MDRfragt Jeder Zweite hat Hemmungen, seine Meinung zu sagen
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07. Dezember 2022, 05:00 Uhr
Die Meinungsfreiheit ist in Deutschland streng geschützt. Dennoch fürchtet sich rund die Hälfte der MDRfragt-Teilnehmerinnen und -Teilnehmer ab und an davor, ihre persönlichen Ansichten öffentlich zu äußern. Insbesondere in den sozialen Medien halten sich viele offenbar zurück. Das zeigt die aktuelle, nicht repräsentative Befragung von MDRfragt, an der sich rund 27.000 Menschen aus Mitteldeutschland beteiligt haben.
Soziale Medien sind eigentlich bekannt dafür, dass sich dort Vertreter unterschiedlicher Ansichten heftige Debatten liefern. Häufig fallen auch Beschimpfungen. Doch so offen die Wortgefechte einzelner sein mögen – bei vielen führen sie genau zum Gegenteil: zu Rückzug. Grundsätzlich hat fast jeder zweite MDRfragt-Teilnehmende angegeben, dass er ab und an Angst davor hat, seine Meinung öffentlich zu sagen.
Angst vor Meinungsäußerung in sozialen Medien besonders stark
Und bei der Frage danach, wo die betroffenen MDRfragt-Teilnehmenden diese Angst insbesondere verspüren, stehen die sozialen Medien unangefochten an der Spitze, gefolgt vom Arbeitsumfeld und dem Freundeskreis.
8 von 10 sehen freie Meinungsäußerung eingeschränkt
Angst, zu seiner Meinung zu stehen, ist freilich die extremste Form. Noch größer fällt die Zustimmung der MDRfragt-Teilnehmenden bei der Frage aus, ob man in Deutschland bei manchen Themen vorsichtig sein müsse, wie man sich äußert: 78 Prozent sind dieser Meinung. Genauso viele finden, dass bestimmte Meinungen heutzutage tabuisiert sind.
Deutliche Mehrheit denkt, es ist schlecht um die Meinungsfreiheit bestellt
Entsprechend fällt die Bilanz der MDRfragt-Gemeinschaft zum Zustand der Meinungsfreiheit in Deutschland durchwachsen aus: Nur 40 Prozent sind der Ansicht, dass es hierzulande gut um die freie Meinungsäußerung bestellt ist. Weit mehr, 59 Prozent, ziehen ein negatives Fazit.
An den Kommentaren zeigt sich, dass die meisten dabei nicht die gesetzliche Meinungsfreiheit infrage stellen:
Gesetzlich bin ich der Meinung, dass die Meinungsfreiheit schon gewährleistet ist. Gesellschaftlich ist es schon eher problematisch, sich in bestimmten Kreisen über spezielle Themen zu äußern, ohne bei der Äußerung einer 'falschen' Meinung nicht gleich verbal attackiert zu werden.
Ich denke, dass wir schon eine sehr gute Meinungsfreiheit haben. Leider gibt es aber zunehmend Menschen, die diese Meinungsfreiheit völlig überstrapazieren und Dinge äußern, die beleidigend und menschenverachtend sind. Nur weil wir Meinungsfreiheit haben, heißt das noch lange nicht, das man auch alles äußern sollte.
Man kann in Deutschland alle Meinungen äußern, aber bei manchen bekommt man natürlich richtig Gegenwind. Da gibt es leider auch Überreaktionen, falsche Diffamierung etc. Der Diskurs könnte sachlicher sein, aber Meinungsfreiheit haben wir.
Ich denke, dass es Menschen gibt, die eine Einschränkung der Meinungsfreiheit damit gleichsetzen, ihren Hass und Rassismus nicht ausdrücken zu dürfen. Dabei reicht es schon häufig, wenn man Widerspruch bekommt. Zack: Einschränkung der Meinungsfreiheit.
Die, die von eingeschränkter Meinungsfreiheit reden, beweisen mit ihren Äußerungen ja genau das Gegenteil.
Aber es gibt auch Stimmen, die die Meinungsfreiheit in Deutschland per se infrage stellen:
Meinungsfreiheit wird vom Establishment mit Füßen getreten. Sie gibt es nur auf dem Papier.
Bundespräsident Steinmeier zur "Ortszeit" in Freiberg
Wie die MDRfragt-Teilnehmenden auf das Thema Meinungsfreiheit in Deutschland blicken – darüber wird MDR-Chefredakteurin Julia Krittian mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier heute sprechen. Die Befragung fand anlässlich der sogenannten Ortszeit des Bundespräsidenten in Freiberg statt. Auf den "Ortszeiten" verlegt Steinmeier vorübergehend seinen Amtssitz in verschiedene Kommunen – um dort mit den Bürgerinnen und Bürgern ins Gespräch zu kommen.
Drei Viertel halten Ortszeiten des Bundespräsidenten für wichtig
Die MDRfragt-Teilnehmerinnen und -Teilnehmer finden das Ansinnen Steinmeiers, näher bei den Menschen zu sein und mit ihnen in den Dialog zu treten, grundsätzlich wichtig.
Gleichzeitig bezweifelt eine Mehrheit von 55 Prozent, dass die "Ortszeiten" tatsächlich etwas bewirken. Auch hat nur jeder Dritte die Besuche Steinmeiers in den Regionen bislang wahrgenommen.
Über diese Befragung
Die Befragung vom 30.11.- 02.12.2022 stand unter der Überschrift:
Politik in der Krise: Wie steht's um Deutschland?
Insgesamt sind bei MDRfragt 62.963 Menschen aus Mitteldeutschland angemeldet (Stand 02.12.2022, 13 Uhr).
26.941 Menschen aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen haben online an dieser Befragung teilgenommen.
Verteilung nach Altersgruppen:
16 bis 29 Jahre: 324 Teilnehmende
30 bis 49 Jahre: 3.811 Teilnehmende
50 bis 64 Jahre: 11.351 Teilnehmende
65+: 11.455 Teilnehmende
Verteilung nach Bundesländern:
Sachsen: 13.993 (52 Prozent)
Sachsen-Anhalt: 6.536 (24 Prozent)
Thüringen: 6.412 (24 Prozent)
Verteilung nach Geschlecht:
Weiblich: 11.383 (42 Prozent)
Männlich: 15.500 (58 Prozent)
Divers: 58 (0,02 Prozent)
Die Ergebnisse der Befragung sind nicht repräsentativ. Wir haben sie allerdings in Zusammenarbeit mit dem wissenschaftlichen Beirat nach den statistischen Merkmalen Bildung, Geschlecht und Alter gewichtet. Das heißt, dass wir die Daten der an der Befragung beteiligten MDRfragt-Mitglieder mit den Daten der mitteldeutschen Bevölkerung abgeglichen haben.
Aufgrund von Rundungen kann es vorkommen, dass die Prozentwerte bei einzelnen Fragen zusammengerechnet nicht exakt 100 ergeben.
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR extra | 07. Dezember 2022 | 19:50 Uhr