Lawrow besucht Nordkorea: "Russland will mitspielen"

31. Mai 2018, 17:28 Uhr

Am Donnerstag hat der russische Außenminister Sergej Lawrow Pjöngjang besucht. Das Gespräch mit Machthaber Kim Jong Un drehte sich um die Atomfrage, aber auch Russlands Interessen in der Region. Dort will Moskau mehr Präsenz zeigen.

Während die Vorbereitungen für den Gipfel zwischen US-Präsident Donald Trump und Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un auf Hochtouren laufen, empfing Kim heute überraschend den russischen Außenminister Sergej Lawrow. Bei den Gesprächen in Pjöngjang sollte es nach Angaben des russischen Außenministeriums um Nordkoreas Atomprogramm und die bilaterale Zusammenarbeit gehen.

Kim lobte dabei Moskau als Gegengewicht zu einer weltweiten Vorherrschaft Washingtons. Lawrow betonte, Russland wolle daran mitwirken, dass auf der koreanischen Halbinsel Frieden, Stabilität und Wohlstand herrschten und lud Machthaber Kim nach Moskau ein. Welche Bedeutung der Besuch hat und welche Interessen Russland in Nordkorea verfolgt, darüber haben wir mit dem Russland-Experten Stefan Meister gesprochen.

Heute im Osten: Bei der aktuellen Weltlage blickt man ganz genau auf einen Politikerbesuche in Nordkorea. Was genau wollte Lawrow dort?

Stefan Meister: Naja, Lawrow selber hat gesagt, er ist eingeladen worden, deswegen fährt er halt hin. (lacht) Das würde ich so interpretieren, dass Russland natürlich bei den großen internationalen Fragen einfach mitspielen möchte, selbst wenn es bei Nordkorea kein entscheidender Akteur ist. Russland will sich da einfach präsentieren und sichtbar sein. Ich glaube, das ist der Hauptgrund, warum Lawrow dorthin hingefahren ist: um die Wichtigkeit Russlands zu demonstrieren und gleichzeitig den Amerikanern und Chinesen zu signalisieren, wir sind hier und wollen bei wichtigen Fragen beteiligt werden.

Russland hat neben der Atomdebatte auch einen geografischen Grund, sich mit Nordkorea zu beschäftigen. Denn es gibt eine Landgrenze zwischen beiden Staaten. Welche geostrategischen Interessen hat Russland in Nordkorea?

Russland hat natürlich in keinem Fall ein Interesse an einer Weiterverbreitung von Atomwaffen, ähnlich wie bei Iran. Und es geht Russland natürlich auch um die Zukunft der koreanischen Halbinsel und welche Rolle die Amerikaner in der Region spielen, die ja in Südkorea Soldaten stationiert haben.

Denn wenn es zu einer Wiedervereinigung zwischen Nord- und Südkorea kommen sollte, dann könnten möglicherweise irgendwann amerikanische Truppen an der russischen Grenze stationiert sein. Ich denke aber, genau das wird Teil eines Korea-Deals sein, dass das nicht passiert. Aber das sind natürlich alles Optionen, die für Russland eine Rolle spielen. Moskau will nicht, dass die Amerikaner näher heranrücken und auch nicht, dass die Chinesen ihren Einfluss ausweiten.

Man könnte daher glauben: für Russland ist alles gut, was für die USA nicht gut ist. Etwas das gescheiterte Treffen zwischen Donald Trump und Nordkoreas Präsidenten Kim. Aber ist eine Eskalation des Konflikts im Interesse Russlands?

Nein. Und man kann das so pauschal auch nicht sagen. Moskau weiß, dass es ohne die Amerikaner zu keiner Einigung mit Nordkorea kommen wird. Russland wird daher auch ein Abkommen unter Beteiligung der USA unterstützen.

Denn es möchte das nordkoreanische Atomprogramm unter Kontrolle halten und verhindern, dass diese Technologien weiter verbreitet werden. Da hat Russland letztlich, genau wie viele amerikanische Experten und Politiker, das Interesse, an einer Deeskalation dieses Konflikts mitzuwirken.

Die Europäer neigen dazu, Russlands Politik aus dem europäischen Blickwinkel zu interpretieren. Dabei orientiert sich Moskau aber schon länger nach Zentral- und Ostasien. Wie wichtig ist der asiatische Raum heute für Russland und seine strategische Planung?

Ursprünglich ist Russland stärker in die asiatischen Regionen gegangen, eben weil man durch die Ukraine in einem Konflikt mit Europa und den Amerikanern gekommen ist. So wollte Moskau mit alternativen Partnerschaften eine bessere Verhandlungsposition bekommen.

Ich glaube, inzwischen geht es nicht mehr nur darum. Russland will heute einfach zeigen, dass es ein globaler Player ist und bei wichtigen Entscheidungen mitbestimmen will. Aber es hat auch ökonomische Interessen: Japan, Südkorea und China sind wichtige Abnehmer von russischem Gas und Öl. Auch technologisch will man kooperieren. Letztendlich will Russland damit weg vom europäischen Markt, was Exporte, aber auch seine Importe betrifft. Das ist sehr wichtig.

Sie haben China angesprochen. Es ist der wichtigere Akteur in Nordkorea, aber auch in der ganzen Region sehr aktiv. Irgendwann wird man sich da in die Quere kommen. Ist der Kampf mit China um die Vormachtstellung in Asien daher Russlands größter heraufziehender Konflikt?

Die Chinesen sind auf jeden Fall geschickter als die Amerikaner und die Europäer. Sie zollen den Russen Respekt und geben ihnen das Gefühl, dass sie Russland brauchen. Gleichzeitig nutzen sie aber den Konflikt, in dem Russland mit dem Westen steckt, auch aus, um Deals zu ihren Gunsten zu machen. Etwa um russische Energieträger zu niedrigeren Preisen zu bekommen.

Russland kann aber auch gar nicht mit China konkurrieren. Es ist ökonomisch viel zu schwach und wird noch schwächer werden. China wird gleichzeitig immer stärker werden in der Region. Da ist im Moment noch kein offener Konflikt und er wird bislang sehr geschickt umschifft. Aber Russland kann sich diesen Konflikt am Ende ökonomisch auch gar nicht leisten.

Portrait Russland-Experte Stefan Meister
Bildrechte: Dirk Enters/DGAP

Zur Person Dr. Stefan Meister leitet das Robert Bosch-Zentrum für Mittel- und Osteuropa, Russland und Zentralasien der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP). Seine Forschungsschwerpunkte sind unter Anderem die russische Außen-, Sicherheits und Energiepolitik.

Über dieses Thema berichtet MDR AKTUELL auch im: TV | 26.05.2018 | 19:30 Uhr