Adolf Hitler (2.v.r.) und der Reichsstadthalter von Leipzig, Martin Mutschmann (r), während eines Aufmarsches der SA (Sturmabteilung) im Jahr 1933.
Adolf Hitler (2.v.r.) und Reichsstatthalter Martin Mutschmann (r) während eines Aufmarsches der SA (Sturmabteilung) im Jahr 1933 in Leipzig Bildrechte: picture-alliance / dpa | dpa dena

Am 9. März 1879 geboren Der braune Fürst von Sachsen: Gauleiter Martin Mutschmann

01. April 2021, 16:09 Uhr

Wer war der braune Fürst von Sachsen? Martin Mutschmann hat die in Karriereleiter der NSDAP bis zum sächsischen Gauleiter erklommen. Dabei war er alles andere als eine schillernde Persönlichkeit - dafür aber eine machtbesessene. Josef Goebbels sagte einst über ihn, dass er "keine Götterlein neben sich" dulde. Der sächsische Gauleiter war im Freistaat alles andere als beliebt.

Martin Mutschmann kam am 9. März 1879 im preußischen Hirschberg an der Saale zur Welt. 1886 zog der Siebenjährige mit seiner Familie ins sächsische Plauen. Der Heranwachsende absolvierte von 1894 bis 1896 eine kaufmännische Lehre und besuchte die Handelsschule. Mit seiner Ausbildung schlug er einen für die Gegend typischen Berufsweg ein. Ab 1896 war Mutschmann in verschiedenen Spitzen- und Wäschefabriken in Plauen, Herford und Köln angestellt. Nach seinem Militärdienst von 1901 bis 1903 gründete Martin Mutschmann 1907 eine eigene Spitzenfabrik in Plauen. Der Betrieb des begeisterten Unternehmers hatte beachtlichen, wenn auch keinen spektakulären Erfolg.

Gedankengut eines Rassisten: Wer war Martin Mutschmann?

1914 zum Kriegsdienst eingezogen, war er Soldat und Gefreiter an der Westfront, wurde aber 1916 wegen Krankheit vor Ende des Krieges entlassen. Der Beitritt in den "Deutschvölkischen Schutz- und Trutzbund" 1919 war Ausdruck seiner völkisch-nationalen Gesinnung. Im April 1922 fand Mutschmann jedoch seine völkisch-nationalen Vorstellungen in dem Gedankengut der jungen NSDAP wieder und trat der Partei bei. Damit gehörte er zu den Gründungsmitgliedern der Ortsgruppe der NSDAP in Plauen.

Blasse Persönlichkeit - und Hitlers Günstling

Nachdem die sächsische Landesregierung der NSDAP ein Versammlungsverbot erteilt hatte, schlossen sich deren Anhänger in Sachsen zum "völkisch-sozialen Block" zusammen. Bei der Neugründung der NSDAP im Februar 1925 betraute man Martin Mutschmann mit der Neuorganisation. Nun stieg sein Einfluss innerhalb der Partei stetig. Zwar war Mutschmann keine charismatische Persönlichkeit, aber er stand vor allem als Kapitalgeber der jungen NSDAP von Anfang an in der Gunst Hitlers. Da gerade in der Neugründungsphase die Entwicklung der Partei stark an dem personellen Engagement Einzelner hing, konnte sich Mutschmann durch seine frühe Präsenz in der NSDAP eine gute Position innerhalb der Parteihierarchie verschaffen. Auch seine finanziellen Mittel und seine Kontakte zu kapitalkräftigen Unternehmern förderten seine Karriere.

Vom Unternehmer zum Gauleiter

Das bis dahin florierende Unternehmen Mutschmanns bekam die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise 1929 zu spüren, sodass er es 1931 aufgab. Er widmete sich nun ganz seiner Aufgabe als Gauleiter und versuchte verstärkt, finanzkräftige Unternehmer als Geldgeber für die NSDAP zu gewinnen.

Bei innerparteilichen Kämpfen spielte Mutschmann eine ambivalente Rolle. Letztendlich stand er aber immer auf der Seite Hitlers. Die NSDAP hatte das Deutsche Reich organisatorisch in Gaue eingeteilt. Mutschmann war von 1925 an über zwanzig Jahre hinweg Gauleiter in Sachsen. Ab 1930 saß er für seine Partei im Reichstag, allerdings zeigte er auf Reichsebene kein besonderes Engagement, seine politischen Aktivitäten blieben auf Sachsen konzentriert.

Goebbels: Mutschmann duldet keine "Götterlein neben sich"

Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten war Mutschmann Reichsstatthalter für Sachsen und somit an der Ausübung staatlicher Macht beteiligt. Allerdings konnte diese Stellung seine absoluten Machtansprüche nicht befriedigen. Dass der SA-Obergruppenführer Manfred von Killinger Ministerpräsident Sachsens geworden war, war dem Gauleiter von Anfang an ein Dorn im Auge. Er bekämpfte den Rivalen, dessen Amt er als unnötige "Nebenregierung" empfand.

Der "Röhm-Putsch" und die Entmachtung der SA kamen Mutschmann zu Hilfe und am 28. Februar 1935 hatte Mutschmann sein Ziel erreicht: Er löste von Killinger als Ministerpräsident ab und wurde zum "Führer der sächsischen Landesregierung". Goebbels bemerkte zu den egozentrischen Allüren Mutschmanns, dieser dulde "keine Götterlein neben sich".

Mutschmann fördert "Volkskultur" - höhere Kultur ist Nebensache

Mutschmann konnte nicht verhindern, dass in der Öffentlichkeit Kritik an seiner Amtsführung laut wurde. Neben dem Verdacht, dass ihm seine Jagdleidenschaft wichtiger war als seine politischen Aufgaben, sah er sich mit dem Vorwurf konfrontiert, er sei nicht in der Lage, Partei und Landesregierung zu führen. Tatsächlich war "König Mu" - wie der Gauleiter vom Volksmund genannt wurde - passionierter Jäger und förderte als Landesjägermeister das Jagdwesen in Sachsen.

Mit der Gründung des Heimatwerks Sachsen 1936 unterstrich er seine Kulturpolitik. Er setzte sich für die sogenannte Volkskunst ein, bemühte sich also nicht nur um die Jagd als Symbol für "Heimat" und "Kultur", sondern auch um Erzgebirgische Schnitzereien und Volkslieder. Die höhere Kultur wurde demgegenüber von Mutschmann vernachlässigt. Weder die sächsische Staatsoper noch die zahlreichen Museen bildender Kunst wurden von Mutschmann gewürdigt, weil er Kultur mit Volkskultur gleichsetzte - und diese sächsische Kultur versuchte Mutschmann zu erhalten und zu verteidigen. Vehement wehrte er sich gegen Darstellungen, die die sächsische Mundart oder sächsische Eigenarten karrikierten.

Witze über "König Mu" statt Gehorsam

Während des Krieges versuchte Mutschmann, die Bevölkerung seines Gaues für den Krieg zu mobilisieren, was aber nur von wenig Erfolg gekrönt war, da Mutschmann aufgrund seines geringen Ansehens beim Volk kaum geeignet war, ein motivierendes Beispiel abzugeben. So war bekannt, dass sich der Gauleiter mehrere private Luftschutzräume gebaut, Schutzmaßnahmen für die allgemeine Bevölkerung aber vernachlässigt hatte. Die Stimmung gegen Mutschmann spiegelte sich in einer Scherzfrage wider, die 1943 in Dresden kursierte: "Warum sind wir noch nicht bombardiert worden? - Weil wir mit Mutschmann schon genug gestraft sind."

Mutschmanns ungeklärtes Ende

Am Vortag des 8. Mai 1945 setzte sich Mutschmann Richtung Westen ab. Am 16. Mai wurde er von Oberwiesenthaler Hilfspolizisten an der tschechischen Grenze aufgegriffen und ins russisch besetzte Annaberg gebracht. Wann Mutschmann starb oder hingerichtet wurde, ist bisher nicht geklärt. Nach neueren Erkenntnissen setzt sich die Vermutung durch, Mutschmann sei nach seiner Festnahme in die Sowjetunion verschleppt worden und 1950 im Moskauer Gefängnis "Lubjanka" gestorben.

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR Zeitreise | 24. Januar 2021 | 22:20 Uhr