Albrecht Bohne, gelernter EDV-Spezialist und heute Renter, sitzt im DDR-Rechner-Museum an der Fachhochschule in Brandenburg an einem Computer.
Bildrechte: picture-alliance/ ZB | Nestor Bachmann

Kleincomputer in der DDR

11. Juni 2020, 17:14 Uhr

Im Osten waren die DDR und Robotron die Meister der elektronischen Rechentechnik. Die DDR-Führung forcierte ab den 1950er-Jahren die Entwicklung der Elektrotechnik und später der Mikroelektronik. Doch auch auf diesem Gebiet reichten die Ressourcen nicht aus, um den Bedarf in der Bevölkerung zu decken. Ebenfalls typisch, die Teil-Lösung: ein Kleincomputer-Bausatz für Bastler und Tüftler.

1977 gilt als Geburtsjahr des Heimcomputers, des Vorläufers der heutigen PCs. Commodore stand damals kurz vor der Pleite und stellte die Produktion kurzerhand von Taschenrechnern auf den Kleimcomputer PET 2001 (Personal Elektronic Transactor) um. Auch Apple und Radioshack warfen in diesem Jahr ihre Modelle auf den Markt.

Seinen richtigen Durchbruch erlebte Commodore allerdings erst 1982 mit dem C64. Mit 22 Millionen verkauften Exemplaren war er der erfolgreichste Heimcomputer aller Zeiten. Aufgrund seines günstigen Preises ließ er die Konkurrenten Apple und IBM hinter sich. Fünf Jahre später wurde der C64 in der Februar-Ausgabe der DDR-Zeitschrift "Funkamateur", für mehr als 6.000 DDR-Mark angeboten. Aber nicht nur deswegen waren Computer für den Privatgebrauch zu Hause in der DDR schwer zu bekommen.

Von Hochtechnologie des Westens abgeschnitten

Seit 1949 galt das von den USA initiierte CoCom-Embargo. Es verbot den Import von Hochtechnologie in die sozialistischen Länder. Gerade bei Mikroprozessoren, dem Herzstück der Computer, war das für die sozialistischen Länder schmerzhaft. Die DDR war auf Eigenentwicklungen angewiesen. Und auf Beschaffung der technologischen Vorbilder mit konspirativen Methoden. 1971 brachte die amerikanische Firma Intel den ersten Mikroprozessor der Welt auf den Markt. Er war Voraussetzung für die Miniaturisierung von Computern: 2.300 Transistoren waren auf einem einzigen Chip untergebracht.

Abgekupfert von Intel, hatte die DDR sechs Jahre später dann auch ihren ersten eigenen Prozessor. Der in Nachfolge konstruierte Prozessor U880 wurde in allen DDR-Rechnern der 1980er-Jahre bis zu ihrem Ende verbaut. Er war eine fast identische Kopie des 8-Bit-Prozessors Z80 der US-amerikanischen Firma Zilog.

Commodore C64 in einer Vitrine mit Datasette und Disketttenlaufwerk.
Legendär: der C64 von Commodore Bildrechte: IMAGO / Michael Eichhammer

Die KC-Reihe - der Kleincomputer der DDR

Das Pendant für den C64 in der DDR war der KC85. KC stand für Kleincomputer. Der Bildschirm war ein Fernseher, sein Speichermedium klassische Magnetbandkassetten. Um Daten zu finden, musste man spulen. Er wurde 1985 vom VEB Mikroelektronik in Mühlhausen gebaut und kostete 4.300 Mark. Aufgrund dieses stolzen Preises und geringer Stückzahlen schaffte er es kaum in Privathaushalte. Vorrang hatten Industrie und Militär, aber auch Betriebe wurden für die Lehrausbildung damit ausgestattet.

Und die KC85 gingen auch in die Volksbildung: Im Unterricht und in Computer-AGs konnten Schüler damit arbeiten. So hatten dann doch viele Jugendliche über die Schule Zugang zu diesen Kleincomputern. Aber einfach rumdaddeln war nicht in der DDR:

Also bevor wir da erst einmal überhaupt an den Rechner ran konnten, haben wir 10 Monate Theorie gebüffelt und BASIC programmiert und alles so'n Zeugs. Und da ging das dann auch los, dass die ersten Spiele programmiert wurden, so dann halt als Freizeitprojekte.

Andre Weißflog Jens Schröder: "Auferstanden aus Platinen"

So beschreibt Andre Weißflog seine ersten Erfahrungen als Schüler im Computerclub in Schwarzenberg. Jens Schröder, der ihn für sein Buch "Auferstanden aus Platinen"  interviewt hat, schreibt weiter: "So wurden aus technik,- und spielefaszinierten Jugendlichen qualifizierte Programmierer, die sich regelmäßig trafen und mit BASIC ihre ersten Programme schrieben."

Computerspiele? Selbstprogrammiert!

Die KC-Reihe - es folgten weitere Modelle bis zum KC85/4 - war vom Prinzip her gut gearbeitet und durchdacht. Das fing bei einem ausbaufähigen Modulsystem an und ging bis zu passablen Grafik- und Soundleistungen. Weil es aber keine Software gab, begannen die jungen Programmierer, selbst Spiele zu entwickeln.

Und da war es auch eine Selbstverständlichkeit, das weiter zu geben. Also ... es ist erstaunlich, ohne Internet und ohne Mailboxen hat man trotzdem innerhalb von einer Woche … die neuesten Spiele gekriegt. Das ging dann per Post – also Kassetten verschicken oder so was ...

Andre Weißflog Jens Schröder: "Auferstanden aus Platinen"

Der VEB Mühlhausen veröffentlichte später Spielesammlungen, aber das war schon kurz vor der Wende.

Digitale Rechenmaschinen nur für Betriebe

In der DDR kamen viele digitale Rechenmaschinen zum Einsatz: von den Buchungsmaschinen der 70er-Jahre (die oft als kompletter Büroarbeitsplatz mit Tisch ausgeliefert wurde) über Computer mit Sparkassen,- Post,- und Reichsbahn-Anwendungen bis zu CAD-Rechnern und den 16-Bit-Modellen zum Ende der 80er. Sie wurden nicht nur im oft überforderten VEB Robotron produziert, sondern im Rahmen der "Rationalisierungsmittelherstellung" auch von vielen anderen Betrieben. Aber alle waren nur für den Einsatz in Betrieben bestimmt, meist in kleineren Stückzahlen hergestellt und für ihre Zwecke von den Mitarbeitern vor Ort angepasst.

Geschichte

Computer von Robotron

In der DDR wurden für damalige Verhältnisse hochwertige Bürocomputer entwickelt. "Robotron" hieß das Kombinat, das diese Rechner produzierte.

Der A5120 ist ein imposantes Stück Rechentechnik aus den 80er Jahren. Er wiegt etliche Kilo und das erste, was man für ihn braucht, ist ein stabiler Tisch und eine stabile Stromversorgung. Den A 5120 konnten nur Betriebe und Institutionen erwerben und er hatte einen stolzen Preis: zwischen 60.000 bis 80.000 Mark kostete er.
Robotron A 5120 (BC 5120) Der A5120 ist ein imposantes Stück Rechentechnik aus den 80er Jahren. Er wiegt etliche Kilo und das erste, was man für ihn braucht, ist ein stabiler Tisch und eine stabile Stromversorgung. Den A 5120 konnten nur Betriebe und Institutionen erwerben und er hatte einen stolzen Preis: zwischen 60.000 bis 80.000 Mark kostete er. Bildrechte: Computermuseum efb-1.de
Der A5120 ist ein imposantes Stück Rechentechnik aus den 80er Jahren. Er wiegt etliche Kilo und das erste, was man für ihn braucht, ist ein stabiler Tisch und eine stabile Stromversorgung. Den A 5120 konnten nur Betriebe und Institutionen erwerben und er hatte einen stolzen Preis: zwischen 60.000 bis 80.000 Mark kostete er.
Robotron A 5120 (BC 5120) Der A5120 ist ein imposantes Stück Rechentechnik aus den 80er Jahren. Er wiegt etliche Kilo und das erste, was man für ihn braucht, ist ein stabiler Tisch und eine stabile Stromversorgung. Den A 5120 konnten nur Betriebe und Institutionen erwerben und er hatte einen stolzen Preis: zwischen 60.000 bis 80.000 Mark kostete er. Bildrechte: Computermuseum efb-1.de
Der Name sagt es: Der Rechner war vor allem im Bildungswesen der DDR, also in Schulen und Hochschulen, im Einsatz.
Robotron A 5105 / BIC (Bildungscomputer) Der Name sagt es: Der Rechner war vor allem im Bildungswesen der DDR, also in Schulen und Hochschulen, im Einsatz. Bildrechte: Computermuseum efb-1.de
Der "Kleincomputer" 87 ist ein Homecomputer aus dem Jahr 1987, der hauptsächlich in Computerkabinetten von Schulen zu finden war. Angeschlossen wurde er an den russischen Fernseher mit Namen "Junost".
Robotron KC 85/2 85/4 Der "Kleincomputer" 87 ist ein Homecomputer aus dem Jahr 1987, der hauptsächlich in Computerkabinetten von Schulen zu finden war. Angeschlossen wurde er an den russischen Fernseher mit Namen "Junost". (Über dieses Thema berichtete der MDR auch im TV: MDR um 2 | 03.02.2017 | 14:00 Uhr) Bildrechte: Computermuseum efb-1.de
Dieser Drucker - ein professioneller Typenraddrucker - ist wie die meisten Robotron-Geräte für die Ewigkeit gebaut: gusseisernes Gehäuse, unverwüstliche Mechanik. Das Ganze wiegt dann soviel wie ein Sack Zement, nämlich 25 kg.
Drucker SD 1152 Model 257 Dieser Drucker - ein professioneller Typenraddrucker - ist wie die meisten Robotron-Geräte für die Ewigkeit gebaut: gusseisernes Gehäuse, unverwüstliche Mechanik. Das Ganze wiegt dann soviel wie ein Sack Zement, nämlich 25 kg. Bildrechte: Computermuseum efb-1.de
Ursprünglich lediglich als Terminal vorgesehen, wurden diese Geräte auch als vollständiger PC betrieben.
Robotron K 8915 Ursprünglich lediglich als Terminal vorgesehen, wurden diese Geräte auch als vollständiger PC betrieben. Bildrechte: Computermuseum efb-1.de
Der K 8924 ist ein 8-bit Rechner, der unter anderem in Banken, bei der Post und der Deutschen Reichsbahn zum Einsatz kam.
Robotron K 8924 Der K 8924 ist ein 8-bit Rechner, der unter anderem in Banken, bei der Post und der Deutschen Reichsbahn zum Einsatz kam. Bildrechte: Computermuseum efb-1.de
Der A 7100 ist der erste 16-bit Arbeitsplatzcomputer der DDR. Gebaut wurde er 1987. Er war mit einem 8086 Prozessor und zwei 5 1/4 Zoll Diskettenlaufwerken ausgerüstet, eine Festplatte gab es aber erst beim Nachfolgemodell A 7150 (CM1910). Der Rechner ist grafikfähig.
Robotron A 7100 Der A 7100 ist der erste 16-bit Arbeitsplatzcomputer der DDR. Gebaut wurde er 1987. Er war mit einem 8086 Prozessor und zwei 5 1/4 Zoll Diskettenlaufwerken ausgerüstet, eine Festplatte gab es aber erst beim Nachfolgemodell A 7150 (CM1910). Der Rechner ist grafikfähig. Bildrechte: Computermuseum efb-1.de
Der CM 1910 aus dem Jahr 1989 ist einer der leistungsfähigsten DDR-Computer überhaupt gewesen. Im Gegensatz zu seinem sehr ähnlichen Vorgänger A7100 konnte er mit einer Festplatte ausgerüstet werden, hatte eine erweiterte Grafikansteuerung und war in der Lage, neben CP/M auch MS-DOS als Betriebssystem zu nutzen. Das gute Stück ist stabil verarbeitet und wiegt um die 25 kg. Eine Besonderheit des CM 1910 war eine optoelektronische Lüfterüberwachung, welche die Netzteile bei einem Defekt automatisch abschaltete.
Robotron CM 1910 (A 7150) Der CM 1910 aus dem Jahr 1989 ist einer der leistungsfähigsten DDR-Computer überhaupt gewesen. Im Gegensatz zu seinem sehr ähnlichen Vorgänger A7100 konnte er mit einer Festplatte ausgerüstet werden, hatte eine erweiterte Grafikansteuerung und war in der Lage, neben CP/M auch MS-DOS als Betriebssystem zu nutzen. Das gute Stück ist stabil verarbeitet und wiegt um die 25 kg. Eine Besonderheit des CM 1910 war eine optoelektronische Lüfterüberwachung, welche die Netzteile bei einem Defekt automatisch abschaltete. Bildrechte: Computermuseum efb-1.de
Die KC Reihe 85/2 bis 85/4 waren die eigentlichen Homecomputer der DDR und ausgesprochen begehrt. Als Bildschirm wurde meist ein Schwarzweiss-Fernsehgerät benutzt ("Junost" oder "Robotron").
Robotron KC 87 Die KC Reihe 85/2 bis 85/4 waren die eigentlichen Homecomputer der DDR und ausgesprochen begehrt. Als Bildschirm wurde meist ein Schwarzweiss-Fernsehgerät benutzt ("Junost" oder "Robotron"). Bildrechte: Computermuseum efb-1.de
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PC1715 - der Standardcomputer der DDR

Der PC1715 war dann der erste Computer, der tatsächlich in größerer Anzahl hergestellt und zum Standardcomputer der DDR wurde.

20.000 Stück verließen ab 1985 jedes Jahr die Robotron-Produktionsstätte Sömmerda in Thüringen. In attraktivem Braun und Weiß. Er hieß PC, wurde aber auch nur in Industrie und Verwaltung für die Büroarbeit eingesetzt. Klar, bei einem Preis von anfänglich 19.047 DDR-Mark. Der PC1715 hatte keine Festplatte, dafür zwei Diskettenlaufwerke. Disketten waren allerdings noch so teuer, dass einem Betrieb nur wenige Exemplare als Speichermedium zur Verfügung standen. Ende 1991 lief in Sömmerda der letzte PC vom Band, genannt "soemtrom286". Als Zeichen der Trauer hatte er ein schwarzes Gehäuse.

Bausatz schließt Versorgungslücke für Privatanwender

Da all diese Computer den Privatanwendern vorenthalten blieben, wurde im VEB Robotron der Z1013 entwickelt. Er war mit 650 DDR-Mark eher bezahlbar, musste allerdings vorbestellt werden. Was dann nach einigen Monaten Wartezeit im Laden abgeholt werden konnte, war ein "Mikrorechnerbausatz", ein Computer zum Zusammenbauen - und dementsprechend nur für Hobbybastler geeignet. Von 1985 bis Mitte 1990 wurden dennoch etwa 25.000 dieser Bausätze ausgeliefert.

Bis zur Wende gab es in den Büros der DDR etwa 50.000 PC-Arbeitsplätze. Über die PCs in häuslicher Umgebung ist dagegen wenig bekannt. Wenn, dann war es wohl der Z1013 oder ein zollfrei in die DDR eigeführter C64. Im Gebiet des RGW (Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe) jedenfalls waren die DDR und Robotron die Meister der elektronischen Rechentechnik. Selbst Experten aus dem Westen bescheinigten den DDR-Ingenieuren einen hohen Standard. Und mechanisch waren DDR-Computer für die Ewigkeit gebaut. Noch heute laufen die KC-Serien, der Z1013 oder der PC1715 bei Liebhabern.

Buchtipp Jens Schröder: Auferstanden aus Platinen. Verlag ibidem, 2010.

Über dieses Thema berichtete der MDR auch im TV: MDR um 2 | 03.02.2017 | 14:00 Uhr