USA Oberstes US-Gericht kippt liberales Abtreibungsrecht
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24. Juni 2022, 19:48 Uhr
Der Oberste Gerichtshof der USA hat das liberale Abtreibungsrecht gekippt. Der mehrheitlich konservativ besetzte Supreme Court hob das Grundsatzurteil "Roe v. Wade" aus dem Jahr 1973 auf und machte mit seiner Entscheidung den Weg für schärfere Abtreibungsgesetze frei.
- Das bisherige Recht auf Abtreibungen galt seit einem Grundsatzurteil im Jahr 1973.
- Die 50 Bundesstaaten können nun selbst über Abtreibungen entscheiden.
- Die Reaktionen reichen von Jubel bis Entsetzen.
Der Oberste Gerichtshof der USA hat das seit fünf Jahrzehnten geltende landesweite Recht auf Abtreibung gekippt. Der mehrheitlich von konservativen Richtern besetzte Supreme Court in Washington hob das bisher geltende Urteil auf.
Wie das Gericht mitteilte, hatten sechs der neun Richter für diese Entscheidung gestimmt. In der Urteilsbegründung heißt es: "Die Verfassung gewährt kein Recht auf Abtreibung".
Das geltende Grundsatzurteil fiel 1973
Der Supreme Court hatte 1973 In einem Grundsatzurteil im Fall Roe vs. Wade landesweit Abtreibungen bis zur Lebensfähigkeit des Fötus, also etwa bis zur 24. Schwangerschaftswoche, ermöglicht. Damals leitete das Gericht ein bundesweites Recht auf Abtreibung aus dem Recht von Frauen auf Privatsphäre ab.
Bundesstaaten können auf Landesebene entscheiden
Die aktuelle Entscheidung macht Schwangerschaftsabbrüche nicht illegal, von nun an steht es den einzelnen US-Bundesstaaten jedoch frei, Abtreibungen zu erlauben, sie einzuschränken oder gänzlich zu verbieten. Noch am Tag des Urteils reagierte Missouri und verbot als erster US-Bundesstaat Abtreibungen. Texas hatte bereits zuvor Abtreibungen nach der sechsten Schwangerschaftswoche verboten. In Oklahoma wurde Abtreibung "vom Augenblick der Empfängnis" verboten.
In demokratisch regierten Staaten wie Kalifornien und New York bereiten sich Kliniken teils auf einen Andrang aus anderen Staaten vor. Frauenrechtlerinnen verweisen immer wieder darauf, dass ein Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen vor allem zu unsicheren Abbrüchen führt. Ein Gesetzentwurf der Demokraten für ein Recht auf Abtreibung auf Bundesebene war Mitte Mai im Senat gescheitert.
Von Jubel bis Entsetzen
Das Urteil sorgte bei Republikanern und religiösen Konservativen, die seit Jahrzehnten auf diese Entscheidung hingearbeitet hatten, für Jubel. Die führenden Republikaner im US-Kongress, Kevin McCarthy, Steve Scalise und Elise Stefanik schrieben in einer gemeinsamen Erklärung: "Wir begrüßen diese historische Entscheidung, die unzählige unschuldige Leben retten wird".
Demokraten und Frauenrechtler zeigten sich dagegen entsetzt. Die Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, sagte, dieses grausame Urteil sei empörend und herzzerreißend.
Biden spricht von "tragischem Fehler"
US-Präsident Joe Biden nannte die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs einen "tragischen Fehler". Der ehemalige US-Präsident Donald Trump feierte das Urteil dagegen als "Entscheidung Gottes".
Nach dem Urteil wiesen die Vereinten Nationen auf die Gesundheitsrisiken für Frauen hin. Daten zeigten, dass die Einschränkung des Zugangs zur Abtreibung die Menschen nicht davon abhalte, eine Abtreibung durchzuführen - sie mache sie nur tödlicher.
Fast eine Million Abtreibungen im Jahr 2020
Nach Angaben des Familienplanungsinstituts Guttmacher Institute sind 2020 in den USA 930.160 Abtreibungen vorgenommen worden, acht Prozent mehr als 2017. Davor waren die Zahlen gesunken. Etwa eine von fünf Schwangerschaften werde mit einer Abtreibung beendet, hieß es.
Quellen: AFP, Reuters, dpa (isc)
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 24. Juni 2022 | 17:00 Uhr
Der Pegauer am 26.06.2022
@goffmann
Sie habe da interessante Fragen aufgeworfen, die einer umfassenden Antwort bedürfen. So richtig ist das bei uns in Deutschland auch nicht geklärt.
Straffrei, aber rechtswidrig? Könnte man auch auf andere Tatbestände ausweiten. In San Fransisco waren bis vor kurzem noch Ladendiebstähle bis zu einem Wert von 950 US-Dollar straffrei.
goffman am 25.06.2022
Mich wundert, dass es noch keinen Kommentar zu diesem Artikel gibt. Sind wir mit der Regelung in Deutschland zufrieden?
Bei uns ist der Abbruch auch rechtswidrig, aber innerhalb der ersten zwölf Wochen straffrei (und an eine Beratung gebunden). Er ist rechtmäßig, wenn es medizinische Gründe gibt oder wenn eine Vergewaltigung zur Schwangerschaft führte.
... Straffrei, aber rechtswidrig. Ist das eine angemessene Regelung?
Zugegeben, ich halte die Frage auch für sehr schwer. Wann beginnt das menschliche Leben?
Wenn eine gewollt Schwangere ihr Kind durch Gewalt verliert, dann wird sie das vmtl. als Mord empfinden. Aber ist eine befruchtete oder gerade in der Gebärmutter eingenistete Eizelle schon menschliches, schützenswertes Leben? Auch schützenswert gegen den Willen der betroffenen Frau? Was ist mit künstlicher Befruchtung, mit Embryonen im Labor, die vielleicht nie geboren werden?
Ich denke, wir haben da auch noch eine Menge Diskussionsbedarf in unserer Gesellschaft.