Im Dienst gestorben und privat beerdigt Warum gefallene Bundeswehr-Soldaten (meist) kein dauerhaftes Ruherecht haben

06. April 2024, 20:42 Uhr

Noch heute erinnern viele Gräber in Deutschland und im Ausland an gefallene deutsche Soldaten des Zweiten Weltkrieges. Sie haben, wenn sie in Deutschland bestattet sind, ein dauerhaftes Ruherecht, ihre Gräber dürfen nicht eingeebnet werden. Ganz anders sieht es bei Bundeswehr-Soldaten aus, die in Auslandseinsätzen ums Leben gekommen sind.

Porträt Autor Dirk Reinhardt
Bildrechte: MDR/Dirk Reinhardt

"Ich kann der jungen Mutter eines gefallenen Bundeswehrsoldaten nicht erklären, warum die bestatteten Wehrmachtssoldaten auf demselben Friedhof ein dauerndes Ruherecht haben, während das Grab ihres 2009 von Taliban getöteten Sohnes 2029 beräumt werden müsste." Diesen Satz hat der SPD-Politiker Rüdiger Erben aus Sachsen-Anhalt im Sommer 2022 auf Facebook gepostet. Erben kommentierte in seinem Post die damals in seinem Bundesland gestartete Debatte über eine Novelle des dortigen Bestattungsrechts.

Ungleichbehandlung auf dem Friedhof

Erben weist in seinem Post auf eine - nennen wir es Ungleichbehandlung auf dem Friedhof hin. Wer im Auftrag der Bundesrepublik Deutschland als Soldat oder Soldatin im Auslandseinsatz war und dort bei Kampfhandlungen sein beziehungsweise ihr Leben verloren hat, wird im Tode wieder zur Privatperson. Zwar gab es während des von 2001 bis 2021 dauernden Afghanistan-Einsatzes der Bundeswehr mehrfach öffentliche Trauerfeiern für dort gefallene Soldaten - wie etwa 2009 in Bad Salzungen für drei bei einem Gefecht mit Taliban ums Leben gekommene Soldaten des dort stationierten Panzergrenadierbataillons.

Trauerfeier für getöteten Soldaten
Trauerfeier für einen getöteten Soldaten der Bundeswehr Bildrechte: IMAGO / photothek

Die Bestattungen aber fanden jedoch oft nur im familiären Rahmen statt. Um Grabstätte und Grabpflege des Gefallenen müssen sich die Angehörigen zunächst selbst kümmern. Auch eine mögliche Verlängerung der Ruhezeit über 15 oder 20 Jahre hinaus ist Sache der Angehörigen. Die Bundeswehr übernimmt immerhin die Kosten für die Grabpflege, wenn das Grab des Gefallenen - auf Antrag der Angehörigen - offiziell zum Ehrengrab der Bundeswehr gemacht wird.

Tote bei Auslandseinsätzen In den bisherigen Auslandseinsätzen der Bundeswehr sind insgesamt 116 Soldaten ums Leben gekommen. Davon starben 37 in Gefechten oder bei Anschlägen. Mehr als die Hälfte der ums Leben Gekommenen – insgesamt 59 – waren in Afghanistan zu beklagen, 35 davon durch Gefechte oder Anschläge. Quelle: Bundeswehr

Anders die Situation bei gefallenen Wehrmachtssoldaten. Für sie gilt das 1951 in Kraft getretene sogenannte Gräbergesetz. Es legt fest, dass Personen, die zwischen dem 26. August 1939 und dem 31. März 1952 während ihres "militärischen oder militärähnlichen Dienstes gefallen oder tödlich verunglückt sind" oder an den Folgen von Verletzungen während dieses Dienstes gestorben sind, ein zeitlich unbegrenztes Ruherecht haben - sofern sie in Deutschland bestattet sind. Für den Erhalt dieser Gräber sind die Bundesländer zuständig. Soldatengräber aus dem Zweiten Weltkrieg, die sich im Ausland befinden, pflegt der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge, oft in Zusammenarbeit mit Partnern des jeweiligen Landes.

Drei Steinkreuze und Grabplatten auf einem Soldatenfriedhof
Soldatenfriedhof für Gefallene des Zweiten Weltkrieges in Halbe Bildrechte: imago/imagebroker

Eine ähnliche Regelung gibt es für Bundeswehr-Soldaten, die im Auslandseinsatz gefallen sind, auf Bundesebene nicht. Lediglich zwei Bundesländer - Sachsen und das Saarland - haben in den vergangenen Jahren in ihre Bestattungsgesetze entsprechende Regelungen aufgenommen. So gilt in Sachsen für Bundeswehr-Ehrengräber von Soldaten, die im Auslandseinsatz etwa in Folge von kriegerischen Ereignissen ums Leben gekommen sind, ein dauerhaftes Ruherecht. Die Kosten für den Erhalt dieser Grabstätten übernimmt der Freistaat.

Länder haben eigene Regelungen für Bundeswehr-Soldaten

In Sachsen-Anhalt hat die Regierungskoalition aus CDU, SPD und FDP dem Landtag den Entwurf für eine Novellierung des Bestattungsgesetzes vorgelegt, der gefallenen Bundeswehr-Soldaten ebenfalls ein dauerhaftes Ruherecht gewährt - sofern es sich bei ihren Grabstätten um Ehrengräber der Bundeswehr handelt. Die Kosten für die Grabpflege soll das Land erstatten. Der Gesetzentwurf wurde Ende April 2023 im Landtag in erster Lesung beraten und zur weiteren Behandlung in mehrere Ausschüsse verwiesen.

In Thüringen ist eine solche Gesetzesnovellierung derzeit nicht abzusehen. Seit dem vergangenen Jahr arbeitet die Grünen-Landtagsfraktion an einer Novelle des Landesbestattungsgesetzes. Nach Informationen von MDR Investigativ enthält sie ebenfalls eine Regelung für ein dauerhaftes Ruherecht gefallener Bundeswehr-Soldaten. Jedoch ist es unwahrscheinlich, dass die rot-rot-grüne Regierungskoalition den Entwurf noch in der laufenden Legislaturperiode im Landtag einbringen wird.

Da sich die in den Ländern geltenden oder geplanten Festlegungen eines dauerhaften Ruherechts nur auf Ehrengräber der Bundeswehr beziehen, dürften die Kosten für deren Pflege überschaubar sein. Nach Angaben des Verteidigungsministeriums gibt es derzeit in Sachsen zwei und in Sachsen-Anhalt drei solcher Ehrengräber. In Thüringen sind nach MDR-Recherchen drei Bundeswehr-Soldaten bestattet, die in Afghanistan ums Leben gekommen sind. Jedoch sind ihre Grabstätten nicht als Ehrengräber der Bundeswehr gekennzeichnet.

Verbände plädieren für dauerhaftes Ruherecht

Es sei grundsätzlich Sache der jeweiligen Familie, ob das Grab des gefallenen Angehörigen ein Ehrengrab der Bundeswehr sein soll, sagt dazu der Präsident des Reservistenverbandes, Patrick Sensburg. Grundsätzlich unterstütze der Verband ein dauerhaftes Ruherecht für gefallene Bundeswehr-Soldaten.

Auch andere Verbände und Organisationen sehen das so. "Wir halten es für sinnvoll, wenn es ein dauerhaftes Ruherecht für im Auslandseinsatz gefallene Bundeswehrsoldaten gäbe", sagte die Sprecherin des Volksbundes Deutsche Kriegsgräber-Fürsorge, Diane Tempel-Bornett. Der Vorsitzende des Bundes Deutscher Einsatzveteranen, Bernhard Drescher, sagte dem MDR, es sei "völlig unverständlich für die heutige Zeit", dass Wehrmachtssoldaten ein längeres Ruherecht haben als Bundeswehr-Soldaten. Der Verband fordere seit langem von der Politik ein umfassendes Veteranenkonzept für die Bundeswehr, in dem auch die Frage von Ruhezeiten geregelt werden müsste.

Auch Angehörige fordern ein dauerhaftes Ruherecht für gefallene Bundeswehr-Soldaten. Eine solche Regelung sei längst überfällig, sagte die Mutter eines 2010 in Afghanistan gefallenen Soldaten aus Sachsen-Anhalt dem MDR.

MDR (dr)

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 06. April 2024 | 19:00 Uhr

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