Dorfstraße in Fay Ungarn mit Häusern
Dorfstraße im ungarischen Dorf Fáj. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Ungarn: Warum in Fáj 99 Prozent für Orbán stimmten

23. April 2018, 22:46 Uhr

Die Proteste gegen die Regierung Orbán in Ungarn reißen nicht ab. Widerstand formiert sich vor allem in Budapest. Entschieden wurde die Parlamentswahl aber in der Provinz. Warum, zeigt ein Besuch in einem Dorf, das fest in Fidesz Hand ist

Ganz im Norden Ungarns liegt Fáj, ein Ort fest in der Hand der Regierungspartei Fidesz. Stolze 99 Prozent der Stimmen hat die Partei des Ministerpräsidenten Viktor Orbán hier geholt. Denn in der ungarischen Provinz ist Fidesz besonders stark - und hier hat Orban auch die Wahl gewonnen.

Spielplatz als Wahlgeschenk?

In Fáj leben knapp 500 Einwohner, fast die Hälfte davon sind Kinder. Auch die haben zum Wahlsieg beigetragen, wenn auch nur indirekt. Denn die Kinder bekommen nun einen Spielplatz. Dafür hat die Gemeinde extra sieben Arbeitskräfte aus dem Ort angestellt. Bezahlt werden die direkt aus dem Staatshaushalt über die sogenannte "öffentliche Beschäftigung".

Spielplatz plus Arbeitskräfte, das kommt gut an bei den Bewohnern von Fáj. "Diese Regierung unterstützt uns viel mehr. Und wir haben Arbeit, hier im Dorf als öffentlich Beschäftigte. Was könnten wir hier sonst machen?", fasst Kálmán Horváth die Stimmung zusammen. Sein Kollege Tibor David pflichtet ihm bei: "Wir haben Arbeitsmöglichkeiten bei den Kommunalverwaltungen."

Armutsbekämpfung durch Anstellungsprogramm

Die Chancen der Einwohner sind in der Tat begrenzt. Fáj liegt in einer der ärmsten Regionen Ungarns. Ein Großteil der Bewohner sind Roma, nur wenige haben die Schule länger als sechs Jahre besucht. Umgerechnet 97 Euro monatlich hat jeder hier zum Leben, Arbeitsplätze sind Mangelware.

Schon 2011 hat die Regierung das Programm der öffentlichen Beschäftigung eingeführt. Landesweit ist die Arbeitslosigkeit seitdem um fast zwei Drittel zurückgegangen. Aktuell liegt die Arbeitslosenquote bei 4,2 Prozent. Auch in der Region um Fáj ist sie drastisch gesunken.

Extreme Abhängigkeit von staatlichen Programmen

Regelmäßig beantragt der Bürgermeister József Dávid neue Fördergelder in Budapest. Mittlerweile sind 95 Prozent der arbeitenden Bevölkerung über eines der öffentlichen Beschäftigungsprogramme angestellt, erklärt Dávid: "Zehn Menschen pendeln zur Firma Bosch 50 Kilometer von hier, sie haben es irgendwie geschafft, aus der öffentlichen Beschäftigung auszubrechen. Der Rest ist beim Staat angestellt."

Zeitweise waren bis zu 250.000 Menschen landesweit in staatlicher Beschäftigung. Nach deutlicher Kritik von Opposition, aber auch der EU wurde das Programm nahezu halbiert. Doch die Menschen in Fáj und auch anderswo sind Orbán und seiner Fidesz dankbar - auch wegen weiterer sozialer Maßnahmen, weiß Bürgermeister Dávid.

Fidesz hat den Großfamilien mit Steuererstattungen geholfen, sie haben das kostenlose Brennholz eingeführt, was in so einer Gemeinde im Winter unheimlich wichtig ist, um heizen zu können. Sie haben auch die Renten erhöht.

Endlich besser leben als all die Jahrzehnte vorher - das ist unter Orbans Fidesz-Regierung hier im Norden Ungarns Wirklichkeit geworden. Doch auch das Hauptthema von Orbáns Wahlkampf hat hier verfangen: Die vermeintliche Gefahr durch Flüchtlinge.

Angst vor Flüchtlingen in Region ohne Flüchtlinge

Obwohl es in der Region kaum Flüchtlinge gibt, wurden die Bewohner auf Plakaten vor ihnen gewarnt. Auch im staatlichen Fernsehen liefen über Monate Berichte über Flüchtlinge, die angeblich die ungarische Kultur zerstören würden und unter denen viele Terorristen seien.

Das spiegelte sich auch in der Umfrage einer ungarischen Internetplattform wieder. Auf die Frage, warum sie für Fidesz gestimmt hätten, antworteten die meisten: "Angst vor Migranten". Am Ende erhielt die Partei von Viktor Orbán in der Region insgesamt 90 Prozent der Stimmen - angeführt von Fáj mit seinen 500 Bewohnern, 95 Prozent Staatsangestellten und keinem einzigen Flüchtling.

Über dieses Thema berichtet MDR AKTUELL auch im TV: MDR | 20.04.2018 | 19:45 Uhr