Frau mit blondem Haar
Aleksandra Rybinska Bildrechte: MDR

Parlamentsblockade in Polen "Es ist ein riesiger Zirkus"

Interview mit der polnischen Journalistin Aleksandra Rybinska

06. Januar 2017, 10:58 Uhr

Aleksandra Rybinska ist eine konservative Journalistin, die beim Online-Magazin "wpolityce.pl" arbeitet. Sie hält die Proteste der Opposition im Sejm für einen Zirkus, der kein anderes Ziel hat, als Neuwahlen zu erreichen.

Was halten Sie vom Protest der Opposition im Sejm?

Ich weiß nicht so recht, warum sie dort sitzen. Ich kann nur verstehen, dass sie sich jetzt nicht mehr zurückziehen können, nachdem sie daraus einen Kampf um Meinungsfreiheit und Demokratie gemacht haben. Ich halte davon gar nichts. Ich glaube, es ist ein Riesenzirkus, der eigentlich der Opposition eine wachsende Zustimmung in den Meinungsumfragen bringen soll. Das ist auch in minimalem Umfang gelungen. Die Partei Nowoczesna, das "moderne Polen", hat wohl ungefähr einen Prozentpunkt in den Umfragen dadurch zugenommen. Das war’s aber auch. Ansonsten weiß ich nicht, was der Sinn dieser ganzen Aktion sein soll. Die Demokratie ist nicht gefährdet, die Meinungsfreiheit auch nicht. Schon gar nicht im Parlament.

Es sollen doch aber bestimmte Medien von der Parlamentsberichterstattung ausgeschlossen werden. Das würde auch Sie als Journalistin betreffen.

Erst einmal: Nicht bestimmte Medien sollen ausgeschlossen werden, sondern diese Regelung soll ALLE Medien betreffen. Ganz egal, ob sie nun konservativ oder eher linksgerichtet sind, die Regierung unterstützen oder nicht. Das ist eine allgemeine Regelung, die da eingeführt werden sollte. In Polen ist es seit 1989 Tradition, dass die Medienvertreter eigentlich überall Zugang haben im Parlament. Es gab nie irgendwelche Einschränkungen. Man konnte sich eigentlich überall frei bewegen. Das ist in anderen europäischen Ländern nicht so. Zum Beispiel in westeuropäischen Ländern, da ist der Zugang für Journalisten wesentlich stärker beschränkt. Und ich glaube, die "Recht und Gerechtigkeit" -  die Regierungspartei PiS - wollte diese Vorschriften, die in westlichen Ländern existieren, anpassen. Das Problem ist bloß: Zunächst einmal haben wir diese Tradition und die Journalisten sind sehr mit dieser Tradition verbunden. Und zum anderen wurden diese Änderungen eingeführt, ohne die Medienvertreter zu konsultieren oder sie nach ihrer Meinung zu fragen. Man hat gar nicht erst versucht, einen Kompromiss zu finden. Wir waren alle dagegen, von links nach rechts, egal wer. Und man hat uns ignoriert. Das war für die Opposition natürlich ein guter Anlass, um im Parlament einen Protest zu organisieren. Angeblich um uns, die Medienvertreter, zu verteidigen. Bloß: Es geht der Opposition leider nicht um uns, es geht ihr um etwas ganz anderes. Und die meisten Journalisten sind sich dessen auch durchaus bewusst und haben sich missbraucht gefühlt.

Die Opposition fordert außerdem, dass noch einmal über den Haushalt abgestimmt wird. Die Abstimmung fand am 16. Dezember in einem anderen Saal statt, unter Ausschluss der Opposition. PO und Nowoczesna sind nun der Ansicht, dass die Debatte nur unterbrochen wurde und sie wollen, dass sie weitergeführt wird ...

Von mir aus können die dort bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag sitzen. Ich habe da überhaupt nichts dagegen. Ich frage mich nur: Wenn jemand da drin sitzt, Pizza isst, ab und zu mal im Fernsehen auftaucht und sich ansonsten vergnügt - wie konstruktiv ist das? Die Opposition hat einfach Schwierigkeiten, sich damit abzufinden, dass sie nicht an der Macht ist. Die Bürgerplattform PO vor allem, die hat ja nach acht Jahren die Macht abgeben müssen. Das ist sehr schmerzhaft. Und daher interpretieren wir diese Blockade so, dass die Opposition es am liebsten hätte, wenn sie es schafft, die Abstimmung über den Haushalt zu blockieren. Und zwar so zu blockieren, dass es vorgezogene Neuwahlen gibt, um dann hoffentlich die Wahlen zu gewinnen. Das hat mit Verteidigung von Demokratie, freier Meinungsäußerung und Medien überhaupt nichts zu tun. Das hat etwas mit dem Überleben dieser Parteien zu tun. Meiner Meinung nach ist das einfach ein Riesenzirkus.

Aber was sagt das über den Zustand der polnischen Demokratie aus, wenn versucht wird, so einen Konflikt auf diese Weise zu lösen?

Für mich ist das wie gesagt ein alberner Zirkus  und ich wäre sehr froh, wenn der bald zu Ende gehen würde. Wenn wir auf die internationale Situation schauen: Wir haben terroristische Anschläge, wir haben eine schwierige Situation im Nahen Osten, wir haben Trump, der bald US-Präsident wird und wir wissen nicht, was er in der nächsten Zeit machen wird. Das sind alles Umstände, die dazu auffordern, sich irgendwie vernünftig zu benehmen und zu versuchen, vernünftig Politik zu machen. Sowohl bei der Regierung als auch bei der Opposition! Und ich finde es bedauerlich, dass das nicht passiert. Allerdings weiß ich nicht, ob das an der Demokratie liegt. Mit der Demokratie ist alles in Ordnung, ich glaube, mit unseren Politikern ist manchmal nicht alles in Ordnung.

Der PiS-Vorsitzende Jaroslaw Kaczynski hat in einem Interview von einem "Putsch" seitens der Opposition gesprochen. Ist das angemessen?

Das ist vielleicht rhetorisch ein bisschen übertrieben, allerdings hat die Opposition ganz offen davon gesprochen, Neuwahlen erreichen zu wollen. Während der ersten heißen Tage dieser Blockade Mitte Dezember wurde von Seiten der Opposition alles getan, um einen Gewaltausbruch von Seiten der Regierung zu provozieren. Das heißt, dass die Polizei brutal durchgreift und dass man dann einen Grund hat, Neuwahlen zu starten. Deshalb kann man das einen Putschversuch nennen, wenn man so will.