Walter Ulbricht
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Walter Ulbricht: Der Mann, mit dem niemand rechnete

22. Juni 2011, 14:57 Uhr

Als der Spitzbart mit der sächsischen Fistelstimme oder Moskaus höriger Despot wird er heute gerne aus den Archiven gezogen. Den Versuch zum Psychogramm unternimmt dieser Film in der MDR-Reihe zur "Geschichte Mitteldeutschlands".

1945 – Walter Ulbricht kehrt aus dem Moskauer Exil nach Deutschland zurück. An der Spitze eines kommunistischen Aufbautrupps, der "Gruppe Ulbricht", und der KPD. Wie gelangte der geborene Leipziger, ein Mann, der lange Zeit lediglich in der zweiten Parteireihe als pedantischer Organisator und Distributeur agierte, ganz nach oben? Richtig vorgesehen jedenfalls war er dafür nicht.

Die meisten Leute sind heute noch vollauf damit beschäftigt, sich zu wundern, dass gerade ein Ulbricht der erfolgreichste deutsche Politiker nach Bismarck und neben Adenauer werden konnte. Und man muss zugeben, es ist nicht ganz leicht zu erklären.

(Sebastian Haffner, 1966)

Der Zweck heiligt die Mittel

Machtgier und Opportunismus, Intrigen und offene Rachsucht werden ihm nachgesagt. Für ihn heiligt der Zweck die Mittel. So billigt er ausdrücklich die Bülowplatz-Morde von 1931. Ohne Bedenken liefert er seine Gegner und Rivalen bewusst an die Mühlen der stalinistischen "Säuberung" aus.

Ulbricht selbst hat Glück. Stalin ist ihm wohl gesonnen. Doch retten ihn auch seine stets aktuellen Informationen über die Vorgänge in Moskau sowie sein Riecher für zeitgenaue Kehrtwenden in politischen Fragen.

Der Fall Thälmann

So vermeidet er es tunlichst, zugunsten der Freilassung des mittlerweile in Ungnade gefallenen Ernst Thälmann bei Stalin zu intervenieren. Trägt Ulbricht sogar, wie ihm vorgeworfen wird, Schuld an Thälmanns Tod, um freie Bahn an der Spitze der KPD zu haben? Einst ein Kamerad und zugleich Spross auf seiner Karriereleiter, hat Thälmann für Ulbricht auf jeden Fall ausgedient. 1944 wird die Symbolfigur der deutschen Kommunisten von den Nazis ermordet.

Die frühen Kapitel der Biografie

Um herauszufinden, wie Ulbricht wurde, was er war - ein Tischler, Bürokrat, Schreibtischtäter und Staatschef - konzentriert sich der Film auf die frühen Kapitel seiner Biografie, die in anderen Dokumentationen nur wenig Beachtung fanden.

So setzt die Handlung der Spielszenen 1918/1919 ein, sie konzentriert sich auf die 20er- und 30er-Jahre und reicht bis in die frühen 60er-Jahre.

Die Wahrheit ist doch die: Die DDR wird bis 1961 auf allen wichtigen Gebieten der Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln und Konsumgütern Westdeutschland einholen und zum Teil übertreffen.

(Walter Ulbricht, 1959) Später als Parole "Überholen ohne einzuholen" gebräuchlich

Buch und Regie: André Meier
Kamera: André Böhm
Länge: 45 min.
Erstsendung: 26.11.2007 | 20:15 Uhr