen. Aus meiner Sicht ist das aber eine kulturelle Fehldeutung.

Wie fand die, laut ihren Worten "schicksalhaften Begegnung mit Putin" 2009 statt, die ihnen neue Horizonte eröffnete?

Ich hatte vorher keine Verbindung zu Russland, auch wenn mein familiärer Hintergrund im Osten zu finden ist. Aber 2009 kam Putin zum SemperOpernball, weil ihm der St. Georg-Orden verliehen wurde. Ich kannte Leute aus seinem Freundeskreis und daher hatte Putin mich in sein Hotel gebeten. Bei diesem Treffen lud er mich dann nach Russland ein.

Lassen sie uns bei dem Bild der Liebe bleiben. Wie wichtig ist die Liebe Putins für Erfolg in Russland?

Es gibt viele, die ihn nicht kennen und auch erfolgreich sind. Aber die ersten 10.000 kennt Putin alle. Natürlich spielt auch hier Loyalität eine große Rolle, wenn man eine gewisse Ebene erreicht hat.

Können Sie verstehen, dass viele Ihr enges Verhältnis zu Putin kritisch sehen? Und wie oft sehen Sie Putin?

Ich bin mir sicher, er sieht Angela Merkel und Gerhard Schröder häufiger als mich. Ich bin stolz auf die Begegnung mit ihm und ich denke, hinter Kritik steckt viel Neid. Andere haben gute Kontakte zu bayerischen oder sonstigen Politikern und ich nun einmal zu Putin. Unsere Treffen sind immer ein sehr sachliches, konzentrierten Arbeiten.

Sie sind Kulturmanager in Sachsen. Hat Kultur einen anderen Stellenwert in Russland?

In Sachsen hat Kultur schon einen großen Stellenwert. Aber in Russland gehört Kultur ganz ursprünglich dazu, zum Beispiel das Ballett. Schon in der Schule geht jedes Kind regelmäßig in die Oper oder ins Ballett, das ist bei uns nicht der Fall.

Zu Kultur-Förderung in Russland gehört auch das "Sirius Kultur-Zentrum" in Sotchi, das Sie leiten. Was ist dieses Zentrum und wie kamen sie zu dieser Stelle?

Das "Sirius Kultur-Zentrum" ist eine Bildungs-Stiftung in der die talentiertesten russischen Kinder vier Wochen lang intensiv ausgebildet werden. Die Disziplinen sind unter anderem Schach, Sport, Ballett aber auch Physik.  Es ist ein komplett neues Kulturzentrum, das viele olympische Gebäude übernommen hat. Zu der Stelle als künstlerischer Leiter des neuen Kulturzentrums kam ich durch Putin. 2014 macht er mich zum Berater des Bolschoi-Theaters, 2016 hat er mich dann gefragt, ob ich das Zentrum leiten will.

Fühlen die Russen sich von den Deutschen geliebt oder stark kritisiert?

Von den Deutschen fühlen sie sich oft kritisiert. Das kommt nicht gut an. Schließlich möchte niemand, dass man ihm sagt, was man machen soll.  

Lassen Sie uns den Blick umkehren. Ist es aus Ihrer Sicht schwer für die Russen, Deutschland zu lieben?

Ja, man hat eine ambivalente  Beziehung. Auf der einen Seite hat der Russe viel Respekt für Deutschland, sieht darin ein Vorbild für sehr genaues Arbeiten und saubere Straßen. Aber auf der anderen Seite wird dieses Strikte auch oft nicht gemocht.

Lieben Sie Russland mittlerweile mehr als Deutschland?

Nein, am meisten liebe ich Österreich, weil ich seit sechs Jahren dort lebe. Aber Deutschland bleibt immer meine Heimat, und Russland schätze ich sehr.


Hans-Joachim Frey ist ein deutscher Kulturmanager und Regisseur, der neben seiner Tätigkeit als Künstlerischer Direktor der Stiftung "Sirius – Talent und Erfolg" und des "Sirius Kultur-Zentrums" in Sotchi unter anderem Gründer, 1. Vorsitzender und Künstlerischer Gesamtleiter des SemperOpernballs in Dresden ist. 2009 lud Frey Wladimir Putin zum SemperOpernball nach Dresden ein. Heute wird er oft dafür kritisiert. Im Juni erschien sein Buch "Russland lieben lernen – Einblicke in eine Kulturnation"


Über dieses Thema berichtete der MDR Sachsenspiegel auch im: TV | 03.07.2018 | 19:00 Uhr

Hans-Joachim Frey

Hans-Joachim Frey

Der deutsche Kulturmanager und Regisseur ist u.a. 1. Vorsitzender und Künstlerischer Gesamtleiter des Semper-Opernballs in Dresden ist. 2009 lud er Wladimir Putin zum Ball zum Opernball nach Dresden ein.