Gewerkschafter protestieren vor dem landtag in Magdeburg, Sachsen-Anhalt, am Donnerstag, 18. Juli 2002. Die neue Regierung will das so genannte Vergabegesetz wieder abschaffen. Nach dem gesetz duerfen oeffentliche Auftraege nur an Unternehmen vergeben werden, die Tarifloehne zahlen.
Das neue Vergabegesetz in Sachsen-Anhalt freut Gewerkschaften, die dafür protestiert haben. Öffentliche Aufträge müssen dann nach Tariflohn bezahlt werden. Bildrechte: imago/Eckehard Schulz

Höhere Löhne Neues Vergabegesetz soll Lohnausbeutung verhindern

09. November 2022, 05:00 Uhr

Es ist kein Geheimnis: Die Löhne in Ostdeutschland sind niedrig. Und in Sachsen-Anhalt sind sie besonders niedrig. Nun soll der Staat dafür sorgen, dass Arbeiten, die er beauftragt, anständig entlohnt werden. Sachsen-Anhalts SPD fordert schon lange ein Vergabegesetz, das Mindeststandards bei öffentlichen Aufträgen festschreibt. Am Montag haben sich die Regierungsmitglieder nun auf einen Gesetzesentwurf geeinigt. Doch nicht jeder freut sich darüber.

Ralf Geißler, Wirtschaftsredakteur
Bildrechte: MDR/Isabel Theis

Der Staat lässt gern andere machen. Für neue Straßen, die Sanierung von Schulen aber auch das Reinigen von Büros beauftragt er in der Regel Privatfirmen. Wer in Sachsen-Anhalt solche öffentlichen Aufträge ergattern will, muss seine Beschäftigten künftig nach Tarif bezahlen – oder mindestens 13 Euro Stundenlohn geben. So wollen es CDU, SPD und FDP in einem Vergabegesetz festschreiben.

Kritik an zusätzlicher Bürokratie

Viele Beschäftigte dürfte es freuen. Weniger gut kommt der Gesetzentwurf bei Marco Langhof an, Sachsen-Anhalts Arbeitgeberpräsidenten. "Der Staat hat schon mal an anderer Stelle einen Mindestlohn festgelegt. Und jetzt kommt ein Vergabe-Mindestlohn. Da muss ich mir die Frage stellen, wieso kommt das noch on top obendrauf? Es ist einfach zusätzliche Bürokratie, die damit entsteht. Und irgendjemand muss es bezahlen, nämlich die öffentliche Hand, also wir alle."

Es ist einfach zusätzliche Bürokratie, die damit entsteht.

Marco Langhof Arbeitgeberpräsident

Das Vergabegesetz war vor allem für die SPD eine Herzensangelegenheit. Bei den Koalitionsverhandlungen hatte sie es zur Bedingung für das Mitregieren in Sachsen-Anhalt gemacht. Deshalb freut sich Holger Hövelmann, Fraktionssprecher für Wirtschaft, über den Kompromiss.

Er erklärt, warum der Vergabemindestlohn bei 13 Euro liegen soll. "Wir sagen, dass niemand, der von öffentlichem Geld bezahlt wird, wenn er einen Auftrag erhält, der aus öffentlichen Kassen finanziert wird, schlechter bezahlt werden soll als die Vergütung, die man im öffentlichen Dienst selbst erhält." Dies sei die Berechnungsgrundlage der 13 Euro. Es sei eine politische Entscheidung, die er gut finde.

Nicht so euphorisch sind die Regierungspartner. CDU und FDP tragen das Gesetz aus Koalitionsräson mit. Für die CDU hat Ulrich Thomas verhandelt. Er betont, dass das Vergabegesetz erst ab einer gewissen Auftragshöhe gelte. "Bei Dienstleistungen ab 40.000 Euro, bei Bauaufträgen ab 120.000 Euro und bei Baumaßnahmen, die in den Hoch- und Tiefbau gehen bei einer Million Euro. Ich bin sehr froh, weil wir davon ausgehen, dass viele Aufträge von diesem Gesetz gar nicht erfasst werden, was natürlich sofort die Bürokratie eindämmt."

Staat kein attraktiver Auftraggeber

Die Obergrenzen sollen auch dafür sorgen, dass sich Firmen überhaupt noch um kleine Aufträge bewerben. Schon jetzt heißt es aus der Bauwirtschaft, der Staat sei als Auftraggeber nicht sonderlich attraktiv. Und das Vergabegesetz mache es mit seinen Auflagen nicht besser. Nicht verstehen kann diese Kritik Sachsen-Anhalts DGB-Chefin Susanne Wiedemeyer. Im Rahmen der Energiekrise seien die Baufirmen die Ersten, die schreien, dass sie Unterstützung brauchen. Wenn es aber darum gehe, dass sie etwas für ihre Mitarbeiter tun, werde es schwierig. "Wenn sie nicht den speziellen Bau-Mindestlohn gekündigt hätten, dann würden sie auch jetzt locker schon über 13 Euro Mindestlohn zahlen müssen", erklärt sie.

Wiedemeyer hätte sich ein strengeres Vergabegesetz gewünscht, das auch schon bei niedrigerem Auftragsvolumen greift. Der Gewerkschafterin ist wichtig, dass der Staat als Auftraggeber künftig zuerst auf die Tarifbindung schaut. Die 13 Euro seien für sie nur die Untergrenze. Nächste Woche soll das Gesetz im Landtag beschlossen werden. Im Januar könnte es in Kraft treten.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | MDR AKTUELL - Das Nachrichtenradio | 09. November 2022 | 06:00 Uhr

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