Architektur der DDR Das City-Hochhaus in Leipzig
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03. September 2018, 14:27 Uhr
Das City-Hochhaus in Leipzig hat nicht nur viele Etagen, sondern auch viele Namen. "Weisheitszahn", "Uni-Riese" oder "Zipfelmütze" sind die wohl bekanntesten. Als der architektonische "Riese" in der Leipziger Innenstadt am 31. August 1973 offiziell eingeweiht wurde, war er nicht nur das höchste Hochhaus Deutschlands. Das City-Hochhaus galt auch als Meisterwerk des Sozialismus.
Die Geschichte des Leipziger City-Hochhauses lässt sich kaum ohne die Geschichte der Paulinerkirche erzählen. "Das Ding muss weg!" soll SED-Chef Walter Ulbricht beim Anblick der Paulinerkirche geäußert haben. Denn als Leitlinie für die sozialistische Stadtplanung in der DDR galten seit 1950 die "16 Grundsätze des Städtebaus" nach sowjetischem Vorbild. Kirchen waren darin nicht vorgesehen. Am 30. Mai 1968 wurde die Paulinerkirche gesprengt. Für viele Leipziger ein damals dramatisches Erlebnis. Die Kirche war eines der wenigen Gebäude, das einem Bombenangriff 1943 standgehalten hatte.
Funktionale Bauweise nach sozialistischem Vorbild
Während die Trümmer der gesprengten Kirche weggekarrt wurden, begannen im selben Jahr nur wenige Meter daneben die Bauarbeiten für das neue Wahrzeichen Leipzigs. Und schon am 4. Oktober 1968 wurde der Grundstein für das City-Hochhaus gelegt. Von Anfang an war das neue Gebäude für die Alma Mater Lipsiensis gedacht. Das alte Universitätsgebäude war den Bomben des Zweiten Weltkrieges zum Opfer gefallen und vollkommen ausgebrannt. Das Gebäude nach sowjetischem Gusto sollte funktional sein. Durch seine moderne industrielle Bauweise passte das Hochhaus in die neue Stadtplanung. Im Zuge der Neugestaltung des Universitätscampus am damaligen Karl-Marx-Platz - dem heutigen Augustusplatz – kam dem Architekten Hermann Henselmann die Idee für den Uni-Riesen.
Der "Weisheitszahn" ist 142 Meter hoch
Der Architekt ist und war kein Unbekannter. Für Berlin hat er Gebäude der Stalinallee und den Fernsehturm entworfen. Auch mit dem Leipziger Turm wollte Henselmann hoch hinaus – was ihm auch gelang. Nicht nur Höhe und Form, sondern auch die Bauweise waren etwas Besonderes. Der Turm wurde nach und nach in Beton gegossen. Die sogenannte Gleitbautechnik wurde bis dato nur für den Bau von Schornsteinen angewendet. Nahezu jede Woche wurde eine neue Etage fertiggestellt: Insgesamt 31 Etagen, wovon 22 für die Universität genutzt wurden. Am 3. September 1971 wurde das Haupthaus der Universität eingeweiht. Zwei Jahre später, am 31. August 1973, dann der Uni-Riese. Im Volksmund wird der 142 Meter lange Turm aufgrund seiner Silhouette schnell "Weisheitszahn" genannt. Bis heute hat sich der Spitzname gehalten.
20 Minuten im Fahrstuhl bis aufs Dach
Heute hat der "Uni-Riese" acht Fahrstühle, die die Besucher in nur 30 Sekunden von der ersten bis in die 29. Etage bringen. Doch das war nicht immer so. Als Provisorium gab es in den Anfangstagen einen Käfig aus Stahl, der an der Außenwand entlang fuhr. Später dann gab es auch innen Fahrstühle, die aber um einiges langsamer waren als heute. An manchen Tagen dauerte eine Fahrt nach oben bis zu 20 Minuten. Denn auf jeder Etage stieg jemand ein oder aus. Nicht nur die langsamen Fahrten, sondern auch die nicht zu öffnenden Fenster machten den Weisheitszahn einigermaßen unbeliebt. Und nicht nur das: Vielen Leipzigern ist der Standort ein Dorn im Auge. Wo einst die Paulinerkirche stand, trohnte nun der sozialistische Turm über Leipzig.
Sekt oder Selters: Panorama-Restaurant war Besuchermagnet
So verteufelt der Turm auch war, ein Gutes hatte er: das Restaurant. In der 27. und 28. Etage konnte man im roten, grünen oder goldenen Salon speisen. Für das körperliche und seelische Wohl wurde ausreichend gesorgt. Sonderveranstaltungen lockten nicht nur Leipziger, sondern auch Besucher aus anderen Regionen in das Panorama-Restaurant. Besonders zu Messezeiten genossen hier westdeutsche Besucher Ausblick und Ausschank. Hin und wieder fanden Moulin-Rouge-Abende statt, wo barbusige Frauen auf der Bühne tanzten. Mit dem Zoo Leipzig gab es eine "Kooperation hinter vorgehaltener Hand". Zoodirektor und Restaurantchef hatten vereinbart, dass ab und an zum Amüsement der Gäste Tiere im Restaurant vorgeführt werden sollten. Der ehemalige Zoomitarbeiter Freddy Kuschel erinnert sich, dass einmal ein Krokodil mit nach oben genommen werden sollte - was aber nicht funktionierte.
Millionenschwere Sanierung nach der Wende
Nach der Wende wurde das Gebäude dem Freistaat Sachsen übereignet. Dieser wollte den Riesen verkaufen. Doch die Universität wollte ihren Turm behalten. Die Sanierungskosten betrugen jedoch mehrere Millionen D-Mark. Daher zog die Universität im Mai 1998 aus dem Gebäude aus. In den Jahren 1999 bis 2002 wurde das City-Hochhaus komplett saniert, wobei auch die Fassade erneuert wurde und Fenster eingebaut wurden, die zu öffnen sind. Seit 2006 mieteten sich verschiedene Unternehmen in die Büroräume des Hochhauses ein.
Über dieses Thema berichtete MDR Aktuell auch im TV: 06.03.2017 | 19:30 Uhr