Prag in Farbe
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Der Prager Frühling und die DDR

17. August 2018, 15:55 Uhr

"Es lebe die Tschechoslowakei, es lebe die Freiheit, es lebe die Freundschaft." - Nach diesem letzten Satz des Radiosprechers endete nicht nur im Tschechoslowakischen Radio eine Ära von bis dahin unglaublicher Freiheit in Medien, Politik und Gesellschaft. In der Nacht vom 20. auf den 21. August überschreiten Armeen des Warschauer Pakts die Grenzen und zerstören die Hoffnung von Millionen Menschen in Ost und West auf einen "Sozialismus mit menschlichem Antlitz".

Ende Juni 1968 hat der Film "Heißer Sommer" Premiere. Ein Musical um zwei Jugendgruppen im Urlaub. Sommer, Sonne, unbeschwerte Freiheit im Rahmen der verknöcherten DDR-Ordnung. Doch schon der Frühling verheißt mehr. In der benachbarten Tschechoslowakei verkündete die kommunistische Partei neue, bis dahin unbekannte Freiheiten. Besonders junge Menschen in der DDR fühlen sich von dem frischen Wind angezogen. Sie hoffen, dass auch die DDR vom "Prager Frühling" angesteckt wird.

Der Sommer 1968 - Ein Hauch von Freiheit

Der Schüler Toni Krahl bereist schon im Frühjahr die tschechoslowakische Hauptstadt. Der spätere Rockstar ist begeistert von der lockeren Atmosphäre, von der Buntheit und den offenen politischen Diskussionen. Unter diesen Vorzeichen glaubt er, dass der Sozialismus sogar Spaß machen kann. Auch für Florian, den Sohn des Dissidenten Robert Havemann, ist das Jahr 1968 aufregend. Ihn inspiriert die Musik, das Ausprobieren neuer Lebensformen - Ideen, die jetzt nicht mehr allein aus dem Westen kommen.

Widerstand des Ostblocks

Die ganze Welt scheint im Umbruch - gesellschaftlich und kulturell. Doch der Widerstand gegen die ansteckende politische Veränderung in Prag formiert sich in den kommunistischen Staaten zunächst im Verborgenen. Schon im Juli verschanzen sich Soldaten der NVA in den Grenzwäldern zur Tschechoslowakei - bereit zum Einmarsch in das Nachbarland. Reinhard Bohse ist einer dieser Soldaten. Er hat ein Radio versteckt. Damit hört er heimlich West-Sender und "Radio Prag", das in deutscher Sprache über den "Prager Frühling" berichtet. Als in der Nacht vom 20. zum 21. August 300.000 Soldaten des Warschauer Paktes die Tschechoslowakei besetzten, sind die Soldaten der NVA jedoch nicht dabei.

Prostest gegen den Einmarsch

In West und Ost solidarisieren sich viele Menschen mit tschechischen Bürgern. Sie gehen auf die Straßen, demonstrieren vor den Botschaften der Warschauer Pakt-Staaten. Schweigend demonstriert auch Toni Krahl mit Freunden vor der sowjetischen Botschaft in Berlin gegen die gewaltsame Besetzung des Nachbarlandes. Doch nach wenigen Minuten werden die friedlichen Demonstranten verhaftet. Florian Havemann hängt zum Protest eine tschechoslowakische Fahne aus dem Fenster und schreibt Flugblätter gegen die Okkupanten. Auch er kommt, wie viele andere in der DDR, in Untersuchungshaft. Die DDR-Machthaber ersticken den Protest im Keim. Es herrscht wieder Ruhe im Land. Der Prager Frühling wird zerschlagen. Nicht nur in der Tschechoslowakei ist damit die Hoffnung auf einen menschlichen Sozialismus für lange Zeit gestorben.

Über dieses Thema berichtete MDR Aktuell auch im: TV | 07.03.2018 | 19:30 Uhr