Polens Autoindustrie Die Polen lieben ihre Autos - und kaufen immer mehr!

03. August 2018, 17:56 Uhr

Das Auto - es ist nicht nur der Deutschen liebstes Kind. Auch unsere polnischen Nachbarn legen Wert auf ihren fahrbaren Untersatz. Seit der Wende hat sich die Zahl der Fahrzeuge in Polen vervierfacht. Der Pkw ist nach wie vor das beliebteste Fortbewegungsmittel.

Status-Symbol Nr. 1

In Polen boomt die Auto-Industrie: und das Auto ist nach wie vor das beliebteste Fortbewegungsmittel. Wie der Polnische Automobil-Industrie Verband berichtet, wächst der Fahrzeugbestand rasant. Noch 1990 rollten rund 5,2 Millionen Autos auf Polens Straßen. Zehn Jahre später waren es schon fast doppelt so viele. Heute fahren rund 22 Millionen Autos auf Polens Straßen, vier Mal mehr als kurz nach der Wende.

In Sachen Autobesitz liegt Polen statistisch sogar vor Deutschland: Laut Eurostat kommen hierzulande 555 Autos auf 1.000 Einwohner. Bei unseren polnischen Nachbarn sind es 571. Auch wenn die Fahrzeuge oft etwas älter sind. Laut Eurostat ist ein Durchschnittsauto in der EU 11 Jahre alt. In Polen sind es im Schnitt 17 Jahre.

Auto-Boom in Polen

Doch das dürfte sich bald ändern, denn die Nachfrage der 38,6 Millionen Polen wächst, und zwar vor allem nach neuen Autos. Die Zulassungszahlen übersteigen teils deutlich jene in Westeuropa und Autobauer investieren fleißig. Das lässt auch bei den Autobauern die Kassen klingeln: 2015 wurden in Polen 408.260 Autos zugelassen. Im Jahr 2017 waren es schon 542.594. Hauptsächlich werden Neuwagen von Firmen als Dienstwagen eingekauft. Privatpersonen entscheiden sich eher für Gebrauchtwagen aus dem Ausland.

Der steigenden Nachfrage folgend, hat die Daimler AG jüngst mit dem Bau eines Mercedes-Motorenwerks in Jawor, rund 70 Kilometer westlich von Breslau, begonnen. Ab 2019 sind dort rund 1000 Arbeitsplätze geplant. Daimler investiert 500 Millionen Euro in Jawor.

Toyota investiere vor zwei Jahren in Walbrzych 150 Millionen Euro in den Ausbau von zwei Werken. Dort fertigt der japanische Autokonzern Getriebe für Hybridfahrzeuge sowie Benzinmotoren.

Neue Bürgerinitiative gegen Staus

Den Auto-Boom bekommen vor allem Städte wie Breslau zu spüren. Die Stadt baut nur zögerlich den Nahverkehr aus. Wer morgens in die Innenstadt hinein fährt, muss geduldig sein und gute Nerven haben. Denn auf 1.000 Einwohner kommen inzwischen mehr als 600 Autos, fast doppelt so viel wie in Berlin.

Im Vergleich zu anderen Städten, vor allem im Ausland, gibt es in Polen sehr wenige Fahrradwege", beklagt ein Passant bei einer Straßenumfrage in Breslau. Diese Ansicht teilen auch die jungen Aktivisten der 2014 gegründeten Bürgerinitiative "Akcja Miasto" (zu deutsch "Stadtaktion"). Die rund 60 Mitglieder kämpfen daher um neue Fahrradwege. In den letzten Jahren wurden davon in Breslau zwar 70 Kilometer neu gebaut.

Doch viele von diesen Wegen seien in Wahrheit wenig fahrradfreundlich, bemängelt Aleksander Obłąk, einer der Mitbegründer von "Akcja Miasto". Häufig würden sie zum Beispiel unvorhersehbar mitten auf der Straße aufhören, sagt der 24-jährige Aktivist und zeigt dem MDR-Team mehrere solche Stellen.

Konflikte mit Autobesitzern

Außerdem gebe es immer wieder Konflikte mit Pkw-Besitzern, wenn irgendwo ein neuer Fahrradweg entstehen soll, berichtet Obłąk, denn dadurch würden Parkplätze am Straßenrand wegfallen. Dennoch konnte seine Initiative dazu beitragen, dass Breslau fahrradfreundlicher und um etliche Kilometer Fahrradwege reicher geworden ist.

Sie hatten sich im echten Leben und virtuell in den sozialen Medien dafür stark gemacht, dass neue Wege in Breslau aus dem sogenannten Bürgerhaushalt der Stadt finanziert werden. Bei dieser Form der Bürgerbeteiligung können die Einwohner einer Stadt darüber selbst entscheiden, wie ein Teil der Haushaltsmittel eingesetzt wird, indem sie für konkrete Projekte – in diesem Fall eben Fahrradwege – abstimmen.

Aber auch neue Straßenbahnlinien stehen auf der Agenda der Nichtregierungsorganisation. "In knapp dreißig Jahren sind gerade mal sechs Kilometer neue Straßenbahnlinien entstanden, und das ist ein ganz schwaches Ergebnis, auch im gesamtpolnischen Vergleich", sagt Obłąk.

Fußbrücke der Unabhängigkeit

Das neueste Projekt von "Akcja Miasto" ist aber eine Fußgängerbrücke in der Innenstadt. Dafür haben sich die Aktivisten sogar eine sehr geschickte Marketingstrategie überlegt. Die Brücke soll als Erinnerung an das 100-jährige Jubiläum der polnischen Unabhängigkeit von 1918 entstehen, das im November gefeiert wird. Statt eines weiteren Denkmals solle so etwas Praktisches entstehen, sagt Obłąk. In seinen Augen ist es die beste Möglichkeit, die Unabhängigkeit seines Landes zu würdigen – modern und ohne Pathos.

Über dieses Thema berichtete MDR - HEUTE IM OSTEN auch im TV: MDR | 03.08.2018 | 17:45 Uhr