Zeit der Revolte: Prag im Sommer 1968

02. Juli 2009, 14:12 Uhr

1968 wurde die tschechoslowakische Hauptstadt Prag zum beliebtesten Reiseziel junger DDR-Bürger. Zu Hunderttausenden reisten sie in das Nachbarland, angezogen vom Versuch, dem Sozialismus "ein menschliches Antlitz" zu geben.

Im Frühjahr und Sommer 1968 entwickelte sich die tschechische Hauptstadt Prag zum beliebtesten Reiseziel junger DDR-Bürger. Zu Hunderttausenden reisten sie in das Nachbarland, angezogen von einem Hauch von Freiheit, der in diesen Monaten durch die ČSSR wehte - versuchten die tschechoslowakischen Reformkommunisten unter Alexander Dubček doch nichts Geringeres, als dem "Sozialismus ein menschliches Antlitz" zu geben. Alle Welt schaute damals gebannt nach Prag.

Rockkonzerte, Schallplatten und westliche Zeitungen

Doch die Moldaumetropole war in diesen wunderbar leichten Monaten der Revolte für die Jugendlichen aus der DDR noch aus anderen Gründen höchst attraktiv: es fanden Rockkonzerte statt, in den Läden gab es Schallplatten der Rolling Stones, der Doors und der Beatles, amerikanische Filme liefen in den Kinos und an den Zeitungskiosken lagen westliche Zeitungen und Zeitschriften aus.

Auf die hohen Reisezahlen reagierte die SED mit der Einstellung der Werbung für ČSSR-Reisen und verbot ferner die Einfuhr von Presseerzeugnissen, insbesondere der "Prager Volkszeitung". Aber es nützte alles nichts. Die Besucherzahlen stiegen weiter an: Allein im Juni reisten 244.000 DDR-Bürger in die ČSSR, wie die Zollverwaltung der DDR registriert.

Illegale Treffen, Beatkonzerte und verbotene Schriften

An der Grenze in Zinnwald hatte der Zoll der DDR im Sommer 1968 nicht nur mit der hohen Anzahl von Reisenden alle Hände voll zu tun. Ein Bericht des Leiters der Zollverwaltung an die "Abteilung Sicherheit im ZK der SED" weist vor allem darauf hin, dass es in Prag zunehmend zu Treffen zwischen Studenten aus der DDR und der BRD kommt, dass DDR-Bürger an Beatkonzerten teilnehmen und versuchen, Bücher und Zeitschriften mit konterrevolutionärem Inhalt in die DDR zu schmuggeln.

Der Ton verschärft sich

Doch die Zollverwaltung musste auch bemerken, dass sich der Ton gegenüber der Staatsmacht verändert hatte. Ein Jugendlicher, vermerkte der Leiter der Zollverwaltung in seinem Bericht schockiert, erklärte bei der Beschlagnahmung von Zeitschriften und Büchern: "Was kann man denn in der DDR überhaupt für Zeitungen lesen? Bei uns ist wohl nur das 'Neue Deutschland' erwünscht? Aber das 'ND' nehmen wir nur zum Arsch abwischen!" Ein anderer äußerte: "Wo gibt's denn so was - mir mein Eigentum wegzunehmen!? Das gibt es doch nur in diesem Scheißstaat!"

Der Traum war ausgeträumt

Die Staaten des "Warschauer Vertrages" drängten im Sommer 1968 auf eine schnelle Beendigung der "konterrevolutionären Umtriebe" in der ČSSR. SED-Chef Walter Ulbricht wollte sogar selbst Truppen der "Nationalen Volksarmee" nach Prag schicken. Doch in Moskau wurde sein Angebot mit dem Hinweis auf den Einmarsch der Wehrmacht verworfen - ein erneuter Einmarsch deutscher Truppen könnte in Prag möglicherweise missverstanden werden, hieß es. Am 21. August 1968 marschierten dann Verbände der Warschauer Vertragsstaaten in der CSSR ein. Der "Prager Frühling" wurde gewaltsam beendet und der schöne Traum von einem "Sozialismus mit menschlichem Antlitz" war ausgeträumt.

(Zitate aus: http://www.jugendopposition.de)