Carsten Linnemann (r), CDU-Generalsekretär und Vorsitzender der Programm- und Grundsatzkommission, und die stellvertretenden Vorsitzenden der Programm- und Grundsatzkommission, Serap Güler und Mario Voigt
CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann hat am Montag gemeinsam mit den stellvertretenden Vorsitzenden der Programm- und Grundsatzkommission der CDU Serap Güler und Mario Voigt den Entwurf des neuen Grundsatzprogramms der Partei vorgestellt. Bildrechte: picture alliance/dpa | Michael Kappeler

CDU-Grundsatzprogramm Was heißt eigentlich "Leitkultur"?

13. Dezember 2023, 11:12 Uhr

Elf Mal steht der Begriff "Leitkultur" im Entwurf des neuen Grundsatzprogramms der CDU, der am Montag vorgestellt worden ist. Darin heißt es, Deutschland brauche Mut zu seiner Leitkultur. Die Reaktionen von Vertretern aus der mitteldeutschen Politik und Gesellschaft darauf fallen sehr unterschiedlich aus. Während die einen populistische Elemente an dem Begriff feststellen, können andere die Kritik daran nicht nachvollziehen.

Raja Kraus, Autorin, Reporterin
Bildrechte: MDR/Isabel Theis

Die Achtung der Grund- und Menschenrechte, Meinungsfreiheit, Gleichberechtigung – das gehört laut Entwurf des neuen CDU-Grundsatzprogramms zur deutschen Leitkultur. Der Generalsekretär der Sächsischen Union Alexander Dierks erklärt, dass es aber auch um Werte gehe, die wir über das Grundgesetz hinaus miteinander teilten.

Dierks: Heimat, Zugehörigkeit, Traditionen

"Ich nehme in unserem Land ein ganz großes Bedürfnis nach einem fröhlichen, ungezwungenen Patriotismus wahr. Und Leitkultur, die darin durchbuchstabierten Werte, sind etwas ganz Zentrales, wenn unser Land eine gute Zukunft haben soll. Deswegen bin ich zutiefst davon überzeugt, dass es richtig ist, diese Dinge im Grundsatzprogramm der Union so festzuhalten", erklärt Dierks-.

Diese Dinge, das sind laut Grundsatzprogramm unter anderem auch das gemeinsame Bewusstsein von Heimat und Zugehörigkeit, Verständnis für unsere Traditionen und Bräuche, für ehrenamtliches Engagement und Vereinsleben.

Begriff "Leitkultur" schwer zu verorten

Frank Richter, der für die SPD im Sächsischen Landtag sitzt, tut sich mit der Definition des Begriffs Leitkultur schwer: "Also man kann eine positive Vorstellung haben, wenn man vielleicht an die Werte denkt, die in unserer Gesellschaft gelten: Freiheitlichkeit, Liberalität oder Demokratie. Das sind aber keine Werte, die Deutschland jetzt gepachtet hat. Wenn man auf der anderen Seite der Skala, ich weiß nicht, an Bierzelt oder Lederhose denkt, dann kommt man ja in ganz komisches Fahrwasser." Den Begriff Leitkultur könne Richter gedanklich und inhaltlich nicht so richtig verorten.

"Leitkultur" wird zur Abgrenzung genutzt

Eine offizielle Definition des Wortes gibt es nicht. Lucas von Ramin beschäftigt sich mit politischer Philosophie und immer wieder auch mit dem Begriff "Leitkultur". Er arbeitet als wissenschaftlicher Koordinator des Bereichs "Gesellschaftlicher Wandel" an der TU Dresden und erklärt: "Der Begriff selbst ist – glaube ich – seit den 90ern groß diskutiert worden. Die Idee wiederum findet sich in der politischen und philosophischen Ideengeschichte schon ziemlich lange."

Es ist ja kein rein akademischer Diskurs, den die CDU führt, sondern sie will damit Wählerinnen motivieren und Politik machen.

Lucas von Ramin TU Dresden

Problematisch sei der Begriff, wenn er, wie auch im Grundsatzprogramm der CDU, in der Migrationsfrage genutzt werde. Er grenze dann das "Wir" und das "die Anderen" voneinander ab. "Es ist ja kein rein akademischer Diskurs, den die CDU führt, sondern sie will damit Wählerinnen motivieren und Politik machen. Und insofern gibt es immer populistische Elemente an dem Begriff."

Vorstellung des Zusammenlebens in Deutschland

Der Präsident der Evangelischen Landeskirche Anhalts Joachim Liebig dagegen sagt über den Begriff Leitkultur: "Ich habe keine klare Vorstellung, woran sich da die Kritik entzündet." Für ihn ist Leitkultur ein Korridor, der vom Grundgesetz vorgegeben wird. Innerhalb dieses Korridors müsse die Gesellschaft immer wieder neu verhandeln, was Teil von ihr sei und was nicht.

Liebig sagt aber auch: "Das muss nicht der Begriff der Leitkultur sein […] Es könnte ein Konsens sein. Ein gesellschaftlicher Konsens, was in unserer Gesellschaft in Deutschland als wichtig erachtet wird."

Er wünscht sich, dass alle Parteien, die das Grundgesetz achten, ihre Vorstellung des Zusammenlebens in Deutschland definieren. Ob es dafür ein schöneres Wort als Leitkultur gebe, mögen andere entscheiden, sagt Liebig.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 13. Dezember 2023 | 06:10 Uhr

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