Tschernobyl Ein Stahlmantel für die Atomruine

29. November 2016, 15:43 Uhr

Mehr als 30 Jahre nach der verheerenden Explosion im ukrainischen Atomkraftwerk Tschernobyl ist am Dienstag eine neue Schutzhülle für den zerstörten Reaktor übergeben worden. Sechs Jahre lang hatten Ingenieure aus aller Welt an der Hülle gebaut. Der riesige Stahlmantel soll für die nächsten 100 Jahre einen Austritt von Strahlen verhindern und vor Umwelteinflüssen schützen.

Bau international finanziert

Wegen der hohen Strahlenbelastung vor Ort, ist die neue Stahlhülle besonders groß ausgefallen: sie ist 108 Meter hoch, 162 Meter lang und 260 Meter breit. Auf einer Teflonschiene wurde sie vor Ort geschoben. Die Konstruktion im ukrainischen Prypjat gilt als das größte bewegliche Bauwerk der Welt. An den Kosten von mehr als zwei Milliarden Euro beteiligten sich mehr als 40 Geberländer. Deutschland steuerte 200 Millionen Euro bei.

Der Stahlbau umschließt einen Betonsarkophag, der von der Sowjetunion nach der Kernschmelze von 1986 eilig errichtet worden war. Er hatte über die Jahre Risse bekommen, Experten schätzen ihn als längst baufällig ein.

"Wettlauf noch nicht gewonnen"

Der ukrainische Umweltminister Ostap Semerak sagte am Dienstag, dass Dank der Konstruktion der Katastrophenort nun sicher sei. Er hoffe, dass in naher Zukunft auf dem verlassenen Territorium ein Zentrum für erneuerbare Energien entstehe. Die Umweltschutzorganisation Greenpeace warnte indessen davor, dass der Wettlauf gegen die Zeit noch nicht gewonnen sei. Greenpeace-Sprecher Tobias Münchmeyer sagte am Dienstag bei "Deutschlandradio Kultur", es müsse nun verhindert werden, dass der darunter liegende Betonsarkophag auseinanderbreche. Damit würde radioaktiver Staub freigesetzt, der das Arbeiten in der Halle praktisch unmöglich mache.

Für Rückbau fehlt bislang das Geld

Die technische Ausstattung der Halle soll erst Ende 2017 betriebsbereit sein. Dann könnte zunächst der 30 Jahre alte Betonsarkophag abgetragen werden. Experten vermuten, dass in dem darunterliegenden zerstörtem Reaktor noch 150 bis 200 Tonnen Uran lagern, deren Radioaktivität für den Menschen tödlich ist. Wann allerdings der Rückbau und die Entsorgung des durchgebrannten Reaktorblocks beginnen werden, ist noch völlig unklar. Derzeit kann die Ukraine nach Regierungsangaben eine solche Aufgabe finanziell nicht bewältigen.

Katastrophe liegt 30 Jahre zurück

Am 26. April 1986 war ein Test im damaligen sowjetischen Tschernobyl außer Kontrolle geraten, Reaktor 4 explodierte. Rund acht Tonnen radioaktiven Materials wurden in die Luft geschleudert. Die direkte Umgebung des Kraftwerks wurde schwer kontaminiert, bis zu 350.000 Menschen wurden umgesiedelt. Weite Teile der Ukraine, Weißrusslands sowie anderer Staaten der damaligen Sowjetunion wurden verstrahlt. Auch in anderen europäischen Ländern wurde über längere Zeit erhöhte radioaktive Strahlung gemessen.