Ein Bundeswehr-Lkw wird aus einer Transportmaschine der US Air Force auf dem Flughafen Leipzig/Halle entladen.
Der letzte Transport aus Mali landete am Dienstagabend auf dem Flughafen Leipzig/Halle. Bildrechte: MDR/Dirk Reinhardt

Drehkreuz Leipzig/Halle Wie Soldaten aus Thüringen den Bundeswehr-Abzug aus Mali organisieren

13. Dezember 2023, 17:43 Uhr

Es ist der derzeit größte Auslandseinsatz der Bundeswehr - doch bis Jahresende will die Bundeswehr den Abzug aus Mali abgeschlossen haben. Tausende Tonnen Material mussten ausgeflogen werden. Viele davon kam auf dem Flughafen Leipzig/Halle an - seit Jahren eine wichtige Drehscheibe für Transporte von Bundeswehr und Nato.

12. Dezember 2023, gegen 19 Uhr: Eine C-17-Transportmaschine der US Air Force landet auf dem Flughafen Leipzig/Halle. Sie kommt aus Mali in Westafrika. Gegen Mittag war sie dort gestartet. In ihrem Frachtraum: ein gepanzerter Lkw der Bundeswehr. Es ist die letzte Maschine, die im Auftrag der Bundeswehr Material aus Mali herausbringt.

Rund zehn Jahre waren Soldaten aus Deutschland in dem westafrikanischen Land stationiert. Doch im Sommer wurde das UN-Mandat Minusma zum letzten Mal bis Ende diesen Jahres verlängert. Ende 2023 müssen die Truppen im Auftrag der UN - also auch die Bundeswehr - das Land verlassen haben. Nach dem Abzug aus Afghanistan war es der größte Auslandseinsatz der Bundeswehr. Dementsprechend aufwendig ist der Abzug.


Mali: Bis zu 1.200 Bundeswehrangehörige

Stationiert waren die Truppe hauptsächlich im Camp Castor in Gao im Norden des Landes. Die Region gilt als politisch instabil, die Zentralregierung hat dort außerhalb der größeren Ortschaften nur wenig Einfluss. Die Gegend gilt als besonders gefährlich. In einem internen Bundeswehr-Dokument, dass dem MDR vorliegt, wurde die Bedrohungslage in der Region vor wenigen Wochen als erheblich eingestuft. Fast 700 Bundeswehrangehörige waren vor wenigen Wochen noch im Rahmen von Minusma im Land. In Spitzenzeiten waren es sogar mehr als 1.200.


Soldaten aus Thüringen organisieren Logistik in Mali

Organisiert wird der Abzug aus Mali auch von Soldaten aus Thüringen. Zu ihnen gehört Hauptmann Erik, Angehöriger des Logistikkommandos der Bundeswehr in Erfurt. Sein Nachname darf aus Sicherheitsgründen nicht genannt werden. Im Camp Castor ist er mit dafür zuständig, das Material, das in den vergangenen Jahren ins Camp gebracht wurde, wieder abzutransportieren. Dafür gibt es im Camp extra eine sogenannte Materialschleuse. "Hier wird das Material abgegeben und auf Vollständigkeit geprüft", sagt Erik. "Dann wird es für die Luftfracht verpackt oder jeden anderen Transport fertig gemacht und dann nach Deutschland geschickt. Auf welchem Weg auch immer."

Hauptmann des Logistikkommandos der Bundeswehr im Camp in Mali
Logistiker Hauptmann Erik im Bundeswehr-Camp in Mali Bildrechte: MDR/Nana Ehlers

Andere Sachen aus dem Camp werden nicht nach Deutschland geschickt, etwa Büromaterial. Stattdessen wird es an lokale Abnehmer verkauft - die Regierung, Geschäftsleute, aber auch an NGOs, also Hilfsorganisationen. Es geht um große Mengen Material, dass in den vergangenen Monaten nach Deutschland transportiert werden musste. Rund 1.500 Container-Äquivalente seien es gewesen, sagt der Kommandeur des Logistikkommandos, General Gerald Funke, dem MDR.

Unterteilt sind die Bundeswehrgüter in mehrere Kategorien: Zum einen das sogenannte sicherheitsrelevante Material. Heißt: Vor allem Waffen, Munition und militärische Fahrzeuge. Was aus dem Bereich nicht mehr zurückgebracht werden kann, wird demilitarisiert, also funktionsunfähig gemacht. "Es bleibt auf jeden Fall nichts zurück, was sicherheitsempflindlich ist und von anderen Parteien zweckentfremdet werden könnte", sagt Hauptmann Erik im Camp in Gao.


Rücktransport über den Flughafen Leipzig/Halle

Vieles von dem Material, das aus Mali ausgeflogen wurde, kam in den vergangenen Monaten auf dem Flughafen Leipzig/Halle an. Bis zu 70 Flüge pro Monat. Der Flughafen ist ein Drehkreuz für die Bundeswehr. Grundsätzlich wurden die meisten Güter über den Luftweg aus Gao gebracht. Denn um den nächsten Hafen zu erreichen, müssen die Materialien erst hundert Kilometer mit Lastwagen über Land gebracht werden.

Doch auch der Abtransport per Flugzeug ist mühsam. Das Problem vor Ort: Der Flughafen ist relativ klein, deshalb können dort keine großen Antonov-Frachtflugzeuge landen. Stattdessen lediglich kleinere Maschinen, etwa Ilyushin-Frachtflieger. Doch die können deutlich weniger Material laden, das erschwerte den Abtransport.


Auch private Frachtunternehmen für die Bundeswehr unterwegs

Wegen der großen Frachtmengen ist die Bundeswehr auch auf private Unternehmen angewiesen. Etwa auf DB Schenker, ein Tochterunternehmen der Deutschen Bahn. Die wiederum vergab Aufträge an die aserbaidschanische Frachtfluggesellschaft Silk Way Airways, wie aus einer schriftlichen Frage des Linken-Bundestagsabgeordneten Ali Al-Dailami hervorgeht. Silk Way fliegt seit Monaten regelmäßig von Leipzig/Halle nach Gao. Dabei gab es auch Probleme: Mindestens zweimal mussten Maschinen von Silk Way nach dem Start in Leipzig wegen technischer Probleme umkehren.

Die Bundeswehr hatte noch mit anderen Schwierigkeiten zu kämpfen. Wegen eines Militärputsches in Malis Nachbarland Niger war zwischenzeitlich unklar, ob Bundeswehrflüge aus Mali in Niger zwischenlanden können. Nach MDR-Informationen nutzten die Frachtmaschinen mit dem Bundeswehr-Material stattdessen zwischenzeitlich einen Flughafen in der Wüste Algeriens zum Zwischenlanden. Später war ein Umladen im Niger wieder möglich.

"Wir haben so einen schönen Begriff dafür geprägt, das nennt sich der Sahel-Faktor", sagt General Funke. "Das fängt an beim Wetter, das geht weiter, dass Sie Ausfälle beim Fliegen haben einfach aufgrund technischer Störungen, was aber im Grunde die Minderheit war. Und dann war es natürlich auch die politische Lage in den Ländern. Und das war ja nicht nur Mali, sondern es waren auch die Nachbarländer, die nicht unbedingt stabil waren. Wo wir plötzliche Wege, die wir gewählt hatten, geplant hatten, verändern mussten. Es gab Anschläge auf zivile Konvois, die plötzlich eine, na ja, modifizierte Planung erforderlich machten. Es gab aber auch so Sachen, dass an den Flughäfen für die Transportflugzeuge nicht genug Flugkraftstoff da war."

Wir haben so einen schönen Begriff dafür geprägt, das nennt sich der Sahel-Faktor.

General Gerald Funke, Kommandeur des Logistikkommandos der Bundeswehr

Auch der Zeitfaktor habe bei der Organisation des Abzugs eine wichtige Rolle gespielt, sagt Funke. Nachdem das Verteidigungsministerium schon im März 2022 das Signal gegeben habe, den Abzug vorzubereiten, hätten sich die Logistiker auf einen Zeitrahmen bis Mitte 2024 vorbereitet. Doch dann sei aus den geplanten zwölf Monaten nur eine Frist von sechs Monaten geworden, nachdem die Bundesregierung den Abzug schon auf Ende 2023 vorgezogen habe. Aber, so Funke, man habe "Abläufe verdichtet" und den Termin einhalten können.

Generalmajor Gerald Funke, Kommandeur des Logistikkommandos der Bundeswehr
Generalmajor Gerald Funke, Kommandeur des Logistikkommandos der Bundeswehr Bildrechte: MDR/ Dianz Zwetkow

Wer übernimmt die UN-Basen?

Wie es nach dem Abzug der Bundeswehr und der anderen UN-Truppen besonders in Nord-Mali weitergeht, ist kaum abzusehen. Erwartet wird, dass der Konflikt zwischen der De-Facto-Militärregierung sowie den Tuareg-Rebellen und den islamistischen Rebellengruppen weiter eskaliert. Aufständische Tuareg und islamistische Gruppen wollen verhindern, dass malisch-russische Truppen die Basen besetzen und damit tendenziell ihren Einfluss im Norden ausdehnen. In dem internen Bundeswehr-Dokument, das dem MDR vorliegt, heißt es dazu: "Ein weiteres Vorrücken der malisch-russischen Sicherheitskräfte in den Norden Malis und eine einhergehende weitere Gewalteskalation ist kurz- bis mittelfristig wahrscheinlich."

Mit russischen Sicherheitskräften sind Söldertruppen der Wagner-Gruppe gemeint. Sie war von Jewgeni Prigoschin gegründet worden und in mehreren Ländern Afrikas aktiv, darunter in Mali. Auch nach dem Tod Prigoschins sind wohl mehrere hundert Wagner-Angehörige im Land. Sie kommen auch über den Flughafen Gao ins Land. Dort landen ihre Maschinen mitunter auf denselben Landebahnen wie die Flugzeuge der Bundeswehr.

Direkte Auswirkungen auf den Bundeswehrabzug hatte das bisher nicht. Von einem Sprecher des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr hieß es auf MDR-Anfrage, dass man die Absicht habe, den Abzug bis Jahresende abzuschließen. Handlungsleitend sei, "Schutz und Sicherheit bis zum Schluss für die Kräfte vor Ort zu gewährleisten".

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 13. Dezember 2023 | 19:00 Uhr

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