"artour" ist das Kulturmagazin für das MDR-Sendegebiet und für Ostdeutschland. "artour" wird in Rostock wie in Weimar geschaut, aber natürlich auch in Hamburg und München. Das Kulturmagazin mit Ostkompetenz greift Themen auf, die die Zuschauer bewegen. Von Thälmann bis Theater, von der Kittelschürze bis zum Konzert, von der Off-Bühne bis zur Oper. Themen werden auch mal gegen den Strich gebürstet, egal, ob es sich um eine Kunstausstellung oder einen kulturpolitischen Skandal handelt.
Studie über "Kunstraub für den Sozialismus"
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurden in der SBZ und in der DDR Kunstgegenstände aus privatem Besitz, aus privaten Sammlungen und dem privaten Kunsthandel entzogen. Teils wurden mit der Kunst zerstörte Museumsbestände aufgefüllt, teils wurden sie für Devisen in den Westen veräußert. In welchem Umfang dies geschah und unter welchen rechtlichen Bedingungen, was mit der Kunst passierte, untersucht nun eine Studie im Auftrag des Magdeburger Zentrums für Kulturgutverluste mit dem Titel "Kunstraub für den Sozialismus". Zwei Jura-Professoren versuchen, durch Analysen und entsprechende Fallbeispiele das weite Feld der Entziehung von Kulturgut im Osten Deutschlands und der dadurch verursachten Verluste bzw. Ungerechtigkeiten auszuleuchten. Ihr Ergebnis: das Thema ist nach wie vor relevant. Die Kulturgutverluste, ausgelöst durch ideologisch, politisch oder ökonomisch motivierte Willkür, sind so umfassend und tiefgreifend, dass es keine juristisch einfachen Wege gibt, um "wiedergutzumachen", zumal eine Wiedergutmachung durch entsprechend juristische Verjährungsfristen erschwert wird.
Autor: Titus Richter
Nicht einen Schritt weiter nach Osten
Am 21. Februar 2022 wandte sich der russische Präsident Wladimir Putin an sein Volk. In einer Rede an die Nation erklärte er, im Rahmen der Wiedervereinigung Deutschlands habe es Zusagen der USA gegenüber der Sowjetunion gegeben, man werde die Nato "nicht einen Zentimeter" nach Osten ausdehnen. Diese Zusagen seien nicht eingehalten worden, der Westen trage die alleinige Verantwortung für Konsequenzen, die sich aus dem Wortbruch ergeben. Drei Tage nach dieser Ansprache begann Russland seinen Überfall auf die Ukraine. Tatsächlich ist kaum eine Entwicklung der jüngeren Geschichte so umstritten wie die der Nato-Osterweiterung. Ihren Anfang nahm sie in den Jahren der deutschen Wiedervereinigung 1989 und 1990. Bis heute ranken sich zahlreiche Legenden und Kontroversen um die Verhandlungen, die am 12. September 1990 zum "Zwei-plus-Vier-Vertrag" zwischen den beiden deutschen Staaten und den Siegermächten des Zweiten Weltkrieges führten. Entspricht es der Wahrheit, dass US-Außenminister James Baker im Rahmen der Verhandlungen um die deutsche Wiedervereinigung der Sowjetunion einen hypothetischen Handel vorschlug: Ihr gebt euren Teil Deutschlands frei, wir verrücken die Nato nicht nach Osten, "not one inch eastwards"? Hat Michail Gorbatschow recht, wenn er 2014 in seinen Erinnerungen berichtet: "Das Thema der NATO-Erweiterung wurde gar nicht diskutiert und in diesen Jahren nicht angesprochen." Was steht wirklich in diesem Vertrag? Wie kam er zustande? Für ihr Buch "Nicht einen Schritt weiter nach Osten. Amerika, Russland und die wahre Geschichte der Nato-Osterweiterung" hat die amerikanische Historikerin Mary Elise Sarotte Hunderte von Interviews geführt, zahllose Primärquellen ausgewertet und Unmengen von Archivmaterial durchforstet. Sarotte, die Ende der 80er Jahre in Berlin die Wende hautnah miterlebte und jetzt in Havard lehrt, nennt das Ergebnis ihrer materialreichen Untersuchung eine "Genealogie der Gegenwart". Wir haben Mary Elise Sarotte in Berlin dazu befragt.
Autor: Rayk Wieland
Der Film "ROXY" mit Devid Striesow
Thomas Brenners Leben ist nicht sonderlich aufregend. Soll es auch gar nicht. Er ist Taxifahrer und erfüllt die Wünsche anderer. In seinem beigefarbenen Parka, den er trägt wie einen Schutzanzug, hat er keine Erwartungen an das Glück. Thomas Brenner ist ein vom Leben übersehener Typ, dem Ordnung in seinen vier Wänden der wichtigste Halt ist. Als ein dubioser, russischer Oligarch mit sehr viel Geld und seine zwei Komplizen mit ihrem Kampfhund Roxy zu ihm ins Taxi steigen, gerät seine Ordnung aus den Fugen. Der russische Oligarch ist auf der Flucht und Thomas Brenner, der unauffällige Taxifahrer, wird zu seinem Vertrauten. Bald gesellen sich seine schöne Frau und sein kleiner Sohn zu ihnen, und der als schwarze Komödie gedrehte Film schlägt unerwartete Haken. Der georgische, in Deutschland lebende Regisseur Dito Tsintsadze hat seinen aberwitzigen Thriller um den Schauspieler Devid Striesow inszeniert. Und Striesow als Taxifahrer Thomas Brenner zu erleben, ist ein Ereignis. Einmal die rechte Augenbraue gehoben und man ahnt, gleich könnten Wolken aufziehen. Devid Striesow spielt Brenner als hintergründigen, subtilen Allerweltsmenschen, der am Ende über sein Schicksal triumphiert. Filmstart ist am 25. Januar.
Autor: Jens-Uwe Korsowsky
Raum zum Wachsen - MINE und ihr neues Album "Baum"
Ihr Sound gehört zum Spannendsten, was der deutsche Pop zu bieten hat. Seit mittlerweile 10 Jahren steht die Sängerin, Multiinstrumentalistin und Songwriterin Mine für eine bemerkenswerte musikalische Mischung - eingängig und doch unvorhersehbar. Pathetisch, poetisch, klug. Ihre Arrangements sind beeinflusst von Folk, Jazz, Rap und Klassik. Für Mine, die mit bürgerlichem Namen Jasmin Stocker heißt und in der Nähe von Stuttgart aufgewachsen ist, ist das Musikschreiben eine Spielwiese, ein Ort zum Austoben. Männerchöre, Waldhörner, exotische Synthesizer, Trap Beats. Das alles arrangiert sie selbst, ist nicht nur Komponistin, auch Produzentin. Ihre Texte sind oft sehr persönlich, Tagebucheinträge, Stationen in ihrem Leben, die sie in Liedform immer wieder besuchen kann.
Mit "Baum" erscheint nun das mittlerweile fünfte Studioalbum der Musikerin. Künstlerisch wie persönlich sei sie so frei wie nie. "Ich hatte das Gefühl, das Verrottete fällt ab und es entsteht etwas Neues." Raum zum Wachsen. "artour" stellt das Album vor und hat Mine in ihrem Studio in Berlin getroffen.
Autor: Marcus Fitsch
Kulturkalender
* Oper Halle: "Der Barbier von Sevilla" - Premiere am 27. Januar
* Kunsthaus Apolda: Rembrandt-Meisterwerke der Radierkunst bis 28. April
* Filmtipp: "Stella - Ein Leben"
Autorin: Julia Ribbe
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurden in der SBZ und in der DDR Kunstgegenstände aus privatem Besitz, aus privaten Sammlungen und dem privaten Kunsthandel entzogen. Teils wurden mit der Kunst zerstörte Museumsbestände aufgefüllt, teils wurden sie für Devisen in den Westen veräußert. In welchem Umfang dies geschah und unter welchen rechtlichen Bedingungen, was mit der Kunst passierte, untersucht nun eine Studie im Auftrag des Magdeburger Zentrums für Kulturgutverluste mit dem Titel "Kunstraub für den Sozialismus". Zwei Jura-Professoren versuchen, durch Analysen und entsprechende Fallbeispiele das weite Feld der Entziehung von Kulturgut im Osten Deutschlands und der dadurch verursachten Verluste bzw. Ungerechtigkeiten auszuleuchten. Ihr Ergebnis: das Thema ist nach wie vor relevant. Die Kulturgutverluste, ausgelöst durch ideologisch, politisch oder ökonomisch motivierte Willkür, sind so umfassend und tiefgreifend, dass es keine juristisch einfachen Wege gibt, um "wiedergutzumachen", zumal eine Wiedergutmachung durch entsprechend juristische Verjährungsfristen erschwert wird.
Autor: Titus Richter
Nicht einen Schritt weiter nach Osten
Am 21. Februar 2022 wandte sich der russische Präsident Wladimir Putin an sein Volk. In einer Rede an die Nation erklärte er, im Rahmen der Wiedervereinigung Deutschlands habe es Zusagen der USA gegenüber der Sowjetunion gegeben, man werde die Nato "nicht einen Zentimeter" nach Osten ausdehnen. Diese Zusagen seien nicht eingehalten worden, der Westen trage die alleinige Verantwortung für Konsequenzen, die sich aus dem Wortbruch ergeben. Drei Tage nach dieser Ansprache begann Russland seinen Überfall auf die Ukraine. Tatsächlich ist kaum eine Entwicklung der jüngeren Geschichte so umstritten wie die der Nato-Osterweiterung. Ihren Anfang nahm sie in den Jahren der deutschen Wiedervereinigung 1989 und 1990. Bis heute ranken sich zahlreiche Legenden und Kontroversen um die Verhandlungen, die am 12. September 1990 zum "Zwei-plus-Vier-Vertrag" zwischen den beiden deutschen Staaten und den Siegermächten des Zweiten Weltkrieges führten. Entspricht es der Wahrheit, dass US-Außenminister James Baker im Rahmen der Verhandlungen um die deutsche Wiedervereinigung der Sowjetunion einen hypothetischen Handel vorschlug: Ihr gebt euren Teil Deutschlands frei, wir verrücken die Nato nicht nach Osten, "not one inch eastwards"? Hat Michail Gorbatschow recht, wenn er 2014 in seinen Erinnerungen berichtet: "Das Thema der NATO-Erweiterung wurde gar nicht diskutiert und in diesen Jahren nicht angesprochen." Was steht wirklich in diesem Vertrag? Wie kam er zustande? Für ihr Buch "Nicht einen Schritt weiter nach Osten. Amerika, Russland und die wahre Geschichte der Nato-Osterweiterung" hat die amerikanische Historikerin Mary Elise Sarotte Hunderte von Interviews geführt, zahllose Primärquellen ausgewertet und Unmengen von Archivmaterial durchforstet. Sarotte, die Ende der 80er Jahre in Berlin die Wende hautnah miterlebte und jetzt in Havard lehrt, nennt das Ergebnis ihrer materialreichen Untersuchung eine "Genealogie der Gegenwart". Wir haben Mary Elise Sarotte in Berlin dazu befragt.
Autor: Rayk Wieland
Der Film "ROXY" mit Devid Striesow
Thomas Brenners Leben ist nicht sonderlich aufregend. Soll es auch gar nicht. Er ist Taxifahrer und erfüllt die Wünsche anderer. In seinem beigefarbenen Parka, den er trägt wie einen Schutzanzug, hat er keine Erwartungen an das Glück. Thomas Brenner ist ein vom Leben übersehener Typ, dem Ordnung in seinen vier Wänden der wichtigste Halt ist. Als ein dubioser, russischer Oligarch mit sehr viel Geld und seine zwei Komplizen mit ihrem Kampfhund Roxy zu ihm ins Taxi steigen, gerät seine Ordnung aus den Fugen. Der russische Oligarch ist auf der Flucht und Thomas Brenner, der unauffällige Taxifahrer, wird zu seinem Vertrauten. Bald gesellen sich seine schöne Frau und sein kleiner Sohn zu ihnen, und der als schwarze Komödie gedrehte Film schlägt unerwartete Haken. Der georgische, in Deutschland lebende Regisseur Dito Tsintsadze hat seinen aberwitzigen Thriller um den Schauspieler Devid Striesow inszeniert. Und Striesow als Taxifahrer Thomas Brenner zu erleben, ist ein Ereignis. Einmal die rechte Augenbraue gehoben und man ahnt, gleich könnten Wolken aufziehen. Devid Striesow spielt Brenner als hintergründigen, subtilen Allerweltsmenschen, der am Ende über sein Schicksal triumphiert. Filmstart ist am 25. Januar.
Autor: Jens-Uwe Korsowsky
Raum zum Wachsen - MINE und ihr neues Album "Baum"
Ihr Sound gehört zum Spannendsten, was der deutsche Pop zu bieten hat. Seit mittlerweile 10 Jahren steht die Sängerin, Multiinstrumentalistin und Songwriterin Mine für eine bemerkenswerte musikalische Mischung - eingängig und doch unvorhersehbar. Pathetisch, poetisch, klug. Ihre Arrangements sind beeinflusst von Folk, Jazz, Rap und Klassik. Für Mine, die mit bürgerlichem Namen Jasmin Stocker heißt und in der Nähe von Stuttgart aufgewachsen ist, ist das Musikschreiben eine Spielwiese, ein Ort zum Austoben. Männerchöre, Waldhörner, exotische Synthesizer, Trap Beats. Das alles arrangiert sie selbst, ist nicht nur Komponistin, auch Produzentin. Ihre Texte sind oft sehr persönlich, Tagebucheinträge, Stationen in ihrem Leben, die sie in Liedform immer wieder besuchen kann.
Mit "Baum" erscheint nun das mittlerweile fünfte Studioalbum der Musikerin. Künstlerisch wie persönlich sei sie so frei wie nie. "Ich hatte das Gefühl, das Verrottete fällt ab und es entsteht etwas Neues." Raum zum Wachsen. "artour" stellt das Album vor und hat Mine in ihrem Studio in Berlin getroffen.
Autor: Marcus Fitsch
Kulturkalender
* Oper Halle: "Der Barbier von Sevilla" - Premiere am 27. Januar
* Kunsthaus Apolda: Rembrandt-Meisterwerke der Radierkunst bis 28. April
* Filmtipp: "Stella - Ein Leben"
Autorin: Julia Ribbe
Moderation
- Thomas Bille
Anschrift
-
MDR-Fernsehen
Redaktion "artour"
04360 Leipzig
Tel.: 0341 3007227
Fax: 0341 3007285