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Torsten Kraya im Kittel in seinem Büro. 1 min
Torsten Kraya ist Chefarzt der Neurologie im Leipziger Klinikum St. Georg. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK
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Nach Virus-Infektionen kann ein chronisches-Erschöpfungssyndrom auftreten. Torsten Kraya ist Neurologie-Chefarzt am Leipziger Klinikum St. Georg und erklärt, worum es da geht.

Fr 09.08.2024 16:47Uhr 01:04 min

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Chronisches Fatigue Syndrom Arzt fordert bessere Strukturen für Behandlungen

11. August 2024, 11:05 Uhr

Eine Demonstration von Betroffenen des "Chronischen Fatigue-Syndroms" in Berlin hat vergangene Woche große Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Es soll fast 300.000 Patientinnen und Patienten in Deutschland geben. Dass für eine bessere Versorgung protestiert wird, kann der Leipziger Neurologie-Chefarzt Torsten Kraya nachvollziehen.

Vergangene Woche haben in Berlin, mit Rollstühlen und auf dem Boden liegend, etwa 70 Menschen für mehr Sichtbarkeit von "ME/CFS"-Erkrankten demonstriert. Sie beklagten, dass Hilfe meist zu spät komme und die Verläufe darum schwerer seien. ME/CFS (Myalgische Enzephalomyelitis und Chronisches Fatigue-Syndrom) ist eine neuro-immunologische Erkrankung, die zu Schwäche bis zu einem hohen Grad an Behinderung führen kann.

Im Interview mit MDR AKTUELL erklärt der Chef der Neurologie am Leipziger Klinikum St. Georg, Torsten Kraya, was es damit auf sich hat, was dagegen zu tun wäre und warum mehr dagegen getan werden müsste.

MDR AKTUELL: Was ist myalgische Enzephalomyelitis oder das Chronische Fatigue-Syndrom?

Torsten Kraya: Das Chronische Fatigue-Syndrom und Myalgische Enzephalomyelitis werden synonym genutzt. Es bedeutet, dass Patienten klinische Symptome haben, im Sinn ausgeprägter Müdigkeit und verminderter Belastbarkeit. Wir kennen das seit Jahren, aber es hat jetzt zugenommen, weil viele Menschen eine Covid19-Infektion hatten und danach über ausgeprägte Müdigkeit und verminderte Belastbarkeit im Alltag klagen. Es können ganz unterschiedliche Systeme betroffen sein. Es können Muskelschmerzen, Kopfschmerzen, aber auch Konzentrations-, Aufmerksamkeitsstörungen sein. Da wird natürlich offensichtlich, dass das alle Bereiche des täglichen Lebens trifft.

Hängen Covid und das Fatigue-Syndrom direkt zusammen?

Das gab es schon früher, auch nach Virusinfektionen. Dadurch, dass viele Menschen an Corona erkrankt sind, gibt es jetzt eine relevante Rate von Menschen, die das haben. Man schätzt so 300.000 in Deutschland.

Auslöser ist wahrscheinlich ein Virus, weil viele Patienten eben direkt im Anschluss an Erkrankungen über dieses Phänomen berichten, sodass der zeitliche Zusammenhang hier naheliegt. Man geht davon aus, dass da Autoimmunvorgänge eine Rolle spielen. Es gibt gute wissenschaftliche Daten, die einen Zusammenhang zeigen, dass wir bei Patienten, die Long-Covid haben, ähnliche Phänomene beobachten, sodass da ein Zusammenhang naheliegt. Aber wir können es noch nicht hundertprozentig belegen.

Woran merkt man, an so etwas erkrankt zu sein?  

Wenn nach einem Infekt die Belastbarkeit nicht wieder zurückkehrt. Ganz, ganz typisch für diese Erkrankung, wenn Patienten einen Infekt haben und im Anschluss daran kommt es nicht zur Rückbildung der Symptome. Dann hat man ein Risiko, dass es sich um so eine Erkrankung handelt.

Ist das heilbar und wenn ja – wie läuft die Therapie?  

Man muss sagen, dass man von Heilbarkeit eigentlich nicht sprechen kann. Im Moment ist es so, dass wir unterschiedliche Verlaufsformen haben, also dass sie bei den Patientinnen und Patienten sehr unterschiedlich sind. Aus der langen Zeit nach Corona können wir berichten, dass das bei vielen Patienten besser wird durch Physiotherapie, Ergotherapie und durch Rehabilitation. Da haben wir schon bei Einigen Verbesserung gesehen. Aber es gibt auch Patienten, die so schwer betroffen sind, dass sie seitdem bettlägerig sind. 

Und es ist wieder das Problem, dass die Kassen nicht alles bezahlen?

Genau das ist ein Problem. Die Krankenkassen funktionieren nach dem System: Sie brauchen eine gesicherte Diagnose, dann können sie bestimmte Hilfsmittel und Strukturen beantragen. Und natürlich: Bei einer Sache, die ganz neu ist, wo man nicht so richtig weiß, was ist eigentlich die Ursache, da haben die Patientinnen und Patienten schon Schwierigkeiten. Reha-Kliniken müssten sich umstellen, und es gibt kaum spezialisierte Ambulanzen wie in der Charité in Berlin.

Das ist auch der Grund, dass die Betroffenen sich in Berlin treffen mit ihren Rollstühlen.

Das ist total nachvollziehbar. Die Patientinnen und Patienten sind frustriert, da sie das Gefühl haben, ihnen wird nicht geholfen. Sie können nicht beruflich tätig sein. Das ist ja ein riesiges Problem für die Gesellschaft und da muss politischer Druck her, dass man sozusagen aus dem Gesundheitsministerium die Strukturen so etabliert, dass man den Patienten versucht zu helfen.

Landet jeder damit irgendwann im Rollstuhl?

Nein, das verläuft unterschiedlich. Es gibt wirklich schwer Betroffene, die rollstuhlpflichtig sind. Manche sind sogar bettlägerig und andere haben das in geringerer Ausprägung. Aber es ist natürlich eine relevante Beeinträchtigung. Und es ist halt auch stigmatisierend. Wenn sie einen gebrochenen Arm haben und können nicht arbeiten, dann sagen alle: Ja klar, nachvollziehbar. Aber wenn Sie sagen würden, "Ich habe ME/CFS", beginnen mit einem Interview und sagen dann nach einer Viertelstunde: Ich kann jetzt nicht weiter, ich muss eine halbe Stunde Pause machen... das sorgt schon für Irritation.

Was müsste die Politik dagegen tun?

Also ich denke, was wichtig ist: Wir brauchen eine finanzielle Struktur, die sicherstellt, dass man sich um die Patienten kümmern kann. Man braucht finanzielle Mittel, um die Patienten zu betreuen im Alltag. Und man braucht finanzielle Mittel für Forschung, die parallel laufen muss, um herauszufinden, was ist die Ursache ist. Wenn wir die Ursache belegen können, können wir auch Therapien entwickeln. Das muss ja das Ziel sein: nicht nur die Patienten zu begleiten. Das machen wir jetzt. Wir begleiten Patienten und versuchen, über Therapien, Physiotherapie, Ergotherapie das Leiden auch zu lindern.

Aber wir können die Ursache nicht beheben. Das muss natürlich das Ziel sein: Dass wir ausreichend Forschungsgelder haben, damit wir ganz gezielte Therapien entwickeln, um nicht nur die Symptome zu behandeln.

MDR(ksc)

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR AKTUELL | 08. August 2024 | 19:30 Uhr

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