Kind mit einem Sparschwein
Kind mit einem Sparschwein Bildrechte: IMAGO / photothek

MDRfragt Mehrheit lehnt Grunderbe ab

30. Mai 2022, 05:00 Uhr

Um die sozialen Unterschiede zwischen Ost und West zu verringern, hat der Ostbeauftragte Carsten Schneider ein Grunderbe vorgeschlagen. Die Mehrheit der MDRfragt-Mitglieder findet das jedoch nicht sinnvoll. Bei den jüngeren Teilnehmenden sieht die Sache allerdings etwas anders aus, sie stehen dem Grunderbe positiver gegenüber. Das sind die Ergebnisse der aktuellen Befragung von MDRfragt mit knapp 25.000 Teilnehmenden aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen.

Nach Ansicht des Ostbeauftragten Carsten Schneider sind junge Menschen in den neuen Bundesländern benachteiligt, weil sie weniger Erbe erwarten können als Gleichaltrige im Westen. Schneider schlägt deshalb ein Grunderbe in Höhe von 20.000 Euro für alle 18-Jährigen vor, sowohl in Ost- als auch in Westdeutschland. Die MDRfragt-Mitglieder sehen das jedoch kritisch: 62 Prozent lehnen die Einführung eines Grunderbes ab. Ein knappes Drittel befürwortet sie.

In den Kommentaren erklären die Teilnehmenden ihre Ablehnung:

Ich denke, wenn Menschen mit 18 Jahren 20.000 Euro erhalten, werden die wenigsten in diesem Alter in der Lage sein, damit etwas Sinnvolles zu tun. In meinen Augen fehlt die menschliche Reife dazu. Wenn man sich das Geld selber verdienen muss, überlegt man doch ganz anders, wofür was man es ausgibt.

Annette B., 59 Jahre, Erfurt

Für jeden jungen Menschen ist es wichtig, klein anzufangen, um eine Wertschätzung zu entwickeln für die Erfahrungen, die man macht.

Romy T., 51 Jahre, Schmalkalden-Meiningen

Wo soll das Geld herkommen? Und wenn alle das Grunderbe bekommen, sind die Unterschiede immer noch da.

Jenny B., 34 Jahre, Nordsachsen

Andere MDRfragt-Mitglieder befürworten das Grunderbe aber auch:

Ich halte das Grunderbe für eine gute Finanzspritze für Jugendliche, so etwas wünsche ich mir für mein Kind. Der eingeschränkte Zugang zu 'Machtnetzwerken' und hoch entlohnten Arbeitsplätzen wird dadurch jedoch nicht gemildert.

Christian M., 37 Jahre, Jerichower Land

Die Idee ist gut, doch die Gefahr besteht, dass das Grunderbe auch nur verschleudert wird. Insoweit müsste es an Bedingungen für eine nachhaltige Lebensführung geknüpft werden.

Bob P., 62 Jahre, Chemnitz

Jüngere sehen Grunderbe positiver

Beim Vergleich der Altersgruppen treten deutliche Unterschiede zu Tage. Während in der jüngsten Altersgruppe, den 16- bis 29-Jährigen, etwas mehr als die Hälfte das Grunderbe befürwortet, sind es in allen anderen Altersgruppen jeweils ungefähr nur ein Viertel.

Was sie am Grunderbe positiv finden, berichten die jüngeren MDRfragt-Mitglieder in den Kommentaren:

Meine Verlobte und ich sind mit keinerlei Eigentums- oder Geldwerten ins Studium gestartet, bekommen kein BAfÖG und werden auch von unseren Eltern nur soweit unterstützt, wie sie können. Damit haben wir zusammen 1000 Euro im Monat, wovon zwei Personen leben müssen. Arbeit kommt neben 40 Stunden Studium die Woche nicht infrage. Ein Grunderbe hätte uns den Einstieg ins eigene Leben sehr vereinfacht, wir müssten nicht jeden Cent umdrehen und könnten uns auch mal was leisten.

Florian P., 22 Jahre, Gotha

Mit pädagogischen Hintergrund denke ich, dass ein Grunderbe Jugendlichen aus bildungsfernen und vor allem weniger wohlhabenden Familien einen höheren Bildungsabschluss ermöglicht bzw. den Start in ein selbstständiges Berufleben erleichtert.

Anne Marie Q., 28 Jahre, Magdeburg

Es gibt aber auch Kritik von den jüngeren Teilnehmenden:

Der Gedanke erschließt sich mir nicht. Was hat ein Erbe mit der Chance zu tun, aus sich etwas zu machen. Es stehen jedem die gleichen Möglichkeiten zu. Manchmal ist es einfach der Wohnort, der einen daran hindert. Oder wie der junge Mensch aufgewachsen ist und erzogen wurde.

Michael O., 28 Jahre, Zwickau

Geld dieser Art zu verteilen ist in meinen Augen zwecklos. Der Prozentsatz, der das nur 'sinnlos' verprasst wird hoch sein und es gibt einfach nicht genug finanzielle Bildung, als dass man den jungen Menschen das vorwerfen könnte. Im Schnitt geben reichere Eltern bessere finanzielle Bildung weiter als ärmere Eltern. Mit so einem Grunderbe würde man die Schere letztlich also weiter öffnen.

Annekathrin S., 29 Jahre, Dresden

Zweifel an mehr Gerechtigkeit durch Grunderbe

Der Ostbeauftragte Schneider möchte mit dem Grunderbe mehr soziale Gleichheit in Deutschland erreichen. Dass das möglich ist, bezweifeln jedoch knapp drei Viertel der befragten MDRfragt-Mitglieder. Etwas mehr als ein Fünftel ist aber der Ansicht.

Einige MDRfragt-Mitglieder schlagen stattdessen andere Maßnahmen vor:

Um den jungen Menschen den Start ins Leben zu vereinfachen, sollte es mehr Fördermittel für Bildung oder Existenzgründung geben.

Anja D., 45 Jahre, Landkreis Leipzig

Wenn unsere Politiker Gesetze erlassen, die allen Bürgern ein gerechtes Maß ermöglichen, dann brauchen wir kein Grunderbe. Es müssten mehr Privilegien abgeschafft werden, z. B. Unterschiede zwischen Angestellten und Beamten, private Krankenkassen etc.

Hannelore W., 75 Jahre, Weimar

Mehr als die Hälfte findet Bedingungen sinnvoll

56 Prozent der Teilnehmenden finden es sinnvoll, wenn die Zahlung des Grunderbes an bestimmte Bedingungen, wie zum Beispiel eine Ausbildung oder eine Selbständigkeit, geknüpft wäre. Ein Drittel spricht sich gegen Bedingungen aus.

Ausbildung und Studium sind favorisierte Bedingungen

Von den MDRfragt-Teilnehmenden, die sich für Bedingungen fürs Grunderbe aussprechen, wollten wir wissen, welche das konkret sein sollen.

  • Mit Abstand die meisten (85 Prozent) haben die Bildung – also eine Aus- oder Weiterbildung bzw. ein Studium – angegeben.
  • Für 51 Prozent sollte Selbstständigkeit bzw. Unternehmensgründung eine Bedingung sein.
  • 34 Prozent sprechen sich für den Erwerb von Eigentum (Immobilie, Grundstück) als Bedingung aus.
  • Für 21 Prozent sollte die Einrichtung eines Sparkontos eine Bedingung sein.
  • Nur sieben Prozent können sich die Anlage in Gold oder Wertpapiere als Bedingung vorstellen.

Finanzierung über höhere Erbschaftssteuer lehnt mehr als die Hälfte ab

Die Kosten für das Grunderbe würden sich nach Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung auf knapp 15 Milliarden Euro pro Jahr belaufen. Finanziert werden sollen sie durch eine höhere Erbschaftssteuer. 56 Prozent der MDRfragt-Teilnehmenden lehnen das ab. Etwas mehr als ein Drittel befürwortet jedoch eine Finanzierung über die Erbschaftssteuer.


Über diese Befragung Die Befragung vom 20.05.-23.05.2022 stand unter der Überschrift:
Kann das Grunderbe für mehr soziale Gleichheit sorgen?

Insgesamt sind bei MDRfragt 61.423 Menschen aus Mitteldeutschland angemeldet (Stand 23.05., 12 Uhr).

24.804 Menschen aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen haben online an dieser Befragung teilgenommen.

Verteilung nach Altersgruppen:
16 bis 29 Jahre: 314 Teilnehmende
30 bis 49 Jahre: 3.695 Teilnehmende
50 bis 64 Jahre: 10.568 Teilnehmende
65+: 10.227 Teilnehmende

Verteilung nach Bundesländern:
Sachsen: 12.694 (51 Prozent)
Sachsen-Anhalt: 6.180 (25 Prozent)
Thüringen: 5.930 (24 Prozent)

Verteilung nach Geschlecht:
Weiblich: 11.191 (45 Prozent)
Männlich: 13.558 (55 Prozent)
Divers: 55 (0,2 Prozent)

Die Ergebnisse der Befragung sind nicht repräsentativ. Wir haben sie allerdings in Zusammenarbeit mit dem wissenschaftlichen Beirat nach den statistischen Merkmalen Bildung, Geschlecht und Alter gewichtet. Das heißt, dass wir die Daten der an der Befragung beteiligten MDRfragt-Mitglieder mit den Daten der mitteldeutschen Bevölkerung abgeglichen haben.

Aufgrund von Rundungen kann es vorkommen, dass die Prozentwerte bei einzelnen Fragen zusammengerechnet nicht exakt 100 ergeben.


Ein-Cent, Zwei.Cent, Fuenfcentmuenzen auf einem Stapel
Bildrechte: IMAGO / Winfried Rothermel

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Fakt ist! | 30. Mai 2022 | 22:10 Uhr