35 Jahre Einheit "Netzwerk Nachwendekinder" organisiert Workshops in Mitteldeutschland
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31. Dezember 2024, 10:38 Uhr
Das Zusammenwachsen von Ost und West ist 35 Jahre nach dem Mauerfall ein Thema für mehrere Generationen. Eine davon sind die Nachwendekinder. Ein künstlerisches Projekt befasst sich mit ihnen und hat sie zu Workshops eingeladen in Weimar, Gera und auch in Halle.
- Ein Netzwerk organisiert Workshops für Nachwendekinder in Mitteldeutschland.
- Die Wiedervereinigung stellte viele Eltern vor große Herausforderungen – oftmals blieben die Kinder sich dabei zunächst selbst überlassen.
- In den Workshops beschäftigen sich die Teilnehmer mit Fragen bezüglich Ihrer Identität als Nachwendekind.
- Die Organisatoren setzen dabei auf künstlerische Mittel und Bewegung.
"Ich habe davon über Instagram erfahren, habe überlegt, mein Wochenende anders zu verbringen, hatte aber große Lust, mich auf einer künstlerischen Art und mit Menschen, die die gleichen Erfahrungen gemacht haben wie ich, mit dem Thema auseinanderzusetzen", sagt Sophie. Sie kommt aus Leipzig und ist eine von rund 20 Teilnehmern am Workshop in Halle, organisiert vom "Netzwerk Nachwendekinder". Wer hier mitmacht, ist zwischen 1987 und 97 geboren und beschäftigt sich schon länger mit der Frage nach seiner Ost-Identität.
So wie Julius, auch 35, aufgewachsen in Ostberlin. Als er später im Westen der Stadt lebt, merkt er, dass er irgendwie anders ist. Er fühlt sich zum ersten Mal ostdeutsch. "Es hat eine Rolle gespielt, mir war das aber nicht klar. Als Kind habe ich es als normal erlebt, dass meine Eltern so sind wie sie sind, dass ihnen Dinge, die sie tun möchten, nicht so einfach fallen. In einer Gesellschaft, in der es nicht möglich war, als ehemaliger DDR-Bürger an einer West-Universität eine Karriere zu machen", erklärt Julius.
Politischer und wirtschaftlicher Umbruch stellte viele vor Herausforderungen
Die Neunzigerjahre waren eine Zeit, in der viele Eltern mit sich selbst beschäftigt waren, mit dem politischen und wirtschaftlichen Umbruch, mit Arbeitslosigkeit und Neuorientierung, da kam es vor, dass Kinder sich selbst überlassen waren, und das habe Auswirkungen bis heute, sagt Luisa vom "Netzwerk Nachwendekinder", das die Workshops, die zum großen Teil von der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED Diktatur finanziert sind, organisiert und durchführt. "Wir wollen Räume schaffen, wo diese Auseinandersetzung im Kollektiv stattfinden kann. Viele Nachwendekinder beschäftigen sich in den letzten Jahren mit ihrer Ost-Identität, aber es findet viel alleine statt und es ist was anderes, wenn man plötzlich zusammenkommt und praktisch miteinander arbeitet."
Was beschäftigt die Nachwendekinder?
Die Workshop-Teilnehmer haben Zettel geschrieben mit Stichworten, die ihre Ost-Identität beschreiben. "Verzweifelte Generation" ist da zu lesen, "AFD" "Alkoholkonsum in der DDR", "Armut", "Wut", "Benachteiligung" oder "es ist komisch im Westen". Auf einer Tafel sind Fotos zu sehen, mit Dingen und Orten, die Ostdeutschland für sie ausmachen. Das Fahnenmonument in Halle ist zu sehen, ein Foto von der Ostsee oder das Emblem des FC Union Berlin.
Die Erfahrungen der Teilnehmer seien unterschiedlich, sagt Luisa, aber es gebe auch Überschneidungen. "Die Nachwendekinder müssen viel selber rausfinden, und was mir auch immer wieder auffällt, ist die Suche nach einem Vokabular auch zwischen den Generationen, weil irgendwann in den Familien aufkommt: Es muss ja auch mal irgendwann gut sein."
Tanz und Bewegung im Workshop
Oft herrscht in den Familien Sprachlosigkeit. Doch es wird nicht nur geredet in den Workshops. Man nähert sich dem Thema auch mit künstlerischen Mitteln: Mit Videos, kleinen Theaterszenen – und auch mit Tanz und Bewegung. Dafür ist Josefine zuständig. Mit Bewegung lasse es sich leichter an Erinnerungen kommen, sagt die ausgebildete Tänzerin. "Das ist erst mal immer eine große Hürde, aber das Interessante an der Arbeit mit Bewegung und Erinnerungen und diesem sehr kopflastigen Thema ist, dass meist Gefühle deutlicher werden und einem noch mal die eigene Rolle deutlicher wird und dass meist Erkenntnisse aufkommen, und viel über die Gefühlsebene durch die Bewegung kommt."
Es gibt also weiterhin viel Redebedarf. Fünf Workshops haben in diesem Jahr stattgefunden, sagt Luisa vom "Netzwerk Nachwendekinder". Wann es den nächsten geben wird, ist noch nicht geklärt. Wer Interesse hat – bei Instagram gibt es den Account "Netzwerk Nachwendekinder" – da werden die nächsten Termine veröffentlicht.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 31. Dezember 2024 | 06:00 Uhr
M H Dessau vor 6 Wochen
Sie haben Recht! Ich habe auch viel elend gesehen! Sogar in Schweden! Aber ich habe es gesehen und meine Schlüsse gezogen!. Und ja ! So vieles war in der DDR nicht möglich! Und trotzdem ! Ich vermisse sie nicht! Ich brauche keinen Hausbuch-Schreiber! Keinen "Garagen Gemeinschaftsvorsitzenden" und schon gar keine Parteisekretäre! Und ich liebe die Bouillabaisse von Madam Sonite am Traverse de Cap Janet.für 8 Euro in Marseille. Und ich war nur mit dem LKW dort, um Helium zu holen. Ohne Klassenkampf.
Guten Rutsch.:_))
THOMAS H vor 6 Wochen
„Und ich habe Weltgegenden und Leute kennengelernt,bei der Arbeit, was mit der DDR nie passiert wäre.“
Wieder, @M H Dessau, eine Behauptung, die Sie nicht belegen können, außer Sie haben die Möglichkeit, in eine Glaskugel zu schauen und dabei zu sehen, wie sich die DDR ohne die Einverleibung entwickelt hätte, wobei Sie darauf verzichten können, mir mitzuteilen, wie marode die DDR gewesen sei!
Diese pauschale Behauptung wurde selbst schon durch MDR-Sendungen widerlegt.
MDR-Team vor 6 Wochen
Hallo liebe/r M H Dessau, danke für Ihr Feedback zum Beitrag und das Lob. Sehr gern.
Wir wünschen Ihnen und Ihrer Familie einen guten Rutsch und ein schönes neues Jahr.
Liebe Grüße aus der MDR.de-Redaktion