Bilder an einer weißen Wand
Bis Ende Mai zeigte die Leipziger Galerie Jochen Hempel eine vielbeachtete Solo-Schau von Martin Kobe in der Baumwollspinnerei. Bildrechte: Courtesy Galerie Jochen Hempel / Foto: Björn Siebert

KI trifft Kultur KI und Malerei: Ein Atelierbesuch in Leipzig bei Martin Kobe

18. Juni 2023, 04:00 Uhr

Nicht nur Texte, auch Bilder lassen sich inzwischen mit Hilfe von KI-Tools wie Dall-E2, Midjourney oder Stable Diffusion generieren. Manche gewinnen sogar schon Preise. Die Künstliche Intelligenz wird den Kunstmarkt umkrempeln, heißt es. Wir haben den Leipziger Maler Martin Kobe im Atelier besucht und gefragt, wie er als Kreativer darauf reagiert. Kobe, 1973 in Dresden geboren, studierte bei Arno Rink und ist einer der wichtigsten Vertreter der Neuen Leipziger Schule.

Die Malerei von Martin Kobe kreist um Räume und Architekturen. Es sind Innen- und Außenräume. Vor allem aber sind es schwer zu fassende Zwischenräume, die mit den Versatzstücken der modernen Architektur spielen. Und so oszillieren diese leuchtenden Bildwelten zwischen geometrischer Klarheit und expressiver Abstraktion.

Mal den Bot fragen

Als Martin Kobe zum ersten Mal von dem Textgenerator ChatGPT gehört hat, da war er gespannt, was denn der Sprachroboter zu seiner Kunst sagen würde. Und so hat er ChatGPT gefragt, welche Bild-Titel vielleicht zu seinen Gemälden passen könnten: "Da kamen Titel raus wie: mystische Realitäten, außerweltliche Wunder, surreale Vision, im Grunde genommen das ganze Programm, das ich vollkommen vermeide, weil ich eher an der Konstruktion von Räumen und dem strukturellen Element von Architektur interessiert bin und die Brüche suche, nicht eine außerweltliche Vision zum Science Fiction-Film, der da irgendwie suggeriert werden könnte."

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Ersetzt die KI bald Künstler, diese Frage beschäftigt auch den Leipziger Maler, der einst bei Arno Rink studierte und gerade eine viel beachtete Solo-Schau zeigt. Andreas Höll hat ihn getroffen.

MDR KULTUR - Das Radio Di 13.06.2023 18:00Uhr 03:50 min

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Kobe: "Ich würde mich ja selber um das Spiel bringen"

Kitsch und Klischees – das kam also heraus beim ersten Kontakt mit dem digitalen Sprachassistenten. Dennoch bleibt Martin Kobe offen für diese neue Technologie: "Ich bin natürlich neugierig, was für Möglichkeiten da bestehen, aber ich sehe für mich selber noch nicht so richtig die Anknüpfungspunkte, da für mich die Malerei eigentlich perfekt ist. Das Medium ist so einfach und hat unendliche Möglichkeiten. Und ich würde mich ja selber um das Spiel bringen. Denn die KI wird es natürlich sofort für mich spielen, sicher mit einem unglaublichen Zeitgewinn. Aber ich müsste gar nicht, warum ich das machen sollte."

Ein Bild mit einem fiktiven Gebäude
Bis Ende Mai zeigte Martin Kobe aktuelle Werke in der Galerie Jochen Hempel in Leipzig. Bildrechte: Courtesy Galerie Jochen Hempel / Foto: Björn Siebert

KI als Recherche-Instrument

Für Martin Kobe ist die Künstliche Intelligenz im besten Falle ein Recherche-Instrument. Beispielsweise bei der Suche nach architektonischen Elementen, die er für seine Gemälde verwenden könnte. Doch bei seiner schöpferischen Arbeit sieht er deutlich die Grenzen der KI. Denn bei seiner Malerei spielen Assoziationen eine wichtige Rolle – und die schaffen dann immer wieder überraschende Verbindungen: "Ich sehe da ein Gebäude und plötzlich Assoziationen, komme auf ganz andere Gedanken und Formen. Aus einem Gebäude wird plötzlich einfach ein Buchstabe, und das Thema wechselt von der Form in die Typografie. Und diesen Prozess würde mir eine KI nicht abnehmen."



Die Künstliche Intelligenz kann nicht träumen und mit eigenen Assoziationen und neuen Verknüpfungen aufwarten – das ist für Martin Kobe das entscheidende Defizit der neuen Technologie.

Künstliche Intelligenz vs. menschliche Kreativität

Dennoch – die KI zwingt den Maler dazu, über sich und seine Arbeit nachzudenken. Und da geht es auch um die Frage, was denn eigentlich das Besondere ist an der menschlichen Kreativität: "Was mich von der Maschine unterscheidet, ist der Restzweifel, der bleibt, wenn man ein Bild beendet hat. Und darin liegt für mich eigentlich immer die Notwendigkeit, weiterzumachen oder Dinge zu verändern. Das ist die Quelle und wahrscheinlich der Unterschied, weil die KI natürlich keine Zweifel hat und keine Selbstreflexion."

Besucher eines Museums stehen vor einem überdimensionalen Gemälde, auf dem Strukturen in Orange zu sehen sind
Der Leipziger Maler Martin Kobe (hier zu sehen sein Werk "Rudera" von 2006) kreiert immer neue Räume. In KI-Tools sieht er vor allem Recherche-Instrumente. Bildrechte: picture-alliance/ dpa | Matthias Hiekel

Was mich von der Maschine unterscheidet, ist der Restzweifel.

Martin Kobe Leipziger Maler

Doch ob die Künstliche Intelligenz in Zukunft einmal so etwas wie ein eigenes Bewusstsein entwickeln kann – darüber tobt gerade ein heftiger Streit in der Fachwelt – mit vorerst offenem Ausgang.

Redaktionelle Bearbeitung: Katrin Schlenstedt

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 15. Juni 2023 | 08:40 Uhr