Solidaritätszuschlag wird am 1. Juli 1991 im Bundestag beschlossen.
Bildrechte: imago images/Christian Ohde

Deshalb wurde der Solidaritätszuschlag wirklich eingeführt

16. Dezember 2021, 10:55 Uhr

"Der Soli" ist die wohl unbeliebsteste und umstrittenste Steuer in Deutschland. Denn die Abgabe wird oft mit dem Solidarpakt verwechselt, der für die Finanzierung des milliardenschweren Aufbaus der ostdeutschen Bundesländer nach der Wiedervereinigung eingeführt wurde. Die Geschichte des Solidaritätszuschlages beginnt jedoch tatsächlich mit dem Zweiten Golfkrieg im August 1990. Am 28. Juni 1991 tritt das Gesetz zur Einführung des Solidaritätzuschlags in Kraft.

Was ist der Soli?

Der Soli ist eine nicht zweckgebundene Steuer und kann daher beliebig verwendet werden. Er wird 1991, zunächst auf ein Jahr befristet, eingeführt. Vordergründig, um die Kosten für den Zweiten Golfkrieg zu refinanzieren. 1991 sind Einsätze der Bundeswehr außerhalb des NATO-Gebietes nicht erlaubt. Jedoch kritisieren die USA die Bundesrepublik wegen "unsolidarischem Verhalten", so dass sich Bundeskanzler Helmut Kohl genötigt sieht, wenigstens Geld statt Truppen zu schicken. Rund 17 Milliarden D-Mark (etwa 8,7 Milliarden Euro) steuert Deutschland schließlich bei.

Nicht einmal ein Jahr zuvor hatte sich Deutschland wiedervereinigt. Im Osten Deutschlands werden nach und nach Betriebe der Volkseigenen Produktion privatisiert oder geschlossen, es kommt zu massiven Entlassungen und hoher Arbeitslosigkeit. Als die Treuhand 1994 ihre Arbeit beendet, sind 2,5 Millionen Arbeitsplätze in Ostdeutschland vernichtet. Zusätzlich werden durch die Schließung der Kombinate und volkseigenen Betriebe die Produktionsstrukturen im früheren Ostblock zerstört. Bereits im März 1991 ist absehbar, dass die Bundesregierung mehrere Milliarden investieren muss, um einen wirtschaftlichen Zusammenbruch dieser Länder zu verhindern. Allerdings sind die finanziellen Belastungen hierfür nicht so hoch, wie die beigesteuerte Milliarden-Hilfe im Kuweit-Krieg.

Theo Waigel CSU
Finanzminister Theo Waigel (CSU) führte 1991 den Solidaritätszuschlag ein. 2019 forderte er öffentlich dessen Abschaffung. Bildrechte: imago/sepp spiegl

Um beides zu finanzieren, hat Theo Waigel, Finanzminister in der Kohl-Regierung, eine Idee und beginnt zu rechnen: Ein auf ein Jahr befristeter Solidaritätszuschlag würde bis Mitte 1992 etwa 22 Milliarden D-Mark einbringen. Am 14. Mai 1991 stimmt der Bundestag dafür und am 28. Juni tritt das Gesetz in Kraft.

Wie berechtnet sich der Soli?

Anfangs wird der Soli als 7,5-prozentiger Aufschlag auf die Lohn-, Einkommens-, Kapitalertrags- und Körperschaftsteuer erhoben. Mit der Wiedereinführung 1995 gilt der Solidaritätszuschlag grundsätzlich als unbefristet. Die finanzielle Lage hatte sich nicht verbessert, Allerdings senkt sich der Betrag von 7,5 auf 5,5 Prozent. Zahlen müssen den Soli gleichermaßen die Steuerzahler im Westen und im Osten, sobald sie mehr als 15.000 Euro Einkommen im Jahr versteuern müssen.

Fällig werden die 5,5 Prozent der Einkommensteuer auch auf Kapitalerträge wie Zinsen und Dividenden. Unternehmen müssen ebenfalls zahlen. Der Bund nahm 2019 nach Rechnung des Steuerzahlerbunds rund 19,4 Milliarden Euro über den Solidaritätszuschlag ein.

Was ist der Solidarpakt?

Der Solidaritätszuschlag wird oft mit dem Solidarpakt verwechselt. Denn Teile aus dem "Soli" fließen in den Solidarpakt. Aber nicht alles. Der Solidarpakt wird erst am 13. März 1993 eingeführt und ist eine Vereinbarung zwischen Bunderegierung und Bundsländern, um die nach der Wiedervereinigung entstandenen Kosten für den Aufbau Ost zu bewältigen. Der Solidarpakt I, der bis 2004 gilt, hat eine Gesamtlast von 160,7 Milliarden D-Mark. Nach Angaben der Bundeszentrale für Politische Bildung vereinbaren Bund und Länder, "dass ein Erblastentilgungsfonds eingerichtet wird, der die Schulden der Treuhandanstalt mit anderen einigungsbedingten Schulden übernimmt und nur durch den Bund verzinst und getilgt wird".

Da das Geld für den Aufbau Ost jedoch auch nach 2004 nicht reicht, wird der Solidarpakt II beschlossen, wo 156,6 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt werden. Nach Angaben der Bundesregierung dienen zwei Drittel der Gesamtsumme dem Ausgleich der schlechten Finanzkraft ostdeutscher Gemeinden. Weiter heißt es: "Die Beträge werden wie folgt verteilt: 26,1 Prozent gehen an Sachsen, 19 Prozent an Berlin, 15,7 Prozent an Sachsen-Anhalt, je 14,3 Prozent an Thüringen und Brandenburg und 15,7 Prozent an Mecklenburg-Vorpommern. Die übrigen 51,2 Milliarden Euro sollen über die Jahre verteilt aus dem Bundeshaushalt in die Wirtschaftsförderung fließen."

Wo geht das Geld hin?

Viele glauben, der "Soli" fließe in neue Straßen, Schwimmbäder und andere Projekte in den ostdeutschen Bundesländern. Doch das ist ein Mythos: Das Geld ist - wie alle Steuereinnahmen - nicht zweckgebunden, kann also auch für andere Dinge verwendet werden. Es geht als Einnahme in den Haushalt des Bundes ein. Die ostdeutschen Bundesländer bekommen zwar über den Solidarpakt noch bis Ende des Jahres 2021 Extra-Geld vom Bund. Verschiedene Berechnungen kommen aber zu dem Schluss, dass der Bund über den Soli mehr einnimmt, als er für die Folgen des Zweiten Golfkrieges und der Wiedervereinigung ausgibt.

Wer zahlt heute eigentlich noch Soli?

Den Solidaritätszuschlag zahlen nur noch rund zehn Prozent der Deutschen. Seit Januar 2021 gibt es erneut Änderungen. Für alle, die im Jahr weniger als 61.000 Euro versteuern müssen, fällt der Soli weg. Das entspricht je nach steuerlichen Abzugsmöglichkeiten etwa einem Bruttoeinkommen von etwa 70.000 Euro im Jahr. Ein Alleinstehender mit einem Bruttoeinkommen von 40.000 Euro im Jahr spart nach einer Rechnung der liberalen Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft rund 340 Euro. Bei 60.000 Euro sind es schon mehr als 680 Euro. Erst bei einem zu versteuernden Einkommen von mehr als 76.000 Euro - ungefähr 86.000 Euro brutto - fällt wieder der volle Soli-Satz an. Durch diese Regelung würde nach Rechnung der Bundesregierung noch etwa die Hälfte der Soli-Einnahmen übrig bleiben.

Vor allem die FDP fordert, den Zuschlag komplett abzuschaffen. Beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe liegt eine Verfassungsbeschwerde der Partei gegen den "Soli" vor und beim Bundesfinanzhof in München wurde eine vom Bund der Steuerzahler unterstützte Klage eingereicht.

 Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass viele kleine und mittelständische Unternehmen wie Handwerksbetriebe weiter den vollen Soli zahlen müssten. Die SPD dagegen argumentiert, ein gut verdienender Bundestagsabgeordneter oder Vorstandschef eines Dax-Unternehmens könne den Zuschlag wohl verkraften - schließlich brächte er dem Bund auch nach der Teil-Abschaffung noch rund zehn Milliarden Euro, die angesichts der schwächeren Konjunktur hoch willkommen sind. Auch Haushaltspolitiker der Union wollen die Komplett-Abschaffung deshalb inzwischen aufschieben. Kommt sie doch, würde ein Beschäftigter mit Jahresbrutto von 100.000 Euro rund 1.500 Euro jährlich sparen, ein Einkommensmillionär hätte rund 23.500 Euro mehr in der Kasse.

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR um 4 | 12. Januar 2021 | 16:00 Uhr