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StreikrechtWelche Rechte und Pflichten haben Streikende?

30. März 2023, 08:00 Uhr

Das Recht auf Streik ist im Grundgesetz Artikel 9, Absatz 3 geregelt. Dennoch gibt es in der Praxis viele Fragen: Gibt es Berufsgruppen, die nicht streiken dürfen? Dürfen auch nicht gewerkschaftlich Organisierte streiken? Und dürfen Arbeitnehmer wegen ihrer Beteiligung am Streik durch den Arbeitgeber abgemahnt oder gar gekündigt werden? Diese und weitere Fragen beantwortet Gilbert Häfner, ehemaliger Präsident des Oberlandesgerichts in Dresden.

Für welchen Zweck darf gestreikt werden?

Das Streikrecht ist Bestandteil der sogenannten Koalitionsfreiheit. Dabei handelt es sich um das in Artikel 9 Absatz 3 Grundgesetz (GG) geschützte Grundrecht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden und zu demselben Zweck Arbeitskämpfe zu führen. Konkret muss ein Streik darauf gerichtet sein, den Abschluss eines Tarifvertrages zu einem bestimmten Regelungsgegenstand zu erreichen.

Dürfen mit einem Streik auch politische Ziele verfolgt werden?

Die Änderung von Gesetzen und Verordnungen ist keine Tarifforderung und deshalb nicht vom Streikrecht umfasst. Somit sind in Deutschland politische Streiks – anders etwa als im Nachbarland Frankreich – nicht gestattet.

Muss ein Streik immer von einer Gewerkschaft organisiert sein?

Mit den in Artikel 9 Absatz 3 GG genannten Vereinigungen sind Gewerkschaften und Arbeitgeber gemeint. Deswegen sind sogenannte wilde Streiks, die von Arbeitnehmern ohne gewerkschaftliche Unterstützung durchgeführt werden, nicht erlaubt.

Darf eine Gewerkschaft jederzeit einen Streik beginnen?

Tarifverträge werden jeweils befristet, also für eine bestimmte Laufzeit, oder mit einer Kündigungsfrist abgeschlossen. Bis zum Ende der Laufzeit bzw. Kündigungsfrist gilt grundsätzlich eine Friedenspflicht, das heißt, es dürfen keine Maßnahmen des Arbeitskampfes ergriffen werden, die sich gegen den Bestand des Tarifvertrages oder einzelner darin enthaltener Regelungen richten.

Darf nach Ablauf der Friedenspflicht sofort ein Streik begonnen werden?

Der Streik ist die schärfste Waffe der Gewerkschaften im Arbeitskampf. Er ist daher als letztes Mittel ("ultima ratio") anzusehen, das erst eingesetzt werden darf, wenn andere Maßnahmen nicht (mehr) helfen. Dementsprechend darf ein Streik grundsätzlich erst ausgerufen werden, nachdem Tarifverhandlungen begonnen haben.  

Was unterscheidet den Warnstreik vom gewöhnlichen Streik?

Ein Warnstreik wird während der noch laufenden Tarifverhandlungen ausgerufen, um die Entschlossenheit der Gewerkschaftsmitglieder zu demonstrieren, ihre Tarifforderungen durchzusetzen (BAG Urteil vom 21.06.1988). Ein "richtiger" Streik findet erst nach dem Scheitern der Tarifverhandlungen statt. Dazu bedarf es nach den Satzungen der Gewerkschaften einer Urabstimmung der Mitglieder, wobei mehr als 75 Prozent für den Streik stimmen müssen.

Müssen die Arbeitnehmer für die Zeiten, in denen sie streiken, auf ihr Gehalt verzichten?

Während des Streiks ruht die Arbeitspflicht der streikenden Arbeitnehmer ebenso wie die Entgeltpflicht der Arbeitgeber. Um die Streikbereitschaft ihrer Mitglieder zu fördern, zahlen die Gewerkschaften ihnen ein Streikgeld. Dessen Höhe richtet sich zum einen nach dem aktuellen Einkommen des streikenden Mitglieds und zum anderen nach dessen gewerkschaftlichen Mitgliedsbeitrag; zuweilen gibt es einen Familienzuschlag. Das Streikgeld gleicht aber in der Regel den Einkommensverlust nicht vollständig aus. Bei längeren Arbeitskämpfen birgt dies die Gefahr, dass die Streikbeteiligung nachlässt, denn niemand ist gezwungen, sich an einem Streik zu beteiligen.

Dürfen sich auch solche Arbeitnehmer am Streik beteiligen, die nicht Mitglied in der Gewerkschaft sind?

Das Streikrecht hängt nicht von der Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft ab. Allerdings gewähren die Gewerkschaften nur ihren Mitgliedern Streikgeld.

Dürfen Arbeitnehmer wegen ihrer Beteiligung am Streik durch den Arbeitgeber abgemahnt oder gar gekündigt werden?

Solange der von der Gewerkschaft ausgerufene Streik rechtmäßig ist, ist auch die daran anknüpfende Arbeitsniederlegung rechtmäßig. Dementsprechend ist eine Abmahnung oder Kündigung nicht zulässig.

Womit haben Beamte zu rechnen, die sich an einem Streik beteiligen?

Wegen ihrer Treuepflicht gegenüber dem Dienstherrn dürfen Beamte und Richter nicht streiken. Tun sie dies gleichwohl, begehen sie ein Dienstvergehen. Ein solches kann mit einer Disziplinarmaßnahme geahndet werden, beispielsweise mit einer Kürzung der Besoldung. Ob das Streikverbot auch für solche Beamten gilt, die – wie z.B. Lehrer – keine hoheitliche Tätigkeit ausüben, wird zunehmend in Frage gestellt. Das Bundesverfassungsgericht hat auch insoweit das Streikverbot vor nicht allzu langer Zeit noch einmal ausdrücklich bestätigt. Deswegen haben betroffene Lehrer den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte angerufen; dessen Entscheidung steht noch aus.

Unser Experte

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Dieses Thema im Programm:MDR FERNSEHEN | MDR um 4 | 30. März 2023 | 17:00 Uhr