Mehrheit der Magyaren will keine Migranten

30. September 2016, 15:40 Uhr

Am 2. Oktober 2016 sollen die Ungarn bei einem Referendum darüber entscheiden, ob die EU ihrem Land die Aufnahme von Flüchtlingen vorschreiben darf. Eine Mehrheit wird vermutlich dagegen votieren.

Bei einem Treffen mit seinem österreichischen Amtskollegen Christian Kern vor wenigen Wochen in Budapest bekannte der nationalkonservative ungarische Premier Viktor Orbán in aller Deutlichkeit Farbe. Orbán sagte, Einwanderung sei "Gift". Und er betonte: "Jeder einzelne Migrant stellt eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und ein Terrorrisiko dar."

Rigide Migrationspolitik

Allein, Orbán lässt es nicht bei Worten bewenden, sondern er macht tatsächlich Ernst. Als einer der schärfsten Kritiker der EU-Flüchtlingsverteilung ließ er durch die rechtskonservative Regierungspartei Fidesz ein Referendum initiieren. Am 2. Oktober 2016 sollen die ungarischen Wähler darüber entscheiden, ob Ungarn im Rahmen der EU-Quotenverteilung Flüchtlinge ins Land lassen soll oder nicht. Da Ungarn mit seinen knapp zehn Millionen Einwohnern ein kleiner EU-Staat ist, müsste das Land auch nur einige tausend Flüchtlinge aufnehmen.

Die Regierung Orbán verfolgt seit dem Ausbruch der Flüchtlingskrise im Sommer 2015 eine rigide Migrationspolitik. Ungarn war im Vorjahr denn auch das erste europäische Land, das angesichts der immer größeren Flüchtlingszahlen an der südlichen Grenze Richtung Serbien einen Grenzzaun errichtete, um den Migranten auf der sogenannten Balkanroute Einhalt zu gebieten. Mit Erfolg. Doch damit nicht genug, startete die Regierung Orbán seinerzeit auch eine heftig umstrittene Plakatkampagne.

"Du darfst den Ungarn die Arbeit nicht wegnehmen!"

Auf den Plakaten der Regierung wurden Migranten geduzt und auf Ungarisch angesprochen. "Wenn Du nach Ungarn kommst, darfst Du den Ungarn die Arbeit nicht wegnehmen!", lautete einer der Sätze, der allenthalben im Land auf Plakaten zu lesen war. Mit einiger Sicherheit kann man davon ausgehen, dass die Kampagne weniger an die Flüchtlinge, als vielmehr an die ungarischen Wähler adressiert war. Orbán und seine Regierung hätten schlichtweg der rechtsradikalen Partei Jobbik, die im Vorjahr in Meinungsumfragen der Regierungspartei Fidesz gefährlich nahe gerückt war, den Wind aus den Segeln nehmen wollen, lautete die Erklärung vieler Fachleute.

Im Hinblick auf das bevorstehende Referendum setzt die Regierung wieder auf Plakate. Wie schon jene, die "direkt" an die Flüchtlinge gerichtet war, scheidet auch die jüngste Plakatkampagne die Geister in Ungarn. So werfen Kritiker der Regierung vor, den Wählern auf plumpe Art und Weise einzuflößen, dass die Flüchtlinge den Terrorismus nach Europa gebracht hätten. Vor allem ein Plakat löste heftige Unmutsbekundungen aus. Auf ihm stand geschrieben: "Haben Sie es gewusst? Seit dem Beginn der Flüchtlingskrise sind in Europa über 300 Menschen bei Terroranschlägen ums Leben gekommen."

Auf Schritt und Tritt mit den zahllosen Plakaten der Regierung konfrontiert, glauben inzwischen tatsächlich viele Ungarn, dass die Geißel des Terrorismus mit dem Flüchtlingsstrom in Zusammenhang steht. Und so kommt es auch nicht von ungefähr, dass nicht nur Regierungsbefürworter und Rechtsradikale Einwanderer ablehnen, sondern mittlerweile auch "Linke", die sich eigentlich freiheitliche Werte und Toleranz auf ihre Fahne geschrieben haben.

Fremdenfeindlichkeit kennt keine politischen Grenzen

Einer aktuellen Studie des ungarischen Think Tanks "Political Capital" zu Folge war die Fremdenfeindlichkeit in Ungarn noch nie so hoch wie heute. Mehr noch: Aus einer internationalen Erhebung des US-amerikanischen Pew Research Centers geht hervor, dass die Mehrheit der Ungarn mehr Vertrauen zum russischen Präsidenten Wladimir Putin als zur deutschen Bundeskanzlerin  Angela Merkel haben. Eine Studie des ungarischen Politikforschungsinstituts Republikon wiederum hat ergeben, dass sogar die Mehrheit der Sympathisanten der linksliberalen Opposition in Ungarn die EU-Flüchtlingsverteilung zurückweist. Viele Anhänger der Opposition stimmen in der Flüchtlingsfrage demnach mit Orbán überein: Sie wollen unter keinen Umständen Zuwanderer in Ungarn haben.

Opposition ruft zum Boykott auf

Beim Referendum am 2. Oktober müssen die ungarischen Wähler nun auf folgende Frage mit "Ja" oder "Nein" antworten: "Wollen Sie, dass die Europäische Union auch ohne dem Einverständnis des (nationalen; Anm. des Autors) Parlaments die verbindliche Aufnahme nichtungarischer Staatsbürgern in Ungarn vorschreibt?" Während die Regierung erwartungsgemäß für eine Teilnahme an der Volksabstimmung mobil macht, rufen linke Oppositionsparteien zum Boykott des Referendums auf.