Interview Deutsche Unternehmer werden in Rumänien mit offenen Armen empfangen

16. Juni 2017, 19:18 Uhr

Warum "Made in Germany" in Rumänien so beliebt ist und worüber deutsche Firmen im südosteuropäischen Land klagen: Ein Interview mit Sebastian Metz von der Deutsch-Rumänischen Industrie- und Handelskammer in Bukarest.

Rumänien hat ein Imageproblem. Es ist eines der korruptesten Länder der EU. Warum sollte ein deutscher Investor gerade in diesem Land sein Geld anlegen?

Rumänien gehört zum europäischen Binnenmarkt, es bietet im EU-Vergleich günstige Lohnkosten. Auch hat das osteuropäische Land weiterhin viel Aufholpotenzial und damit viel Geschäftspotenzial.

Rumänischer Mindestlohn bei 1,91 Euro Konzerne wie Daimler, Continental oder Bosch lassen seit Jahren in Rumänien produzieren. In Deutschland fährt kein Auto mehr, in dem nicht mindestens ein Zulieferteil aus Rumänien verarbeitet ist. Der Mindestlohn im Land liegt derzeit bei umgerechnet 1,91 Euro pro Stunde und ist damit einer der niedrigsten der EU. Rumänien ist das EU-weit zweitärmste Land, aber das derzeit wachstumsstärkste. In den ersten drei Monaten dieses Jahres lag das Wirtschaftswachstum bei 5,6 Prozent - das derzeit höchste in der EU.

Gerade bei öffentlichen Ausschreibungen, ob im Straßenbau, im Energie- oder Wasserbereich, klagen deutsche Firmen über Korruption. Was passiert hier konkret?

Sebastian Metz, Geschäftsführer der Deutsch-Rumänischen Industrie- und Handelskammer (AHK) in Bukarest 1 min
Sebastian Metz, Geschäftsführer der Deutsch-Rumänischen Industrie- und Handelskammer (AHK) in Bukarest Bildrechte: MDR/Annett Müller

Es gibt Probleme bei den öffentlichen Ausschreibungen, doch nicht alle haben mit Korruption zu tun. Den Unternehmern brennt vielmehr auf den Nägeln, dass den Verträgen oft die Balance zwischen den Vertragsparteien fehlt, was die Rechte und Pflichten angeht. Es ist schon vorgekommen, dass der Auftragnehmer eines Autobahn-Projektes beispielsweise die Enteignung der nötigen Flächen vornehmen sollte. Das ist doch ganz klar die Aufgabe des öffentlichen Auftraggebers und nicht eines Privatunternehmens. Immer wieder wird deutlich, dass der Auftraggeber hier möglichst wenig Verantwortung übernehmen will. Ein solches Vorgehen verzögert Wirtschaftsprojekte natürlich sehr stark.

Ostdeutsche Firmen klagen seit Jahren über Nachwuchsmangel. Rumänien hat ein ähnliches Problem. Woran liegt das?

Weniger an der Abwanderung (wie in Ostdeutschland - Anm. der Redaktion), sondern vielmehr daran, dass man dem Berufsschulsystem vor Jahren den Todesstoß versetzte. Wenn man ein solches System teils komplett abschafft, dann muss man immens viel Zeit und Ressourcen investieren, um es wieder auf Marktniveau zu bringen. Daran arbeitet Rumänien gerade, aber es wird noch Jahre dauern. Auch denken viele Rumänen bei 'Berufsausbildung' an dreckige, ölige und niedere Arbeiten. Dabei haben sich die Berufe enorm gewandelt. Angesichts der relativ hohen Jugendarbeitslosigkeit von knapp 24 Prozent sollte es doch von gesellschaftlichem Interesse sein, dass diese jungen Leute eine Perspektive erhalten.

Im Land gibt es einige wirtschaftlich stark entwickelte Hotspots wie Bukarest, das westlich gelegene Banat und Teile Siebenbürgens. Im Rest des Landes fehlt weitestgehend eine gut ausgebaute Infrastruktur. Würden Sie Investoren dennoch empfehlen, in die strukturschwachen Regionen zu gehen?

Irgendwann wird in den gut entwickelten Regionen kein Platz mehr für große Investitionen sein, das ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Und irgendwann werden auch die Menschen in den strukturschwachen Regionen das von der Regierung propagierte Wohlverstandsversprechen einfordern. Das wird ohne eine gute entwickelte Verkehrsinfrastruktur aber nicht in Erfüllung gehen.

In dieser Woche hat sich eine Wirtschaftsdelegation sächsischer Firmen in Rumänien nach Kooperationspartnern umgesehen und ist dabei vom rumänischen Handelsminister persönlich empfangen worden. Stoßen deutsche Firmen besonders auf offene Türen in Rumänien?

Die deutsche Unternehmerkultur genießt in Rumänien einen sehr guten Ruf: Sie gilt als fair, geradlinig, tugendhaft und ihre Produkte als zuverlässig. Für diesen guten Ruf hat lange vor den deutschen Firmen die im Land ansässige deutsche Minderheit gesorgt – die Siebenbürger Sachsen und die Banater Schwaben. Sie haben schon vor Jahrhunderten den Grundstein dafür gelegt, dass "Made in Germany" in Rumänien so beliebt ist. Das ist übrigens ein nicht zu unterschätzender Standortvorteil im Land: Sie werden hier als deutscher Unternehmer mit offenen Armen empfangen.

Vielen Dank für das Gespräch.

Sächsische Wirtschaftsdelegation mit Ministerpräsident Tillich in Rumänien
Eine sächsische Delegation aus Unternehmern und Politikern mit Ministerpräsident Stanislaw Tillich im Juni 2017 zu Besuch in Rumänien Bildrechte: MDR/Annett Müller

Die AHK in Bukarest Die Deutsch-Rumänische Industrie- und Handelskammer (AHK Rumänien) wurde 2002 auf Basis einer bilateralen Vereinbarung zwischen der deutschen und der rumänischen Regierung gegründet. Sie ist die offizielle Vertretung der deutschen Wirtschaft in Rumänien. Die AHK Rumänien hat derzeit über 550 Mitglieder und bietet Unternehmen eine Plattform für Erfahrungs- und Informationsaustausch. Deutschland ist seit zehn Jahren in Folge der wichtigste Handelspartner für Rumänien.

Über dieses Thema berichtet HEUTE IM OSTEN auch im TV: MDR Aktuell | 16.06.2017 | 17:45 Uhr