Merkel in Polen: Die fünf größten Streitpunkte

19. März 2018, 20:37 Uhr

Kanzlerin Angela Merkel ist zu Gast in Polen. Neben ihrem Amtskollegen Mateusz Morawiecki wird sie auch Staatspräsident Andrzej Duda treffen. Es ist ihre zweite Auslandsreise - nach dem Antrittsbesuch in Frankreich. Trotz entspannter Töne in jüngster Zeit, gibt es nach wie vor einige Streitfragen zwischen Deutschland und Polen.

Beim Antrittsbesuch des polnischen Ministerpräsidenten Mateusz Morawiecki im Februar sprach Merkel von "ernsthaften Meinungsunterschieden" zwischen Berlin und Warschau. Nun ist die Kanzlerin in Polen zu Gast. Zwar ist das Klima inzwischen ein wenig besser geworden, aber die Konflikte sind damit nicht beigelegt und in vielen Streitfragen zeichnet sich keine Einigung ab.

Ein Überblick über die fünf Streitpunkte zwischen Polen und Deutschland:

1. Flüchtlinge

Polens Regierung weigert sich trotz eines EU-Beschlusses strikt, Flüchtlinge nach einer Quotenregelung aufzunehmen. Darauf hatten sich eigentlich die EU-Innenminister im September 2015 geeinigt. Man könne sich dies im Gegensatz zu Deutschland nicht leisten, bekräftigte Morawiecki zuletzt. Zudem verwies der polnische Regierungschef darauf, dass Polen Zehntausende Flüchtlinge aus der Ukraine aufgenommen habe und finanzielle Flüchtlingshilfe im Libanon leiste.

Die Willkommenspolitik von Kanzlerin Merkel wird von der PiS-Regierung kritisiert: Polen könne nicht gezwungen werden, Flüchtlinge aufzunehmen, nur weil Deutschland sie eingeladen habe, sagen PiS-Anhänger und betonen, Migranten wollten wegen der niedrigen Sozialleistungen ohnehin nicht nach Polen. Merkel sprach zurückhaltend von "unterschiedlichen Akzenten".

2. Holocaust

Internationalen Streit gibt es um Polens Holocaust-Gesetz. Demnach soll bestraft werden, wer "öffentlich und entgegen den Fakten" dem polnischen Volk oder Staat die Verantwortung oder Mitverantwortung an den vom Nazi-Deutschland begangenen Verbrechen zuschreibt. "Polen darf nicht der Verbrechen anderer bezichtigt werden", sagte Morawiecki.

Kritiker befürchten nun, das unpräzise formulierte Gesetz könne von den Regierenden missbraucht werden, um die Verantwortung polnischer Bürger für Verbrechen an Juden zu leugnen. Bei seiner Berlin-Reise im Februar deutete Morawiecki Kompromissbereitschaft an. Wenn das polnische Verfassungsgericht dies für notwendig erkläre, könnten Teile des Gesetzes präziser formuliert werden.

3. Justizreformen

Polen steht derzeit in Europa wegen seiner Justizreform in der Kritik. So sieht die EU-Kommission die Unabhängigkeit der Justiz nach den Gesetzesänderungen der PiS bedroht. Brüssel leitete daher im Dezember ein Sanktionsverfahren ein, durch das Polen sogar seine Stimmrechte in der EU verlieren könnte - bislang ein einmaliger Vorgang in der EU-Geschichte.

Bei der Pressekonferenz mit Merkel im Februar stellte sich Morawiecki hinter die Reform. Sie solle die polnische Justiz vor allem effizienter machen, sagte er. Deutschland habe nach der Wiedervereinigung ähnliche Reformen in den neuen Bundesländern durchgeführt. So etwas habe es in Polen nicht gegeben. "Besser spät als überhaupt nicht", sagte Morawiecki in Berlin.

4. Kriegsreparationen

"Wir müssen weiter darüber diskutieren, aber in Ruhe", sagte kürzlich Außenminister Jacek Czaputowicz zu den polnischen Reparations-Forderungen an Deutschland. Aus PiS-Kreisen waren seit Sommer wiederholt Forderungen nach Entschädigungszahlungen für Schäden aus dem Zweiten Weltkrieg erhoben worden. Offizielle Ansprüche stellte die Regierung in Warschau bislang allerdings nicht. Die Bundesregierung weist solche Forderungen zurück und verweist darauf, dass eine frühere polnische Regierung darauf verzichtet habe.

5. Nord Stream 2

Der Konflikt um die Gasfernleitung von Russland über die Ostsee nach Deutschland - unter Umgehung Polens und der Ukraine - trat in Berlin offen zutage. Während Merkel von einem "wirtschaftlichen Projekt" sprach, warnte Morawiecki vor den Risiken vor allem für die Ukraine. "Eine Seite" (Russland) dürfe kein Monopol bekommen und dann die Preise diktieren können. Wenn die Ostsee-Pipeline dazu führt, dass künftig weniger Gas durch polnische Pipes fließt, könnten dem Land außerdem Transiteinnahmen wegfallen. Nach Angaben von Nord Stream 2 hat Polen allerdings wiederholt erklärt, den Liefervertrag mit Gazprom nach Auslaufen im Jahr 2022 nicht verlängern zu wollen, und würde den Wegfall der Transiteinnahmen damit selbst herbeiführen.

(dpa)

Über dieses Thema berichtet MDR AKTUELL auch im: TV | 16.02.2018 | 17:45 Uhr