Wahlen in Sachsen und Thüringen BSW-Chefin Wagenknecht: "Wer mit uns koalieren möchte, muss auch mit mir sprechen"
Hauptinhalt
02. September 2024, 14:33 Uhr
Die Ergebnisse der Landtagswahlen sind von der Bundespolitik nicht zu trennen. Das machte auch Sahra Wagenknecht klar: Vor Koalitionsgesprächen mit dem BSW will sie mit Kretschmer und Voigt die "großen Linien" klären.
Inhalt des Artikels:
- BSW: Wollen in die Regierung – ohne die AfD
- SPD: Scholz ruft dazu auf, keine Bündnisse mit AfD einzugehen
- CDU: "Wir sind das Bollwerk"
- AfD: "Wir haben einen Regierungsauftrag"
- Linke: "Bitterer Wahlabend"
- Grüne: AfD-Erfolg ist eine Zäsur
- FDP: "Rückschlag und Ansporn"
- Haseloff warnt vor Destabilisierung
Sahra Wagenknecht (BSW) will mit den Spitzenkandidaten der CDU in Thüringen und Sachsen in direkten Gesprächen die Chancen einer Regierungsbildung ausloten. "Ich erwarte schon, wer mit uns koalieren möchte, muss auch mit mir sprechen", sagte Wagenknecht am Montag in Berlin. "Wer BSW wählt, bekommt auch die Politik, die mit mir verbunden wird." Sie erwarte daher, dass der CDU-Kandidat in Thüringen, Mario Voigt, und Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) "natürlich auch mit mir ein Gespräch führen". Bei Koalitionsverhandlungen sitze sie aber nicht am Tisch.
Wagenknecht will vorab mit Voigt und Kretschmer die "großen Linien" klären. "Also was kommt da in den Koalitionsvertrag zur Frage von Krieg und Frieden?", sagte Wagenknecht. Dabei gehe es auch um den Anspruch der Regierung: "Wir wollen, dass Sachsen und Thüringen eine Regierung bekommen, die den Menschen tatsächlich auch wieder das Gefühl gibt, um sie wird sich gekümmert."
Die BSW-Chefin sieht das Ergebnis der Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen auch als Signal an die Ampel-Koalition in Berlin. Das Ampel-Bündnis und die bisherigen Regierungskoalitionen in den Ländern seien "zurecht abgestraft" worden. "Für das Land wäre es ein ziemliches Desaster, wenn die 'Ampel' weitermacht", zeige sich Wagenknecht überzeugt. Auf die Frage, ob Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ihrer Meinung nach im Bundestag die Vertrauensfrage stellen solle, sagte sie: "Es wäre angemessen."
BSW: Wollen in die Regierung – ohne die AfD
Wagenknecht beanspruchte am Wahlabend für ihre Partei eine Regierungsbeteiligung in Sachsen: "Wir hoffen sehr, dass wir am Ende mit der CDU eine gute Regierung zustande bekommen", sagte Wagenknecht in der ARD. Für die erforderliche Mehrheit werde nach Stand der Hochrechnungen am Ende wahrscheinlich auch die SPD mit dabei sein.
Auch in Thüringen sei eine Koalition mit der CDU und gegebenenfalls auch der SPD vorstellbar, sagte Wagenknecht. Die Menschen wünschten sich nach fünf Jahren Minderheitsregierung eine stabile Mehrheit, die konkrete Probleme wie "den massiven Unterrichtsausfall" anpacke. Die Menschen wünschten sich aber zugleich eine Landesregierung, die bundespolitisch ihre Stimme erhebe und "für Frieden, für Diplomatie" und gegen die Stationierung von US-Raketen in Deutschland eintrete. Koalitionen mit der AfD schloss Wagenknecht aus.
SPD: Scholz ruft dazu auf, keine Bündnisse mit AfD einzugehen
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat nach den Wahlen in Thüringen und Sachsen dazu aufgerufen, keine Bündnisse mit der AfD einzugehen. "Alle demokratischen Parteien sind nun gefordert, stabile Regierungen ohne Rechtsextremisten zu bilden", erklärte Scholz am Montag im Online-Netzwerk Facebook. An Ergebnisse wie für die AfD in den beiden Ländern "kann und darf sich unser Land nicht gewöhnen." "Die AfD schadet Deutschland", betonte Scholz. "Sie schwächt die Wirtschaft, spaltet die Gesellschaft und ruiniert den Ruf unseres Landes."
Scholz bezeichnete die Wahlergebnisse vom Sonntag als "bitter - auch für uns". Dennoch habe die SPD zusammengehalten. "Wir haben gemeinsam einen guten und klaren Wahlkampf geführt. Das hat sich gelohnt, denn die düsteren Prognosen in Bezug auf die SPD sind nicht eingetreten. Es zeigt sich: Kämpfen lohnt."
SPD-Chefin Saskia Esken sagte im Interview mit MDR AKTUELL, das Erscheinungsbild der Bundesregierung habe den Landesverbänden keinen Rückenwind gegeben, das müsse man ehrlicher Weise einräumen. "Wir sind mit dem Erscheinungsbild nicht nur wegen der schwindenden Zustimmung unzufrieden, sondern weil es so schwer geworden ist Politik zu machen, gute Beschlüsse auch am Ende umzusetzen und nicht im Klein-Klein zu zerreden."
SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert warnte in der ARD die Berliner Ampel-Koalitionspartner, von ihren Zielen im Bund abzurücken. "Es wird für meine Partei jetzt auch darum gehen, sich stärker zu emanzipieren und deutlicher zu machen, was man nur mit der SPD bekommt und wo wir uns auch nicht mehr auf der Nase herumtanzen lassen von anderen, die krachend aus den Landtagen jetzt rausgewählt worden sind", sagte er mit Blick vor allem auf die FDP.
Parteichef Lars Klingbeil sagte im ZDF, trotz der schwachen SPD-Ergebnisse in Sachsen und Thüringen könne Bundeskanzler Olaf Scholz weiter auf die Unterstützung der Partei zählen. Er erwarte, dass alle in der SPD sich jetzt noch mehr anstrengten als bisher.
CDU: "Wir sind das Bollwerk"
Vizeunionsfraktionschef Jens Spahn sieht im vorläufigen Ergebnis der Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen eine klare Botschaft an die Ampel-Koalition in Berlin. Die Menschen wollten "der Ampel ein Signal senden, dass der Kanzler kein Vertrauen mehr hat", sagte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende von CDU und CSU im ZDF-"Morgenmagazin". "Olaf Scholz ist das Gesicht des Scheiterns – auch in Thüringen und Sachsen", bilanzierte Spahn.
Spahn hält eine Zusammenarbeit der CDU auf Landesebene mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht für möglich. Er zeigte sich überzeugt, dass das BSW in Thüringen sich vorrangig auf die Landespolitik konzentrieren wolle. Gemeinsamkeiten mit der CDU gebe es bei besserer Bildung oder Förderung des ländlichen Raumes. Schwieriger werde es, wenn BSW-Chefin Wagenknecht selbst stärker Einfluss nehmen wolle mit ihrer Ukraine-Politik.
CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann sieht das Ergebnis seiner Partei bei den Wahlen in Thüringen und Sachsen als Erfolg. Die CDU sei "eine echte verbliebene Volkspartei", sagte er in der ARD nach der 18-Uhr-Prognose. '"Wir sind das Bollwerk." Die Ampel-Parteien seien abgestraft worden, das AfD-Ergebnis betrübe ihn. Linnemann bekräftigte, die CDU werden mit der AfD nicht koalieren. Das habe man vor der Wahl gesagt, das bleibe so. Zu möglichen Bündnissen der CDU mit dem BSW sagte er, das werde in den Ländern entschieden, von den beiden CDU-Spitzenkandidaten Kretschmer und Voigt.
AfD: "Wir haben einen Regierungsauftrag"
AfD-Bundeschefin Alice Weidel sprach in der ARD von einem historischen Erfolg ihrer Partei. Die AfD sei in Thüringen erstmals in einem Bundesland stärkste Kraft geworden. In Sachsen sei sie auch gestärkt. Die Ampel-Parteien seien abgestraft worden und müssten sich fragen, ob sie noch weiterregieren könnten.
AfD-Cochef Tino Chrupalla leitet aus den Landtagswahlen den Anspruch auf eine Regierungsbeteiligung ab: "Der Wählerwille ist, dass es hier einen Politikwechsel geben soll – in Sachsen wie in Thüringen", sagte Chrupalla im ZDF. Man habe in Thüringen einen klaren Regierungsauftrag. Die AfD sei gesprächsbereit mit allen Parteien, und die anderen sollten sich überlegen, ob die sogenannte Brandmauer zur AfD noch aktuell sei.
Linke: "Bitterer Wahlabend"
Nach den ersten Hochrechnungen zu den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen sprach Linken-Vorsitzender Martin Schirdewan im Fernsehsender phoenix von einem, "in mehrfacher Hinsicht bitteren Wahlabend": "Wir erleben das erste Mal nach dem Zweiten Weltkrieg, dass eine im Kern faschistische Partei in einem Bundesland die Mehrheit erringt." Auch Co-Chefin Janine Wissler nannte die AfD-Zahlen "ein alarmierendes Signal". Zur Lage der Linken nach der Abspaltung des Bündnisses Sahra Wagenknecht (BSW) sagte Wissler, die Trennung sei gut. Ihre Partei könne nun aus der Phase der "Selbstbeschäftigung" herauskommen.
Grüne: AfD-Erfolg ist eine Zäsur
Grünen-Bundeschef Omid Nouripour hat die Wahlen in Sachsen und Thüringen als "Zäsur" bezeichnet. Mit der AfD sei "in Thüringen jetzt eine offen rechtsextremistische Partei stärkste Kraft geworden". Es sei jetzt die Stunde, "unsere Demokratie zu verteidigen". Nouripour bekräftigte seine Kritik am schlechten Erscheinungsbild der Ampel und überflüssigen Streits. Und das sei "halt auch ein Stückchen die Rechnung, die wir jetzt sehen".
Auch Bundestags-Vizepräsidentin und Thüringerin Katrin Göring-Eckardt zeigte sich schockiert und sprach im Kurznachrichtendienst X von einer "demokratischen Zäsur in diesem Land". Grünen-Bundesvorsitzende Ricarda Lang sagte: "Wenn das BSW als populistisches Angebot, das nichts zu bieten hat für die Länder hier, so zugelegt hat, dann ist das ein Problem."
FDP: "Rückschlag und Ansporn"
FDP-Chef Christian Lindner schrieb auf der Plattform X: "Die Ergebnisse in Sachsen und Thüringen schmerzen. Aber niemand soll sich täuschen, denn wir geben unseren Kampf für liberale Werte nicht auf." FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai sieht im schlechten Abschneiden seiner Partei keinen Grund zur Resignation. Er sprach in der Berliner Parteizentrale von einem "vorübergehenden Rückschlag und Ansporn zugleich". Parteivize Wolfgang Kubicki erklärte mit Blick auf den Bund: "Das Wahlergebnis zeigt: Die Ampel hat ihre Legitimation verloren."
Haseloff warnt vor Destabilisierung
Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff warnte vor einer Destabilisierung der Demokratie, die nur durch einen "kompletten Politikwechsel" aufgehalten werden könne. "Es ist eine historische Wahl mit einem großen Denkzettel für die Ampel", sagte der CDU-Regierungschef, für ihre verfehlte Migrations-, Sozial- und Wirtschaftspolitik. CDU-Generalsekretär Mario Karschunke sprach zudem von einer deutlichen Botschaft an die Bundesregierung, dass viele Bürgerinnen und Bürger mit der "ideologiegeprägten Verbots- und Gebotspolitik der Ampel-Regierung" unzufrieden seien. Das habe zum Erstarken extremer Parteien geführt.
Der sachsen-anhaltische AfD-Landesvorsitzende Martin Reichardt sagte MDR SACHSEN-ANHALT mit Blick auf Thüringen, es könne doch "nicht sein, dass die mit Abstand stärkste Partei in die Opposition gedrängt wird". Darauf würden die Wähler dann bei den nächsten Wahlen reagieren. Sachsen-Anhalts SPD-Chef Andreas Schmidt betrachtet die Wahlergebnisse als "besorgniserregend und bedrohlich". Doch die SPD habe ihr Ergebnis in beiden Ländern weitgehend gehalten. Eine gemeinsame Regierungsbildung mit dem BSW bewertet er skeptisch. Grünen-Landeschef Dennis Helmich nannte die Wahlergebnisse einen Tiefschlag für die "gesamte demokratische Gesellschaft" und für seine Partei "nah am Desaster".
Agenturen, MDR AKTUELL(ans,ewi)
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 01. September 2024 | 18:00 Uhr
hinter-dem-Regenbogen vor 4 Wochen
@Peter
Und wenn nur gekämpft wird - wer soll dann die Heimat gestalten ?
Ist das die Demokratie , die alle wollen ?
Oder ist es das Wesen eines Landes , die von einer Minorität zum Ziel gesetzt wird, um so ihre Macht über das Ganze nach belieben zelebrieren zu können.
Fazit:
Wenn Zwei sich streiten, dann gibt es immer noch einen Dritten, der daran seine Freude hat, aber nicht erkannt werden will.
steka vor 4 Wochen
Das Hauptproblem ist aber jetzt, daß die Ministerpräsidentenkandidaten Landesparteien bei den Koalitionsverhandlungen die Direktriven ihrer Politbüros der Zentralkommitees wie früher die Bezirkssekretäre zu beachten haben auch Herr März scheint viel von der SED gelernt zu haben. Auch in dieser Republik scheint "Demokratie" nicht viel anders als in der DDR zu funktionieren. Mich würde mal interessieren wie viele Ostdeutsche eigentlich die neuen Bundesländer in den Parteizentralen von CDU, SPD, Grüne vertreten sind.
nasowasaberauch vor 4 Wochen
Der mdr sammelt Stimmen im ÖPNV zum Wahlergebnis und trifft nur einen Bürger der offen sagt AfD gewält zu haben. Wo kommen nur die 30% her? Da waren sie, die 69%, die angeben nicht öffentlich ihre Meinung äußern zu können. Der mdr glaubt daran ehrliche Antworten zu bekommen, entweder so gewollt und damit zufrieden oder naiv.