Schrift an einer Wand: Belsat
Belsat-Schriftzug in der Redaktion des Auslandssenders. Bildrechte: MDR

Zehn Jahre Belsat: Auslandssender als Spielball der Politik

11. Dezember 2017, 14:24 Uhr

Der belarussische Auslandssender "Belsat" feiert zehnjähriges Bestehen. Dabei drohte bis vor kurzem noch das Aus. So ist das Jubiläum beschreibend für den ständigen Kampf des Senders um Zuschauer, Unahängigkeit und Geld.

Im Dezember 2007 ging Belsat erstmalig auf Sendung, damals mit nur einer Stunde Programm täglich und einem telegraphischen, dreiminütigen Nachrichtenblock. Es war eine Zeit, als sich das Lukaschenko-Regime in Minsk von seiner strengen Seite zeigte und die Opposition besonders unter Druck stand.

Idee aus Protestwelle geboren

Erst ein Jahr zuvor hatte sich der autoritäre Landesvater Lukaschenko zum dritten Mal in Folge zum Präsidenten wählen lassen, was zur größten Protestwelle seit den frühen Neunziger Jahren geführt hatte. Der Widerstand wurde damals im Keim erstickt, die Demonstranten wurden von der Miliz auseinandergetrieben und die "Rädelsführer" ins Gefängnis gesteckt.

In Polen keimte damals der Gedanke, man müsse der angeschlagenen demokratischen Opposition im Nachbarland helfen – auch mit unabhängigen Nachrichten, zeitgemäß auf dem Fernsehschirm präsentiert. Die Idee eines unabhängigen Kanals, der von Polen aus für und nach Belarus sendet, wurde damals von allen Parlamentsparteien mitgetragen.

Pflege der belarussischen Sprache

Einzigartig war und ist bis heute, dass es sich um den einzigen unabhängigen TV-Kanal handelt, der durchgehend in belarussischer Sprache sendet. Denn die hat in ihrem Heimatland keinen allzu leichten Stand. Zumindest in den Städten spricht die Mehrheit der Bevölkerung lieber Russisch, ein Erbe der Sowjetzeit.

Auch Präsident Lukaschenko gibt dieser Sprache den Vorzug und dem Vernehmen nach soll sein Belarussisch nicht allzu gut sein. Die Russifizierung ist so weit vorangeschritten, dass auch in den Schulen die meisten Kinder russischsprachigen Unterricht besuchen. In dieser Situation versteht sich Belsat nicht nur als unabhängige Informationsquelle, sondern auch als Hort der nationalen Sprache und Kultur.

Enormer Aufwand für Berichterstattung

Zehn Jahre später ist das Programm auf imponierende 17 Stunden am Tag angewachsen, zu empfangen via Satellit und übers Internet. Organisatorisch ist Belsat an das öffentlich-rechtliche polnische Fernsehen TVP angegliedert. Der Newsroom der Redaktion befindet sich im gleichen Gebäude, aus dem auch die wichtigsten Nachrichtensendungen des öffentlich-rechtlichen polnischen Fernsehens gesendet werden.

Rund 80 Journalisten und Techniker arbeiten für den Sender in der polnischen Hauptstadt Warschau. Etwa 120 Mitarbeiter liefern Informationen und Bildmaterial aus Belarus zu. Die meisten von ihnen arbeiten illegal, da das Regime ihnen seit Jahren die Akkreditierung versagt, die alle Korrespondenten ausländischer Medien benötigen.

Strafverfolgung als Gradmesser für politische Lage

Immer wieder werden Belsat-Büros in Belarus von der Miliz durchsucht, Kameras und Computer beschlagnahmt und Belsat-Mitarbeiter vor Gericht gestellt. Die Höhe der verhängten Strafen korreliert mit der aktuellen politischen Linie. Will das Regime Strenge zeigen, sind mehrtägige Arreststrafen fällig, bemüht es sich hingegen gerade um eine Annäherung an den Wesen, bleibt es meist bei höheren Geldstrafen.

Lukaschenko ist dafür bekannt, dass er außenpolitischen einen Spagat zwischen Russland und der EU versucht und den Schwerpunkt nach Bedarf mal ostwärts, mal westwärts verschiebt. Das Vorgehen gegen Belsat ist auch ein Gradmesser für seine aktuelle Tendenz. In diesem Jahr wird ein Rekord fallen mit insgesamt 50 Gerichtsverfahren gegen Belsat-Mitarbeiter, auch wenn die verhängten Strafen Insidern zufolge momentan milder ausfallen sollen.

Belsat auch Geisel polnischer Politik

Die zehn Jahre seiner Geschichte waren für den Sender ein stetiger Kampf: nicht nur gegen das Regime in Minsk, sondern auch um Zuschauer, Unabhängigkeit und Geld. Immer wieder wurde Belsat auch eine Geisel der polnischen Politik. Wurde das Verhältnis zum Nachbarn Belarus frostiger, begriff man den Sender als Waffe oder zumindest Druckmittel im politischen Kampf.

Das polnische Außenministerium, das bis 2016 den größten Teil der Finanzierung übernahm, zeigte sich großzügig, öffnete den Säckel und schwang Reden über eine Stärkung der Zivilgesellschaft und der Demokratie in Belarus. Kam aber ein polnisch-belarussisches Tauwetter, wurde der Geldhahn zugedreht, begleitet von Spekulationen über eine mögliche Schließung. Immer wieder sprangen ausländische Geldgeber in die Bresche, etwa die Regierungen von Schweden, Norwegen oder Kanada.

Opfer polnisch-belarussischer Annäherung?

Die größte Krise seiner Existenz erlebte Belsat aber erst unter der PiS-Regierung. Ende Dezember 2016 kündigte das Außenministerium die Finanzierungsverträge. Die Begründung: der Sender sei überholt und erreiche außerdem zu wenig Menschen. In der Presse wurde damals spekuliert, dass Belsat einer Annäherung zwischen Warschau und Minsk geopfert werden sollte.

Diese Gerüchte wurden auch dadurch befeuert, dass mehrere hochrangige PiS-Politiker im Vorfeld dieser Entscheidung Minsk besucht hatten, darunter Außenminister Witold Waszczykowski und der damalige Wirtschaftsminister Mateusz Morawiecki, heute designierter Premierminister. Erst nach einer riesigen Welle´von Medienberichten fanden sich Gelder für einige weitere Monate Sendebetrieb.

Intervention bei Kaczynski rettet Finanzierung

Doch Ende 2017 wiederholte sich das Spiel. Belsat-Chefin Agniesza Romszewska Guzy musste beim PiS-Vorsitzenden Jaroslaw Kaczynski - dem eigentlich starken Mann Polens - persönlich intervenieren, um eine Schließung zu verhindern. Danach ließ das polnische Parlament dem Sender nur wenige Tage vor dem zehnjährigen Jubiläum 20 Millionen Zloty (umgerechnet rund 4,75 Mio. Euro) zukommen.

Ein paar weitere Millionen wird vermutlich außerdem, wie immer, das polnische Fernsehen TVP beisteuern. Damit ist für Belsat ein weiteres Sendejahr gesichert. Eine dauerhafte Existenzgrundlage wurde indes nach wie vor nicht erarbeitet, nach dem sich das Außenministerium aus der Finanzierung zurückgezogen hatte. Die jährlichen Ausgaben des Senders liegen bei etwa 28 Mio. Zloty – umgerechnet rund 6,6 Mio. Euro.

Garant für differenzierte Berichterstattung

Trotz der Finanzierungsschwierigkeiten und seiner halb-konspirativen Arbeitsweise ist es dem Sender gelungen, einen festen Zuschauerstamm zu gewinnen. Nach Umfragen der belarussischen Consulting- und Marktforschungsgesellschaft Civitta Group SATIO erreicht Belsat rund 750.000 Bewohner von Belarus, also etwa jeden zehnten erwachsenen Bürger. Jeder dritte hat von dem Sender zumindest schon gehört.

Diese andere Farbe braucht die Berichterstattung auch. Denn eine andere Umfrage zeigt deutlich, wie sehr die belarussischen Öffentlichkeit unter dem Einfluss russischer TV-Sender steht. Die bieten nämlich ein besseres Programm als das weißrussische Staatsfernsehen, transportieren allerdings auch die kremlnahe Sicht der Dinge, vor allem bei Themen wie die Ukraine-Krise oder westliche Sanktionen gegen Moskau.

So verwundert es kaum, was das Meinungsforschungsinstitut NISEPI herausfand: dass die Mehrheit der Belarussen die USA nämlich klar als Feind betrachten, den großen Nachbarn im Osten dagegen als Freund. Ein Sender wie Belsat könnte da zu einer differenzierteren Sichtweise beitragen.

Über dieses Thema berichtet der MDR auch im: TV | 06.01.2017 | 17:45 Uhr