Geld aus Brüssel: Freud und Leid für Rumänien

28. Juni 2018, 13:26 Uhr

Am Donnerstag und Freitag diskutieren die Staats- und Regierungschefs der EU auf ihrem Gipfel in Brüssel auch über den Finanzrahmen der Union für den Zeitraum 2021-2027. Rumänien darf sich zwar über insgesamt mehr Mittel als bislang freuen, die Verteilung stößt bei Experten jedoch auf Kritik. Denn so bekommt Rumänien mehr Geld, dass es nicht ausgeben kann, während an anderer Stelle wichtige Subventionen gekürzt werden.

Durch den Wegfall Großbritanniens als großem Nettozahler wird der EU-Haushalt voraussichtlich um über zehn Milliarden Euro schrumpfen. Die EU-Kommission hat trotzdem versprochen, dass Rumänien zukünftig mehr Geld bekommt.

Aus den sogenannten EU-Kohäsionsmitteln, die das Gefälle zwischen den alten und den neuen EU-Ländern ausgleichen sollen, würden im Zeitraum 2021-2027 fast 31 Milliarden Euro nach Bukarest fließen. Das seien acht Prozent mehr als bislang, freute sich die zuständige Kommissarin für Regionalpolitik, Corina Cretu, mit ihren Landsleuten.

Kürzungen bei Agrarsubventionen

Unter den Kürzungen sollen diesmal andere mittel- und osteuropäischen EU-Länder leiden. So könnten beispielsweise Polen rund 20 Milliarden Euro entgehen, das sind 23 Prozent weniger als in der bisherigen Förderperiode, berechnete die Warschauer Tageszeitung "Rzeczpospolita". Auch Ungarn ist betroffen.

Aber auch die Mitgliedstaaten, die mehr Geld bekommen - neben Rumänien beispielsweise Griechenland und Bulgarien - sollten sich nicht zu früh freuen. Die Sparzwänge führen nämlich zu Kürzungen bei den Agrarsubventionen der Union. Rumänien muss hier abspecken und bekommt statt wie bisher 20 Milliarden Euro nur noch etwas über 18 Milliarden.

Die Milchmädchenrechnung geht nicht auf

Auf den ersten Blick scheint das finanzielle Arrangement noch relativ günstig für Rumänien auszufallen, weil die höheren Zahlungen aus dem Kohäsionsfonds die Verluste bei den Agrarsubventionen wettmachen. Doch der Schein trügt. Denn die Mittel aus dem Kohäsionsfonds nutzt Rumänien bislang nur unzureichend aus, während die Mittel aus dem Agragfond, die Rumänien wirksam einsetzt, gekürzt werden.

Junger Mann in blauem Anzug
Kritisiert die Finanzplanungen der EU: Europaabgeordneter Siegfried Muresan Bildrechte: Europaparlament / MDR

So argumentiert etwa der rumänischen Europaabgeordnete Siegfried Muresan von der liberal-konservativen PNL. Er schreibt auf der Blogplattform "contributors.ro", dass die Agrarmittel eine zweifache Bestimmung haben: aus einem Topf werden die Subventionen für Landwirtschaftsflächen bezahlt, aus einem anderen werden Projekte für die Entwicklung ländlicher Räume finanziert.

Doch während die Flächensubventionen auf gleichem Niveau bleiben, werden die Entwicklungshilfen um rund ein Viertel gekürzt. Und gerade dort habe Rumänien viel nachzuholen.

Kritik an Subventionsumfang

Zudem habe Rumänien gelernt, genau diese Mittel gut einzusetzen. Schon ein Drittel der Entwicklungsfonds für 2014-2020 seien ausgegeben worden, während andere Mittel nur zu knapp 13 Prozent eingesetzt wurden, so Muresan. Sein Fazit ist klar: Rumänien müsse "keinerlei Kürzungen" aus der gemeinsamen Agrarpolitik zustimmen. Weniger Agrarmittel und dafür mehr Geld in die andere Tasche - das  wäre "der größte Fehler". Die unterschiedlichen Politikbereiche gehören "getrennt verhandelt", so Muresan in seinem Beitrag.

Auch der rumänische Landwirtschaftsminister Petre Daea sagte beim jüngsten Gipfel mit seinen Amtskollegen in Sofia, dass Rumänien mit dem geplanten Zuteilungsmodell in der Agrarpolitik nichts anfangen könne. Die geringeren Zuwendungen und die geplante Deckelung der Subventionen auf 100.000 Euro pro Landwirtschaftsbetrieb seien für Rumänien nicht tragfähig, gab Daea zu verstehen.

Rumänien gibt zu wenig Brüsseler Mittel aus

Muresan, der auch Vizepräsident des Haushaltausschusses im Europäischen Parlament ist, trifft einen wunden Punkt. Seit Jahren ist Rumänien Schlusslicht bei der Nutzung von EU-Geldern. Im Zeintraum 2007-2013 gab das Land nur etwas mehr als 90 Prozent der bereitgestellten Mittel aus. Und das, obwohl der Rahmen um zwei Jahre erweitert wurde. Im gegenwärtigen Finanzzeitraum bis 2020 liegt die Quote nach Angaben eines Verantwortlichen des zuständigen Ministeriums bei rund 16 Prozent.

Weil auch der Staat zu zögerlich nach dem Geld greift, obwohl Rumänien Investitionen in seine Infrastruktur bitter nötig hat, wurde es sogar Kommissarin Corina Cretu zu bunt: Sie sei "extrem besorgt über die Planung und Umsetzung der Projekte zur Verkehrsinfrastruktur".

Während bereits über den neuen Finanzrahmen diskutiert werde, drohen neue Projekte in der Startphase zu bleiben und keine Geld zu bekommen, rügte sie die rumänische Regierung, in der ihre eigenen sozialdemokratischen Parteifreunde sitzen. Inzwischen hat das Verkehrsministerium mitgeteilt, dass viele Projekte in verschiedenen Vorbereitungsphasen stünden. Der Gesamtwert dieser Vorhaben, die irgendwann bei der EU-Kommission landen werden, liegt bei elf Milliarden Euro. 


Junger Mann mit Oberlippen- und Kinnbart
Bildrechte: Alex Gröblacher / MDR

Unser Autor Alex Gröblacher lebt und arbeitet in Bukarest. Er ist Journalist beim deutschen Dienst von Radio Rumänien International, arbeitet für das Wirtschaftsmagazin "debizz" sowie als Dolmetscher und Übersetzer. Er wurde 1970 in der rumänischen Haupstadt geboren und wuchs dort auf.


Über dieses Thema berichtete MDR AKTUELL auch im: TV | 22.06.2018 | 17:45 Uhr