Frank Behnke, 2021
Frank Behnke ist Schauspieldirektor am Staatstheater Meiningen. Bildrechte: IMAGO / ari

Interview mit Frank Behnke Tiefe Verbundenheit: Meininger Schauspieldirektor über Südthüringen und das Theater

09. Mai 2023, 11:44 Uhr

Im neuen Leitungsteam am Staatstheater Meiningen ist Frank Behnke seit 2021 für das Schauspiel verantwortlich. Als Schauspieldirektor am Theater Münster konnte er zahlreiche Erfolge feiern. Das möchte er in Thüringen fortsetzen. Im Interview erzählt er von seinen Bedenken, als Westdeutscher ins ehemalige Grenzgebiet nach Südthüringen zu ziehen, wie er anfängliche Schwierigkeiten überwunden hat und warum er mehr ostdeutsche Themen und einen Tamara-Danz-Abend auf die Bühne bringen will.

MDR KULTUR: Meiningen ist in einer besonderen Region gelegen, am südlichen Rand von Thüringen, im ehemaligen Grenzgebiet. Inzwischen leben Sie seit zwei Jahren dort. Wie geht es Ihnen damit?

Frank Behnke: Ich hatte schon ein etwas flaues Gefühl im Bauch, als ich zum ersten Mal nach Meiningen kam. Das war mitten in der Corona-Zeit und die Stadt war total ausgestorben. Auf der Rückfahrt war es dann schon klar, dass ich es machen werde, weil ich dieses Theater gesehen habe. Die Begeisterung für diesen Ort kam, aber es waren bestimmte Klischees von Thüringen in meinem Kopf. Und es gab auch bestimmte Ängste, als total westsozialisierter Mensch mit Vorbehalten konfrontiert zu werden – und das war auch so. Ich finde es auf jeden Fall spannend, mit meinen Erfahrungen dorthin zu kommen und das abzugleichen. Inzwischen bin ich im Theater zu Hause, weil das ein Haus ist, wo man das Gefühl hat, es ist so wichtig für die Leute, die da arbeiten. Die lieben es da zu arbeiten, es wird getragen von so einer ganz großen Leidenschaft und Empathie.

Sie sagten, Sie haben das Haus gesehen und da war klar, dass Sie da bleiben möchten. Was wäre über das Haus noch zu sagen, außer dass es eben schön ist?

Ein Haus lebt natürlich nicht nur von seiner Architektur, aber das ist auch ganz wichtig. Ich merke, die Leute gehen da rein – das ist für einen Schauspieldirektor manchmal schmerzhaft – und es ist egal, was da gespielt wird. Sie lieben es einfach, sich in dieser phantastischen Atmosphäre zu treffen und sich zu begegnen. Das ist auch ein sozialer Ort, diese Funktion hat Theater. Es lebt von den Mitarbeitern und von dieser Tradition. Und die ist ansteckend bis heute.

Dieser Keim von Georg II., der auch eine Lust hatte, sich aus der Provinzialität mit einem gewissen Größenwahn bis in die Welt hinaus zu katapultieren, existiert immer noch in diesem Haus.

Frank Behnke

Das Haus bricht ja sozusagen Rekorde: Diese Stadt hat knapp 25.000 Einwohner und wenn wir in beiden Häusern spielen, bieten wir knapp tausend Plätze. Wir spielen viel und oft – und dieses Haus ist voll. Was dort im 19. Jahrhundert angelegt wurde, dieser Keim von Georg II., der auch eine Lust hatte, sich aus der Provinzialität mit einem gewissen Größenwahn bis in die Welt hinaus zu katapultieren, existiert immer noch in diesem Haus. Wir versuchen mit unserer Programmatik daran anzuknüpfen. Wir sind zum Beispiel vor zwei Jahren mit der Kombination aus "Julius Cäsar" von Shakespeare, mit dem Georg II. damals einen großen Gastspiel-Erfolg hatte, und "Die Politiker" von Wolfram Lotz gestartet. Letztlich ging es in diesem Stück um das Verhältnis von Volk zu Politik. Da haben wir die Brücke geschlagen von dieser Tradition in die Gegenwart.

Bleiben wir in der Gegenwart: "Extrawurst" ist eine Komödie von Dietmar Jacobs und Moritz Netenjakob. Das Stück ist dabei, ein Theaterhit zu werden. Was haben Sie sich überlegt, als sie die Komödie auf den Spielplan gesetzt haben?

Es war ein bisschen paradigmatisch für das, was ich eigentlich vom Theater will, weil die Autoren es schaffen, auf eine volkstheaterhafte Weise ganz wichtige Fragestellungen unheimlich unterhaltsam darzustellen. Wie ist das Verhältnis zwischen Mehrheit und und Minderheit? Das wird hier exemplarisch an einer Mitgliederversammlung eines Tennisvereins ausdiskutiert.

Es ist mir ganz wichtig, relevante Themen auf eine möglichst unterhaltsame, populäre Weise an das Publikum zu bringen. Natürlich nicht nur über das Mittel der Komödie, sondern auch über eine Art von Theater, über Erzählformen oder Möglichkeiten, wie man die Leute herausfordern kann, eine eigene Position zu beziehen. So, dass man mental und sinnlich angeregt aus dem Theater geht und nicht irgendeine fertige Antwort didaktisch geliefert bekommt, sondern dass das Theater eine Aufforderung ist, sich selber Gedanken zu machen.

In der nächsten Spielzeit wird Andreas Kriegenburg Shakespeares "Hamlet" inszenieren – ein Regisseur, der sich gerne selbst als ostdeutsch inszeniert. Beim Tamara-Danz-Abend, den Sie planen, haben beide Regisseure eine ostdeutsche Biografie. Wer darf bei Ihnen inszenieren?

Der neue Spielplan ist auch eine Reaktion auf diese Fragestellung. Wir haben ein Motto: Zeitenwende – Wendezeit. Wir erleben ja gerade wieder einen ganz großen Paradigmenwechsel im Blick auf die Geschichte. Seit dem Angriffskrieg von Russland ist es noch einmal so eine Art Wendezeit. Wie stehen wir zu Russland? Welche Bedeutung hat der Osten für den Rest von Europa? Wie geht man mit so einem Mann um wie Putin? Dahinter stehen große Fragen von Identität: Wer bin ich eigentlich?

Ich finde es wichtig, dass wir in Meiningen in der nächsten Spielzeit auch ostdeutsche Themen etwas stärker ins Visier nehmen

Frank Behnke

Und ich finde es wichtig, dass wir in Meiningen in der nächsten Spielzeit auch ostdeutsche Themen etwas stärker ins Visier nehmen und zum Beispiel Identifikationsflächen schaffen wie über diese Figur der Tamara Danz. Mir liegt nichts daran, einen nostalgischen oder ostalgischen Spielplan zu machen. Aber ich finde es interessant, mich mit der Geschichte auseinanderzusetzen und zu schauen, was hat Tamara Danz uns heute zu erzählen? Warum ist die so wichtig für für diese Regionen, für die Menschen, die da leben? Das ist spannend.

Tamara Danz im Dezember 1989
In Meiningen soll es im Theater in der neuen Spielzeit einen Tamara-Danz-Abend geben. Bildrechte: IMAGO / teutopress

Als Sie in Meiningen angetreten sind, gab es auch einige Konflikte mit dem Publikum. Spielt das da auch eine Rolle?

Das hatte weniger mit Ost und West zu tun, sondern damit, dass es beim Intendanzwechsel immer zu künstlerischen Entscheidungen kommt, dass man einen Teil des Ensembles entlässt. Wir haben ein neues Ensemble zusammengestellt. Wir haben auf Neustart gedrückt und das ist auch wichtig. Es war vorher eine erfolgreiche Intendanz von Ansgar Haack. Aber er war 16 Jahre da, und es war schon auch unser Auftrag, einen Aufbruch zu schaffen.

Das zeigt auch, wie verwurzelt dieses Theater in der Region ist. Es wäre schade, wenn niemand traurig wäre, wenn bestimmte Schauspielerinnen und Schauspieler das Haus verlassen. Da gab es Briefe, da gab es Diskussionen, da gab es unangenehme Reaktionen. Da gab es eben ein bisschen Stunk in der Stadt. Das hat sich aber inzwischen, glaube ich, sehr verändert. Inzwischen sind wir voll akzeptiert und auch geliebt mit dem, was wir machen. Aber das hätte in einer anderen Stadt genauso stattfinden können, überall da, wo ein Theater in der Region oder in der Stadt eng verwurzelt ist.

Das Gespräch führt Moderator Carsten Tesch für MDR KULTUR.
Redaktionelle Bearbeitung: Thilo Sauer

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 06. Mai 2023 | 11:05 Uhr