Sonderausgabe des Gewerkschaftsblatts der Lehrergewerkschaft zum Schulstreik am 31.03.2017.
Bildrechte: Związek Nauczycielstwa Polskiego

Tausende Lehrer streiken wegen Schulreform

31. März 2017, 16:20 Uhr

Tausende Lehrer sind in Polen in einen Streik getreten. Der Protest richtet sich gegen die Folgen der Schulreform, die ab September 2017 in Kraft treten soll. Die Lehrergewerkschaft ZNP fürchtet Entlassungen und fordert eine Beschäftigungsgarantie und gleichbleibende Gehälter bis 2022.

Nach Angaben des Gewerkschaftschefs Slawomir Broniarz beteiligen sich rund 6.500 Schulen im ganzen Land, also mehr als ein Drittel aller polnischen Schulen, an der Protestaktion. Bei einer Pressekonferenz am Mittag des 31. März beklagte Broniarz, es habe Versuche gegeben, die Lehrer einzuschüchtern. Mehrere Schulen seien im Vorfeld von Polizeibeamten aufgesucht worden, die sich bei Direktoren und Lehrerschaft nach den Streikabsichten und der zu erwartenden Streikbeteiligung erkundigt hätten.

Es handelt sich bei der Aktion um den ersten landesweiten Lehrerstreik seit 2008. Aufgerufen hatte die größte Lehrergewerkschaft des Landes, ZNP, die rund 240.000 Mitglieder zählt.

Die Schulreform der PiS-Regierung sieht eine Rückkehr zur achtjährigen Grundschule vor, die es zu Zeiten der Volksrepublik gegeben hatte. Die derzeitige Mittelstufe, das "Gimnazjum", mit den Klassenstufen 7 bis 10, soll abgeschafft werden. Insgesamt sind rund 7.500 Schulen davon betroffen. Es wird befürchtet, dass dadurch landesweit bis zu 10.000 Lehrer ihre Jobs verlieren könnten.

In den Augen der Kritiker ist die Reform nicht zeitgemäß. Gewerkschaftschef Broniarz sagte in einem Interview mit dem MDR, "es geht doch nicht, dass 15-Jährige zusammen mit Siebenjährigen zur Schule gehen. Wenn man auf die psychische Entwicklung eines Kindes schaut, ist das nicht sinnvoll. Die Kinder von heute ticken doch anders als die von vor 30 Jahren."

Die Kommunen werfen der Regierung außerdem vor, einen Großteil der Kosten auf sie abzuwälzen – der Polnische Städtebund sprach von bis zu einer Milliarde Zloty (umgerechnet knapp 238 Millionen Euro). Im Staatshaushalt wurden die Reformkosten mit 129 Millionen Zloty (knapp 31 Millionen Euro) angesetzt.

Bemängelt wird auch, dass die vor zwei Jahren eingeführten kostenlosen Lehrbücher nun wertlos seien. Die Regierung weist die Vorwürfe zurück: Die Reform sei durchdacht und die Arbeitsplätze der Lehrer seien nicht gefährdet. Ministerpräsidentin Beata Szydlo sagte, der Streik sei nicht sachlich, sondern politisch motiviert.

Über dieses Thema berichtete der MDR in MDR Kultur 29. 11. 2016